„Oh mein Gott – ist das schlecht!“
Eine der meistverfilmten Weihnachtsgeschichten ist Charles Dickens‘ klassische Weihnachtsgeschichte. US-Regisseur Richard Donner verfilmte zwischen „Zwei stahlharte Profis – Lethal Weapon“ und „Brennpunkt L.A.“ ein Drehbuch Mitch Glazers und Michael O’Donoghues, das den Stoff in gruselkomödiantischer Form in die Gegenwart des Jahres 1988 transportiert. Bei der Namensgebung überzeugen sowohl der Originaltitel „Scrooged“ in Anspielung auf die Hauptfigur als auch das gut passende Goethe-Fehlzitat der deutschen Fassung. Im Folgenden wird gespoilert, sofern davon angesichts einer Adaption altbekannten Stoffs die Rede sein kann:
„Du magst Weihnachten nicht besonders, oder?“
Frank Cross (Bill Murray, „Ghostbusters“), der eigentlich Francis Xavier Cross heißt, ist ausführender Produzent eines Fernsehsenders und gerade mit der Planung des Weihnachtsprogramms beschäftigt. Er ist ein herzloser Zyniker, der seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schlecht behandelt, wenn er sie nicht gleich feuert, und auch seine Programmpläne sind wenig besinnlich. Eines Nachts nimmt unvermittelt sein ehemaliger Vorgesetzter Lew Hayward (John Forsythe, „...und Gerechtigkeit für alle“) Kontakt zu ihm auf – dabei weilt dieser bereits seit einigen Jahren gar nicht mehr unter den Lebenden. Damit nicht genug: Er avisiert Frank, dass ihn die Geister der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht heimsuchen werden. Und so kommt es tatsächlich: In Gestalt eines Taxifahrers (David Johansen, „Die Mafiosi-Braut“), einer sich wenig fairylike gebärdenden Fee (Carol Kane, „Hundstage“) und eines stummen Monsters (Robert Hammond, „Der Blob“ (1988)) erteilen sie Frank eine Lektion nach der anderen…
„Charles Dickens hätte sicher ihre Nippel sehen wollen!“
Das Intro klingt fast wie das „Geschichten aus der Gruft“-Titelthema, was wenig verwundert, da auch hier Danny Elfman für den Score verantwortlich zeichnet. Balleraction mit Lee Majors in der Weihnachtswerkstatt entpuppt sich als Trailer für das geplante Weihnachtsprogramm des TV-Senders Franks, weitere parodistische TV-Teaser laufen im Rahmen einer Präsentation, gefolgt von einem Weihnachtsgeschichte-Werbespot. Frank findet’s alles scheiße und zeigt daraufhin seinen eigenen reißerischen Werbespot für eine nicht minder reißerische Aufführung der klassischen Weihnachtsgeschichte Dickens‘, von der nur noch ein Zerrbild übrigbliebe. Er feuert seinen Angestellten Elliot Loudermilk (Bobcat Goldthwait, „Police Academy 2“), der ihn hierfür zu kritisieren gewagt hatte, sperrt Gratifikationen und benimmt sich generell wie ein empathieloses Arschloch. Seine Sekretärin Grace (Alfre Woodard, „Mandela“) zwingt er zu Überstunden, ihr kleiner Sohn leidet darunter und spricht bereits kein Wort mehr.
Der darauffolgende Besuch seines mumifizierten Ex-Bosses offenbart eine überaus gelungene Maskenarbeit, die ein Publikum, das weniger auf Familienweihnachtsfilme, sondern mehr aufs Horrorgenre schwört, abholen dürfte. Für Freundinnen und Freunde der gepflegten Romanze gesellt sich Franks Jugendfreundin Claire (Karen Allen, „Jäger des verlorenen Schatzes“) zum Ensemble. Eigentlich will Frank weiter an der Umsetzung seiner größenwahnsinnigen Vision einer Scrooge-Show arbeiten, doch Visionen ganz anderer, nämlich unheimlicher und verstörender Art, führen zu Irritationen im Alltag und für eine Mischung aus wohligem Grusel und Schadenfreude beim Publikum. Diese sind jedoch lediglich der Auftakt für Franks Begegnungen mit den berühmten drei Geistern. Derjenige der vergangenen Weihnacht fährt ein Zeitmaschinentaxi und stellt damit zugleich eine Karikatur von New Yorker Taxifahrern und den mit ihnen verbundenen Klischees dar. Im Jahre 1955 zeigt er Frank dessen Eltern, Franks Vater ist ein Tyrann. 1968 geht’s zur Weihnachtsfeier im Büro, ein Jahr später zur glücklichen Weihnacht mit Claire – doch die Beziehung zu ihr wird nach seiner Anstellung beim Fernsehen zugunsten seiner Karriere aufgeben. Im Schnelldurchlauf bekommen wir hier also die Ursache für Franks charakterliche Fehlentwicklungen und deren Auswirkungen auf sein Privatleben präsentiert.
