Review

"Inugami" - ein weiterer Film über einen japanischen Geistermythos, der sich uns Mitteleuropäern kaum in gut 100 Minuten Laufzeit entschlüsseln wird. Insofern bleibt beim Einsetzen der Schlusstitel eine gewisse Ratlosigkeit, was aber nicht unbedingt negativ gewertet werden muss. Immerhin könnte sie dazu anregen, sich über den Mythos kundig zu machen. Interesse weckt das Werk von Masato Harada in jedem Fall.

Zusammen mit dem jungen Lehrer Akira betreten wir das Bergdorf, wo die Papiermacherin Miki ein beschauliches Leben unter den strengen Augen ihrer Sippe führt, als Fremde, und bis zum Ende wird es uns nicht zur gedanklichen Heimat. Zu schwer sind die Gesetze zu deuten, nach denen das Geschehen abläuft. Mit zahlreichen Momenten umwerfender Schönheit (das Papierschöpferhandwerk, der hohle Baum, der neblige Wald überhaupt - reine Magie) fesseln den Zuschauer, um ihn mit kleinen Geistererscheinungen oder aggressiven Akzenten wie den Gewaltausbrüchen des unberechenbaren Familienoberhaupts Takanao wieder umzustimmen.

Harada scheint aber auch sonst nicht darauf aus, eine Idylle zu schaffen - er weiß zwar Landschaften in beeindruckenden Größendimensionen virtuos filmisch wiederzugeben, er zeigt aber auch nüchterne, technisch bestimmte Räumlichkeiten.
Vieles an diesem Film wie das rauschartige Einfangen von Natureindrücken oder auch das sensible, hochästhetische Abbilden von Nacktheit erinnert an europäisches Kino, und vielleicht hat sich Harada hier einige Inspirationen geholt. Es entsteht aber eine sehr genuine, beeindruckende Mischung. In wenigen Bildern nähert sich der Film auch dem Surrealismus an - z. B. dem Traum einer Frau, dass in ihrem Bauch eine Tiefgarage entsteht(!) - ein originelles Bild, das den Widerstreit organischer und technischer Phänomene veranschaulicht.

Die Hauptdarstellerin des Films, Yuki Amami, ist eine sehr schöne junge Frau, und daher nimmt man ihr trotz Brille und grauer Strähnen ihr (anfängliches) Alter von etwa 40 Jahren nicht so recht ab. Die Szenen, in denen sie ihr Handwerk betreibt, sind sehr sehenswert, da das Papierschöpfen in unserer Sphäre wohl keine nennenswerte Rolle spielt, hier aber glaubwürdig als Lebensinhalt vermittelt wird und als intensiver Umgang mit Naturelementen vielleicht etwas zeigt, was uns abhanden gekommen ist. Die ergänzenden Informationen zur Vergangenheit ihrer Figur sind ziemlich starker Stoff, auch wenn sie nicht platt und sensationslüstern vermittelt werden. Ihr Sippenoberhaupt, Takanao, kommt als gewaltbereiter Fiesling weniger stark herüber, was auch an seiner vielleicht etwas übertrieben dargestellten Gespaltenheit liegt: Er lehnt die Fotographie ab, da das Abbilden von Menschen deren Seele schwäche, aber betätigt sich im Internethandel. Da hat man vielleicht etwas dick aufgetragen. Weitere Figuren sind teils recht originell gezeichnet und wissen zu gefallen, wie der alte Jäger oder die wunderliche Zeitungsausträgerin. Der Film präsentiert leider auf Dauer eine Überzahl von Figuren, so dass die meisten bruchstückhaft bleiben.

Über die Geister, die man zunächst einmal als Mittelpunkt des Films vermutet, erfährt man nicht sehr viel. Es wird angenommen, dass sie sich in einem alten Gefäß befinden und von der Familie der Bonomiya auf missliebige Personen gehetzt werden, weshalb nach einigen unerklärlichen Unfällen eine Hexenjagd auf Miki initiiert wird. Spätestens hier wird es ein wenig konfus, und bei einem seltsamen Kampf nahe einer Kultstätte gibt das Chaos der Szenerie bildkräftig die Verworrenheit der Handlung wieder.

Insgesamt zeigt sich uns hier eine sehr bildgewaltige und ästhetische Vision, vielleicht weniger Grusel- oder Dämonenfilm als vielmehr ein mystisch gefärbtes Familiendrama und gleichzeitig die Frage nach der Zukunftsfähigkeit archaischer, naturnaher Gesellschaften.

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