Papi Tom war ganz stolz auf des Sohnemanns erste Hauptrolle. Und eigentlich geht das auch voll in Ordnung, denn die - wie soll ich sagen - “Alternative-Teen-Comedy”, die hier geboten wird, ist allemal ansehbar und streckenweise sogar recht spaßig, wenn auch von vorne bis hinten konstruiert.
Immer schön ist es aber, wenn man versucht, sich ein wenig vom Norm-Klumpen abzuheben und innovativ zu sein. Was das betrifft, hat “Nix wie raus aus Orange County” zumindest bei mir schon mal einen dicken Stein im Brett, denn so vieler Dinge bin ich überdrüssig: kiffende Hunde, Bier mit Sperma trinkende Unwissende, verkappte Sexluder, geile Austauschstudentinnen, konventionelle Eltern mit Offenheit für die Jugend, Fettnäpfchen-Orgien. Davon hält sich Jake Kasdans Film konsequent weg, und alleine dafür möchte ich ihn schon umarmen, bis er keine Luft mehr kriegt.
Überhaupt ist Individualität das Zauberwort. Schon beim Titel legte man Wert auf unverwechselbare Bildlichkeit. Setzen wir das deutsche “Nix wie raus aus...” mal beiseite, bleibt eine grandios visualisierbare Ortsbezeichnung stehen. Ich bin überzeugt, wenn man nach Orange County fährt und die Einheimischen nach dem Verhalten von Touristen fragt, antworten die: “Irgendwie sind alle überrascht, dass der Teer unserer Straßen so grau ist wie überall sonst”. Klar, dass man das auch gleich fürs Cover verwendete und Jack Black eine Orange in den Mund, Colin Hanks sogar zwei in die Augen stopfte. Das ist schön poppig und fordert den Zuschauer geradezu auf, ins Schlaraffenland für Orangen zu folgen.
Den hieraus geschürten Erwartungen muss man nun natürlich entsprechen. Zwar bleibt man inszenatorisch recht nah an der Realität (weder sind die Straßen orange gefärbt noch düsen Jack Black und Colin Hanks mit dem Wagen durch eine Orangenplantage; zumindest letzteres hätte ich beinahe erwartet), aber bei der Inszenierung des Todes von Colins Surferkumpel zu Beginn setzte man auf düstere Atmosphäre mit einer furiosen Kamerafahrt und viel Gigantismus. Insofern ein rasanter Start, der in seiner schnellen und tricktechnischen Inszenierung aber recht alleine dasteht. Was folgt, ist sehr bodenständig; und darüber ist man nicht etwa enttäuscht, sondern hocherfreut. Die Stimmung unterscheidet sich vollkommen von dem, was man sonst so aus dem Genre kennt.
Nicht zu verleugnen ist allerdings der ein oder andere stilistische Patzer. So stützt man sich gerne auf ironisierende Musikuntermalung bei Rückblenden, welche die Pointe des gerade Gesehenen unterstreichen soll. In Maßen mochte das stets entzücken und war gleichermaßen ein gerne gesehenes Stilelement in - wie kurios - Teeniefilmen und Gangsterfilmen (beim Gedanken, die beiden Genres miteinander zu vergleichen, dreht sich mir der Magen um... aber gut). Hier wird es aber leider etwas überreizt und tritt aus seiner Implizität heraus, was etwas unschön ist. Sehr deutlich wird das etwa bei der dreifachen Rückblende auf die unrühmlichen Erfahrungen der “alten Freundin” von Colin Hanks Freundin, zumal die Pointen als solche hier sehr schwach wirkten.
Weiterhin negativ fällt ein weiteres aus dem Teenie-Sektor entliehenes Stilelement negativ auf: die Kumulation peinlicher Momente zu einer einzigen beschämenden Situation. Gerade bezüglich des Besuches der Universitäts-Delegierten bei Hanks zu Hause (wobei das schon ein Witz für sich ist) ist die Abfolge jener Momente ein Zeugnis der Beliebigkeit. Klar ist es witzig, wenn der ungepflegte Jack Black nur in Unterwäsche bekleidet in das hochseriöse Gespräch platzt und nach seiner Urinprobe fragt, aber es entbehrt auch jedweder Logik. Die kausale Konstruktion dieser Szenen hätte man sich bei dem Anspruch, sich vom Rest des Genres abzuheben, etwas ausgewogener gewünscht.
Sonst kann man aber selbst mit den zotigen Momenten zufrieden sein. Das liegt vor allem an den Darstellern, die fast durch die Bank Unikate darstellen. Ganz deutlich hervorzuheben ist Jack Black, dessen Interpretation des total verpeilten Kiffer-Bruders unseres vernünftigen Hauptdarstellers dermaßen einzigartig ist, dass es schon einer besonderen Erwähnung bedarf. Zu beachten ist, dass er die gleiche Lücke füllt wie “Stifler” in “American Pie”, aber da kann Seann William Scott einpacken, wenngleich die beiden Figuren sich natürlich charakterlich vollkommen voneinander unterscheiden. Black ist immer dann sichtlich in seinem Element, wenn er eine auch nur entfernt an einen Headbanger erinnernde Figur spielt. Diesmal ist sie beeinflusst durch Drogen sicherlich sehr weit weg von den Abläufen auf Mutter Erde, aber genau dieses Hin- und Herspringen zwischen Dreamworld und Real World gelingt ihm besonders gut, indem er scheinbar triefend und sabbert im Delirium verweilt, um urplötzlich aufzuspringen und in Sachen Dynamik an allen anderen Beteiligten vorbeizuziehen. Ein geradezu perfektes Spiel mit der Passivität und Aktivität und deren blitzschnellem Umschalten, dass ihn in Sachen Timing und Situationskomik mit Comedians vom Schlage eines Kevin James gleichstellt.