In Claires Hilfsorganisation wird Frank mit einem Schauspieler verwechselt. Der schmierige Brice (John Glover, „Die unglaubliche Geschichte der Mrs. K“) sägt an seinem Stuhl. Slapstick-Einlagen. Und dann auch noch der Geist der gegenwärtigen Weihnacht! Dieser ist weiblich, tritt Frank in die Eier und prügelt ihn, bevor er Frank Grace‘ Familie und die Weihnachtsfeier Franks Bruders (John Murray, „Caddyshack – Wahnsinn ohne Handicap“) zeigt. Die Szene um den erfrorenen Obdachlosen Herman (Michael J. Pollard, „Die wilden Engel“) in der Kanalisation ist wieder starker Tobak. Der Running Gag um die am Showset immer wieder in Unfälle verwickelte Zensorin (Kate McGregor-Stewart, „Tattoo – Jede große Liebe hinterläßt ihre Spuren“) könnte ein Seitenhieb Donners in Richtung US-Sittenwacht sein. Zudem nutzt Donner seinen Film, um durch die im Hintergrund mehr oder weniger subtil gezeigte Forderung „Free South Africa“ das dortige rassistische Apartheid-Regime anzuprangern.
Mit dem Geist der zukünftigen Weihnacht dreht Donner noch einmal kräftig an der Horrorschraube, denn bei diesem handelt es sich um ein waschechtes Monster. Das Creature Design ist beachtlich, Grace‘ Sohn laut dessen Zukunftsvisionen in der Klapse, Claire versnobt und Frank mausetot. Deftig ist auch seine klaustrophobische Sargszene ausgefallen. Nein, „Die Geister, die ich rief…“ ist seiner komödiantischen Ausrichtung zum Trotz in Sachen Härte nicht von schlechten Eltern; Donner scheint es einmal mehr Spaß zu machen, mit Horrorcharakteristika zu spielen. Tatsächlich kehrt der von Frank gefeuerte Loudermilk zurück und trachtet seinem ehemaligen Chef nach dem Leben.
„Ich war ein Schmock!“
Natürlich überlebt Frank den Angriff und im Finale übertreibt man es dann etwas sehr mit Franks Läuterung. Die grimassierende Zensorin, die ihre Libido entdeckt, hätte es ebenso wenig gebraucht wie die kitschigen Szenen mit dem kleinen Schwarzen. Und dann fangen auch noch alle zu singen an… Am Schluss durchbricht Frank die vierte Wand und verabschiedet sich von einem Filmpublikum, das eine bis auf das dick aufgetragene Finale richtig gute, schrille Variation der Weihnachtsgeschichte Dickens‘ gesehen hat. Tempo und Timing sind sehr angenehm und mit der Modernisierung gehen Medien- und Gesellschaftskritik einher, verkörpert von einem freidrehenden Bill Murray (dessen Filmbruder James übrigens sein echter Bruder ist – und James‘ Hund ist Buck von den Bundys). Die Verquickung von Parodistischem und Komödiantischem mit Horrorelementen funktioniert über weite Strecken hervorragend und erinnert nicht zuletzt dank Murrays Engagement hin und wieder an das „Ghostbusters“-Erfolgsrezept. Zudem ist der Film durch die Bank weg toll besetzt. Die Königsdisziplin allerdings wäre gewesen, auch im Finale jeglichen Kitsch konsequent zu umschiffen…
Retrospektivisch reiht sich „Die Geister, die ich rief…“ in den Kanon liebgewonnener, sympathischer Mainstream-Kinofilme der 1980er-Dekade ein, die die damalige Populärkulturell widerspiegeln und im Zuge der Rückbesinnung auf jenes Jahrzehnt wiederentdeckt werden.