Es war an der Zeit.
Eine vollständige Trilogie rund um die "X-Men" hatten Bryan Singer und Co. um die Welt geschickt und die Superheldenfans größtenteils im Sturm erobert, doch im Wesentlichen hatten sich die Filme mehr oder minder um den krallenbewehrten Wolverine gedreht, dem Hugh Jackman sein typisches Gesicht gegeben hatte. Das war kein heimlicher Star mehr, die Filme standen und fielen meistens mit seiner Interpretation des widerwilligen Helden und kaum gezähmten Reißers, der die Drecksarbeit für die Masterminds macht und sich selbst sucht.
Also kein Wunder, wenn diese Figur auch als Erstes seinen eigenen Film bekommt.
In so einem Fall heißt es meistens "Prequel" und auch bei "Origins" wurde diese bedauernswerte Entscheidung getroffen, denn wenn der finale Status bereits bekannt ist, gilt es meistens nur eine Geschichte zu rekapitulieren, die man meistens in Auszügen kennt oder ahnt und die mit neuen Figuren zum größtenteils vorausberechnen kann.
Hier nun also die röhrende Story wie der geborene Mutant (noch mit Knochenklauen) zu seinem Stahlskelett kam, auch wenn man die Umstände bereits aus dem zweiten "X-Men" kennt. Ergo war klar: Skelett kommt dran, Colonel Stryker betrügt unseren Helden, entkommt jedoch, die Liebesgeschichte kann nicht halten und am Ende muß das Gedächtnis weg. Und so kommt es denn auch.
Das soll nicht heißen, daß so ein Film nicht trotzdem Spaß machen kann, aber es bedarf schon einiger handwerklicher Kniffe, um es wirklich attraktiv zu gestalten. So holte man den blockbusterunerfahrenen Gavin Hood und hoffte auf ein bißchen Charakterarbeit zu den Spezialeffekten. Tatsächlich ist der Afrikaner auch sichtlich bemüht, der Lebensgeschichte ein bißchen Wärme und Gefühl abzugewinnen, aber trotzdem bleibt "Origins" eine zwiespältige Angelegenheit.
Da wäre zunächst ein charakterliches Problem mit der Titelfigur. Wolverine kann immer glänzen, wenn er seinen eigenen und robusten Weg gegen die Pläneschmieder und Vordenker nahm, die Soldatenfigur mit dem Reiz der Action; derjenige, den man herbeisehnt, wenn das Publikum sagt "haben wir doch eh geahnt, jetzt wird aufgeräumt".
In diesem Fall aber muß der Widerborst den Film tragen und das steht ihm längst nicht so gut. Ohne Führung oder Plan gerät der Held mehr zum Spielball, der sich den Weg des Verstehens immer wieder freiprügeln muß. Er ist nicht ungewöhnlicher Teil der Lösung, sondern ist das Problem, das die verschlungenen Gedankenpfade seiner Gegner verstehen muß und über weite Strecken ständig überrascht wird. Wolverine muß den Schritt vom Antihelden zum typischen Helden einen Schritt weiter gehen als ihm gut tut und auch wenn Jackman die ruhig-menschlichen Momente hier sichtlich genießt, fehlt meistens das Tierische in seiner Figur, das ihn sonst so reizvoll machte.
Weil man das aber unbedingt braucht, mußten also Gegner her, die das auffangen konnten. Brüderlein Victor, ebenfalls krallenbewehrt und nahezu unbesiegbar, ist der kampfgeile und mordsüchtige Gegner, der sich aus der Geschichte heraus bildet, doch letztendlich ist Blut dicker als Wasser und die Hintergründe sind natürlich wesentlich nebulöser. Ein Duell unter Gleichen genügt also nicht.
Und weil man der dürren Backstory wohl selbst nicht über den Weg traute, nutzte man die Gelegenheit und brachte gleich noch einen Sack Helden bzw. Gegner aus dem X-Men-Universum unter, erst in der schnellen Eingreiftruppe Strykers, die man später unglücklicherweise gleich wieder aufrieb oder in den Gefangenen zum Schluß, in der sich schon einige bekannte Gesichter befinden, die dann auch noch von einem Gaststar aufgesammelt werden.
Die ganzen Figuren sind letztendlich das zusätzliche Fleisch auf den Knochen, nach dem die Comicfans lechzen, also bekommen wir Deadpool, Gambit, Bolt, Blob und Zero als Zusatzmaterial, das aber nur als Stichwortgeber funktioniert. "Gambit" etwa kommt irgendwann aus dem Nichts und hat reine Katalysatorfunktion, während man Deadpool (Ryan Reynolds sabbelt sich Beginn erfreulich witzig durch einen Dreiminutenauftritt) praktisch verheizt, der Rest ist leider Eyecandy zum baldigen Vergessen. Aber, so kann man spüren, dennoch hat das alles seinen Grund: die Auftritte sind reine Teststreifen für die Möglichkeit eines eigenen Films - so entkommt "Origins" dem Vorwurf des "Vehikels" natürlich nicht.
Was die Effekte angeht, so hat der Film jedoch trotzdem seine reizvollen Szenen, das Finale auf Three-Mile-Island ist visuell schon eine angenehme Sache geworden und auch sonst präsentiert der Film (und das ist gut so) seine Fähigkeiteneffekte mehr im lockeren Vorbeigehen am Wegesrand und gibt ihnen damit nicht zuviel Raum - da bemüht man sich dann, das alles von den Charakteren tragen zu lassen, die dann jedoch wieder ausscheiden oder aussteigen.
Natürlich kann Jackman einen Film tragen, ganz allein, aber im Falle Wolverines fehlt dann doch komplett das Über-Ich (entweder Xavier oder Magneto) zu seiner Es/Ich-Kombination, die ihn schon softer macht, als die Comics hergeben.
Womöglich wäre ein Sequel mit all den netten Gesichtern dann doch besser gewesen, bei dem man nicht an schon Bekanntem kleben muß und einen Helden neu entdecken kann, anstatt eine Versuchsanordnung nachzustellen, an deren Ende nichts Neues wartet.
Sicherlich, es ist der Versuch, die Sache mal anders anzugehen, aber der Film steht qualitativ auf einer Ebene mit "The Last Stand", nur nähert er sich der aus einer anderen Richtung. Für Komplettisten und Hardcore-Fans. (6/10)