41 Jahre nach dem großartigen „Night Of The Living Dead“ hat George Romero mit "Survival Of The Dead" den mittlerweile sechsten Teil seiner genredefinierenden Saga um die lebenden Toten veröffentlicht.
Jene Untoten, die den Sittenwächtern im Deutschland der 80er und 90er Jahre, ganz besonderes den werten Damen und Herren der BPjM, regelrecht Schweißperlen auf die Stirn trieben und sie in wohl dosierten Abständen zu Indizierungen hier und Beschlagnahmungen dort animierten. Vieles hat sich seitdem geändert, manches ist gleich geblieben. „Dawn Of The Dead“ und „Day Of The Dead“ sind nach wie vor beliebte Kandidaten, wenn es darum geht filmische Ergüsse zu kriminalisieren. Dagegen überrascht es umso mehr, dass es ausgerechnet einem Filmemacher wie George Romero, der scheinbar schonungslos Grauen und Gewalt über die Menschheit gebracht hat, vergönnt war, mit „Survival Of The Dead“ sein neuestes Epos 2009 bei den seriösen Filmfestspielen in Venedig vorzustellen. Wer wissen will, wie stilprägend Romeros Werk branchenübergreifend ist, braucht nur einmal bei der japanischen Spiele-Schmiede Capcom anzufragen.
Romero hat es geschafft den vielerorts noch wenig akzeptierten Bereich des Horror-Genres aus seinem Nischendasein zu befreien. Mit teils visionärer Bildersprache, intelligenten Drehbüchern und einem düsteren, pessimistischen Blick auf den Menschen hat er die Filmwelt für alle Zeit revolutioniert: Romero bietet weit mehr als kurzweilige Fast Food-Unterhaltung, er hat eine Botschaft an die Welt.
„Survival Of The Dead“ atmet den Geist vergangener Tage und bringt längst verblasste Erinnerungen zurück. Die Untoten von Romero wandeln auch nach vier Dekaden noch im Zeitlupentempo umher und können wie üblich mit einem gezielten Kopfschuss ins Jenseits verbannt werden. Ein primäres Thema von Romeros Schaffen war dabei nie die Zombie-Epidemie an sich, stets waren es die zwischenmenschlichen Konflikte, die letztlich das Schicksal der Zivilisation besiegelten. Ob sie nun Eingang fanden in beherzte Debatten, die über den Umgang mit der Wiederauferstehung der Toten entscheiden sollten oder die ewige Frage nach Besitz und Besitzlosigkeit aufgriffen – immer mündete die Unfähigkeit der Menschen zur Kommunikation im Unglück. Nicht anders verhält es sich bei „Survival“.
„Survival“ knüpft nahtlos an seinen Vorgänger „Diary Of The Dead“ an und macht eine Nebenfigur des fünften Teils der Dead-Reihe zum Hauptakteur der neuesten Ausgabe von Romeros Untoten-Mär. Gott sei Dank hat man das unsägliche Wackelkamera-Prinzip über Bord geworfen und sich wieder auf die Stärken der ersten Filme berufen. Dazu zählen zweifelsohne die Charakterzeichnung der wichtigsten Personen, gute Regie und ein straffer Spannungsbogen. Letzterer litt bei „Diary“ auch darunter, dass die Handkamera-Technik an sich nur limitierte Möglichkeiten des Storytellings erlaubte, hölzerne Dialoge generierte und wenig Überraschungen bot.
Mit Überraschungen ist es leider auch bei „Survival“ nicht weit her, denn aller positiven Aspekte zum Trotz, machen sich allmählich erste Abnutzungserscheinungen von Romeros liebgewonnenen Untoten breit. Dadurch, dass die klaustrophobische Stimmung der ersten Teile auf ein Minimum reduziert wurde, vermeintliche Schicksalsschläge, wie die Erlösung des lieb gewonnenen Freundes von seiner Infektion permanent auftreten und die Untoten exakt dort auftauchen, wo man es vermutet, ist der Spielraum für großartige Neuerungen stark eingegrenzt.
