"Kate und Leopold" ist ein Film, in dem man so richtig Tränen vergießen kann.
Leider nicht, weil er so wahnsinnig zu Herzen geht, ob seiner raum- und zeitübergreifenden Love-Story, sondern wegen der vielen verpaßten Chancen und ungenutzten Möglichkeiten, die in knapp zwei Stunden Unterhaltungsfilm passen können.
Wobei die reine Idee durchaus genügt, eine willige Zuschauermasse in die Kinos zu ziehen. Aber was dann daraus geworden ist, läßt schon mal das Wasser in die Augen schießen.
Da haben wir also den Lord Mountbatten aka Leopold, der anno 1876 bei der Eröffnung der New Yorker Brooklyn Bridge einen seltsamen Mann verfolgt, der mittels einer kleinen Kamera Fotos macht. Wunderbar breitet sich das New York des 19.Jahrhunderts vor unseren Augen aus, das Tempo stimmt und die Tatsache, daß der flüchtende Mann Liev Schreiber ist, der vermeintliche Mörder Cotton Weary aus "Scream", der in "Phantoms" eine der schlechtesten Chargier-Leistungen überhaupt ablieferte, soll das Vergnügen nicht trüben.
Leopold, der möglichst bald reich heiraten soll und von Erfindungen fasziniert ist, rennt dem Unbekannten nach, der sich ins Nichts fallen lassen will und wird prompt mitgerissen, wie wir erfahren werden, in ein Zeitloch.
Das sind rasende erste fünf Minuten, die qualitativ nicht wieder erreicht werden, denn von jetzt an kann man eigentlich nur noch Plot-Löcher zählen.
Da wird weder geklärt, wo die beiden rauskommen (nach Adam Riese und Eva Zwerg eigentlich heutzutage im Hafenbecken, wenn ich mich nicht irre, hihihi...), warum sie dann nicht naß sind, warum Leopold ohnmächtig ist und nicht Stuart, wie Stuart Leopold in seine Wohnung bekommen hat und so fort...
Wer jetzt erwartet, einen modernen Menschen voller Überraschungen ins 21.Jahrhundert treten zu sehen, wird herb enttäuscht. Die Sichtweise wechselt erst mal auf unsere Kate, die genau unter Stuart wohnt und der ihr Ex-Lover ist, wie passend. Kate ist bemüht erfolgreiche Vermarkterin für eine Werbeagentur. Und sie ist natürlich noch Meg Ryan, was bedeutet, sie muß kurios, tollpatschig, quietschig und sonnenscheinig sein. Ist sie auch alles und weil sie das in jedem zweiten Film ist, kommt mir die Berechnung da schon hoch.
Kate ist bezaubernd unorganisiert und während wir nun auf Leopolds Einführung hoffen, gröhlt sie nervig ihrem Organizer hinterher, der seltsamerweise bei Stuart ist. Der hat auch noch einen Riesenköter in der Wohnung und verfällt alsbald in nervöse Hektik. Fazit: Meg geht auf den Wecker, die Storyline bleibt liegen, Schreiber hampelt atemlos vor sich hin und der Hund sollte zum Abschuß freigegeben werden.
Am nächsten Morgen folgt dann auch wieder nichts von Bedeutung. Leopold wacht auf, seine latente Einführung in die temporären Realitäten geschieht seltsamerweise offscreen, dafür darf er sich darüber wie wild aufregen, aber schon kommt wieder Meg und stört und nervt und nölt und unterbricht und hört nicht zu. Schreiber wird wieder hektisch, drückt Leopold Unterlagen in die Hand und geht Gassi, wobei er plumps, in den Fahrstuhlschacht stürzt und gen Krankenhaus weitestgehend aus der Handlung verschwindet.
Was hätte man die Entdeckung des 21.Jahrhundert für einen intelligenten Adeligen jetzt und vorher interessant machen können, so geschieht nur nebenbei. Hugh Jackman, der mit aller möglichen Würde und Größe Leopold gibt, taumelt nun, von Meg und Hund gezogen durch die Zukunft und stellt sich, Script sei Dank, gar nicht so ungeschickt an. Der Kulturschock bleibt aus, der Junge ist uns sympathisch.
Und jetzt haben wir auch schon den ganzen Wert des Films vor uns ausgebreitet: es ist Jackman, der mit einer so sympathischen Strahlkraft jede Szene des Films an sich reißt und auf die Würdelosigkeiten der Umgebung und des Drehbuchs gar nicht eingeht. Er kann das alles schon bald alleine und das ist es, was mir endlich mal am Film gefällt.