Hauptdarsteller Colin Hanks hingegen sieht man noch ein wenig die grüne Nasenspitze an, steuert er sich doch noch etwas unsicher durch sein erstes eigenes Abenteuer. Aber irgendwie weiß das sogar, wenn es vielleicht auch ein ungewollter Effekt ist, zu gefallen, denn gegenüber seinen Kollegen Seth Green, Jason Biggs, Seann William Scott & Co. bringt er als tragende Figur eine verträumte und ernsthafte Art mit, eine Sache, die im klassischen Teeniefilm keinen Platz hätte. Damit wird die komplette Geschichte auch zu einem Stück Realität, während etwa “American Pie” eher als abgehobenes Paralleluniversum mit der Übertreibung als oberstem Stilmittel zu betrachten ist. Dieser Hauptdarsteller hat jedoch ernsthafte Anliegen, die sich tatsächlich mit seiner Zukunft befassen und nicht nur einen sowieso unbeeinflussbaren Prozess wie die Entdeckung der Sexualität zu durchleben. Manchem Zuschauer, wohl auch gerade jüngeren, mag das zu bieder sein und ausgerechnet der Hauptfigur seine Missgunst zuteil werden lassen. Aber hier sticht wirklich das Alternative hervor. Übrigens ist in manchen Einstellungen wahrhaftig der junge Tom Hanks in Mimik und Gestik seines Nachwuchses auszumachen. Die Art der Bewegung und gewisse Gesten erinnern deutlich an Hanks Frühphase um “Splash” und Konsorten, wenn Colin Hanks auch über etwas weniger Profil verfügt und zu befürchten ist, dass er dieses auch nicht zu erlernen vermag - was aber eine Sache ist, die man auf sich zukommen lassen muss. Nach “Nix wie raus aus Orange County” folgten immerhin bis heute schon drei weitere Projekte.
Ansonsten darf Catherine O’Hara mal ihre Mutter-Rolle aus “Kevin allein zu Haus” alternieren und sehr wankelmütig auftreten, was gerade in Anbetracht ihrer wohl populärsten Rolle ein Heidenspaß ist.
Worauf der Film letztendlich hinauswill, ist eine der ungeliebten moralischen Pointen, die gerne bevorzugt an Filme für jüngeres Publikum angehangen werden. Die Botschaft hier lautet mehr oder weniger “Remember your roots” - und bleibe am besten auch bei ebendiesen. Erfreulich dürfte es sein zu hören, dass die Moral recht unaufdringlich in einem Dialog zwischen Colin Hanks und Kevin Kline (der hier einen berühmten Romanautoren und das Vorbild der Hauptfigur spielt) zur Geltung kommt und mehr oder weniger, wenn auch unmissverständlich, zwischen den Zeilen gelesen werden muss - was in Bezug auf die hier thematisierte Literatur gleich mit doppelter Bedeutung versehen ist.
Zu sagen ist noch, dass immer wieder Stars in kleineren und sehr kuriosen Rollen auftreten, wobei mir der Sinn nur selten so recht klar wird. Neben Kevin Kline geben sich somit Chevy Chase und auch Ben Stiller die Ehre. Letzterer mit einem seltsam wirkenden Auftritt als Feuerwehrmann, bei dem er irgendwie keine seiner wunderbar manischen Interpretationen vortragen kann, wie sie etwa bei Sitcoms wie “Friends” oder “King of Queens” so treffend zum Ausdruck kamen. Hier ist er einfach nur Feuerwehrmann. Einfach nur so. Nun ja, warum nicht?
Fazit: Andersartig, andersartiger, “Orange County”: Der Film rund um Colin Hanks erste Hauptrolle bemüht sich sichtlich, eine Alternative zum Teenbrei der letzten Jahre zu bieten. Streckenweise gelingt das auch. Nicht zuletzt durch Colin Hanks selbst, der zwar schauspielerisch noch viel zu lernen hat, aber vielleicht auch eben gerade durch diese Unerfahrenheit von seinen Genrekollegen unabhängig zu bewerten ist. Mitunter schlagen die Mechanismen des Genres dann doch durch, so dass der Plot insgesamt viel zu hergerichtet und konstruiert ist, um bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Dafür entschädigt ein klasse aufgelegter Jack Black als hängengebliebener Vollspacken und als mahnendes Beispiel für sein Brüderchen, wie man es nicht macht. Ich hänge irgendwo zwischen der 6 und der 7; Die Aufrundung gibt’s für die Mühe, anders zu sein.