Tatsächlich leidet „Survival“ oft an dümmlich-naiven Dialogen gepaart mit Brechstangen-Humor. Wer bitte kann denn über seichte Sprüche wie „War mir neu. Ich dachte wenn ´ne Kanone nass ist...“ lachen?
Als äußerst angenehm ist die Wahl einer weitestgehend unbekannten Schauspieler-Crew, wie eben auch bei „Diary“ zu benennen, die einerseits offen lässt, wer am Ende das Gemetzel mit heiler Haut übersteht und andererseits unverbrauchtes, frisches Schauspieler-Material zu Tage liefert. Ohne Frage muss man hinsichtlich des Talentes einzelner Akteure einige Abstriche machen, wenngleich die Darstellungen sich größtenteils auf einem soliden Niveau bewegen. Eine der besseren Leistungen liefert Kenneth Welsh, einigen sicher noch als windiger Ex-Agent Windom Earle aus „Twin Peaks“ bekannt, ab. Wohltuend auch, dass sich Romero wie so oft in seiner langen Karriere davon entfernt unbezwingbare Helden zu kreieren und stattdessen Mensch auch Mensch sein lässt, mit allen Ecken und Kanten. Dafür muss man wiederum auf jegliche Formen der Identifikation zu den Akteuren verzichten; besonders sympathisch gibt sich keine der handelnden Personen.
Mehr denn je richtet Romero den Fokus auf den Kampf zwischen zwei Parteien menschlichen Ursprungs, deren persönliche Abneigung zueinander durch vordergründige Wert- und Normvorstellungen überlagert wird. In der Tat sterben mehr Menschen durch die Hand anderer Menschen, als dass ihnen die lebenden Toten den Garaus machen. Zumindest wirkt es über weite Strecken so. Der Mensch richtet sich selbst, typisch Romero eben.
Als Reminiszenz an den „klassischen“ Romero kann man am ehesten noch die Ausweidung eines Cowboys, ähnlich der von Captain Rhodes aus „Day Of The Dead“ deuten. Aber das Wort „Ausweidung“ soll keinen falschen Eindruck erwecken: „Survival“ gibt sich in der Summe zwar etwas härter in seiner Gangart als noch „Diary“, besonders deftige Splatter-Einlagen wie in „Dawn“, „Day“ oder „Land Of The Dead“ darf man aber nicht erwarten.
Damit nimmt Romero eindeutig Abstand, ob gewollt oder ungewollt, von den teils sehr herben visuellen Inszenierungen des „Torture Porns“ ohne jedoch zugleich dem Mainstream zu verfallen. Im Übrigen sollte dies auch gar nicht als Kritikpunkt gewertet werden, zumal Romero nun schon sämtliche Kniffe und Tricks im Gore-Bereich aufgefahren und zu Genüge ausgereizt hat.
„Höher, schneller, weiter“ mag als Prämisse noch für die schier unübersehbare Flut an Folterfilmen gelten, für Romero sollte sie indes nicht mehr der Maßstab sein.
Zu kritisieren wäre möglicherweise der Einsatz von CGI gegenüber den wunderbaren Make Up-Effekten der Herren Nicotero oder Savini, mehr als eine Randnotiz stellt diese Anmerkung aber nicht dar.
Vielleicht wirkt die komplette Gestaltung von „Survival“ ein wenig zu modern und lässt das wohlige B-Movie-Feeling der 80er Jahre mit schmuddelig-schönen Requisiten vermissen, rein stilistisch agiert Romero jedoch auf einem sehr respektablen Niveau.
Wie bereits erwähnt ist der Film in seiner Gesamtheit recht spannend, im direkten Vergleich zu „Diary“ einstweilen gar fesselnd. Die Western-Atmosphäre weiß als neuer Aspekt in der Dead-Reihe zu gefallen und das herrlich altmodische Flair der herumtorkelnden Untoten bringt einige selige Erinnerungen an die glorreiche Ära des klassischen Horrorfilms zurück.
Das Niveau der originalen „Trilogy Of The Dead“ kann zwar zu keinem Zeitpunkt erreicht werden, aber bis auf dröge Dialoge wird alles in allem solide Unterhaltung geboten, inklusive eines leicht apokalyptisch angehauchten Schlussakordes.