Dafür rutscht der Film von nun an aber in Richtung Romantikkitsch-Mainstream mit geschlechterspezifischen Seitenhieben. Die Idee vom Zeitreisenden bleibt oft hinten an, da ihm die Story sowieso niemand glaubt, sondern alle ihn für einen Schauspieler halten.
Stattdessen (das wußten wir aber schon vorher) müssen sich Meg und Hugh nun ineinander verlieben. Warum die nun gerade zueinander passen sollen, bleibt fraglich, denn Meg darf ihn wie einen Laternenpfahl behandeln, kümmert sich hauptsächlich um berufliche Probleme und legt auch sonst weiter eine nervig abwesende Haltung an den Tag. Hin und wieder juchzt sie oder fällt unvermittelt hin, aber das muß sie laut Vertrag sowieso einmal pro Film.
Hineingemischt wird noch Megs Bruder (Breckin Meyer aus "Clueless" als grinsender Knuddelchaot ohne Stil) und fertig ist die Laube. Das gerät geradezu grotesk unwürdig banal, wenn Leopold nun Mädels in der Kneipe bezaubert, um sie für Brüderlein Charlie klarzumachen, der gleich noch eine Verhaltenslektion erhält. Ebenso räumt er mit Megs prahlerischem Chef auf, der sich für die Demütigung an Meg natürlich nicht rächt. Dann darf er quer durch den Central Park einem Handtaschendieb hinterherreiten und auf dem Dach ein Menu kreieren, um die Angebetete weichzukochen. Die fällt dann auch aus dem Stand um, nur um nach einer gemeinsamen Nacht (oder zwei) dann drehbuchgemäß mit der Brechstange ihn wieder wegzuschieben (wieder ein Standardpunkt abgehakt), als sie Auseinandersetzung wegen des Berufsethos haben.
Währenddessen kommt tatsächlich niemand auf die Idee, Stuart mal im Krankenhaus zu besuchen, der sich in bester Comedy-Manier mit seiner Gier nach einem Telefon bis in die Psychiatrie bringt. Klar entkommt er in dem Moment, als Leopold enttäuscht zurück will. Und so kommt es dann auch.
Wer jetzt aber noch Effekte oder Spannung erwartet, der kann schon mal einpacken, denn die beiden gehen Seite an Seite zum Zeitspringen am hellichten Tag und schon ist er weg. Bleiben noch 15 Minuten, in denen sich Meg zwischen Lord und Karriere entscheiden muß, was natürlich keine Frage ist. Es kommt aber auch hier zu keinem Wettlauf mit der Zeit, ihren Sprung sieht man nicht, die Effekte bleiben komplett aus. Happy End at 1876, na endlich!
Angereichert ist dieses mit der heißen Nadel gestrickte Kuddelmuddel mit absolut hirnrissigen Zeitreisemumpitz, der nie so recht passen will und deswegen wohl auch nicht gezeigt wird, obwohl das vielleicht in bester "Back to the Future"-Manier noch etwas hätte retten können. Die Originalität des Anachronismus erschöpft sich in einer hin und wieder eingeworfenen Auseinandersetzung mit der modernen Technik oder dem immer qualitätsärmeren Essen, was für ein, zwei Schmunzler sorgt. Die Idee, den Lord dann aber noch in eine Werbedebatte rund um einen ekligen Halbfettbrotaufstrich hineinzuziehen, ist geradezu profan, ein Verbrechen. Garniert wird das mit reichlich inhaltlichen Fehlern, nachdem Leopold Opern, Operetten und Jack the Ripper kennt, die alle 1876 noch nicht geschrieben, komponiert oder aktiv waren, was besonders nachlässig und ärgerlich ist.
Während Jackman jedoch noch so manche Szene rettet, ist Meg Ryan als Karrierefrau sichtlich fehlbesetzt, wobei ihr gesamter Handlungsstrang saumäßig geschrieben ist. Die Mischung aus Ryan-Antics und Karrierebewußtsein will sich nicht verbinden, die Figur geht dem Zuschauer schlichtweg auf den Sack.
So wird aus einer interessanten Filmidee eine Collage aus einzelnen Ideen, die um eine banale Liebesgeschichte gruppiert werden, die das Zeitreisethema gar nicht nötig gehabt hätten. Und wie ich glauben soll, daß eine vollkommen durch den Wind geschlagene Meg Ryan im vorsindflutlichen 1876 glücklich werden soll, kann mir auch keiner erklären.
"Kate und Leopold" läßt somit fast alle Chancen aus und verschenkt den meisten Charme mit einer unpassenden Figurenkonstellation. Jackman gelingt es aber, die Banalität auf ein bezauberndes Unterhaltungslevel zu heben, weswegen die Punkte auch ausschließlich an ihn gehen. (4/10)