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Nur selten konnte man Dieter Hallervorden in völlig ernst angelegten Rollen erleben, neben einem kleinen Auftritt in „Das Millionenspiel“ wohl am prägnantesten in diesem Kleinod von 1974, kurz bevor er „Nonstop Nonsens“ antrat und nachfolgend nicht mehr aus der Klamauk-Ecke herauskam.
Hut ab, denn der Berliner Kabarettist schafft es, trotzt leicht irrer Anwandlungen, einen psychisch wirksamen Schrecken zu verbreiten.

Dabei beginnt alles ganz harmlos und alltäglich, als der Anhalter (Hallervorden) vom wohlhabenden Geschäftmann (Arno Assmann) im teuren Cabrio mitgenommen wird.
Doch aus harmlosen Alltagsgesprächen und kleinen Unmanierlichkeiten seitens des Gastes beginnt alsbald ein Psychoterror, spätestens als der Fahrer unter vorgehaltener Waffe erfährt, dass der Anhalter ganz offenbar einer Anstalt entsprungen ist…

Zunächst wähnt man sich tatsächlich noch in einem typischen Didi-Sketch, denn das bezeichnende Merkmal, sein Gegenüber zur Weißglut zu treiben, indem man durch naive und zugleich provokante Art das Wort im Munde umdreht: „Ich arbeite in Ausschüssen, bin bei diversen Firmen Vorstandsmitglied“ – „Ja, aber was ARBEITEN sie denn?“ kommt anfangs recht stark durch und auch das bezeichnende ´schnifti schneuf schniddldideuf` Gesinge ist bereits vorhanden. Ja, selbst die überaus hässliche Puppe mit dem breiten Mund, die Hallervorden urplötzlich aus seinem Koffer zaubert, ist definitiv für einen Lacher gut.
Doch aus dem Kreuzverhör über Arbeit, Manieren und Reichtum folgt rasch ein unfreiwilliger Rollentausch, der zu Beginn so souveräne Fahrer wird zu einem vor Angst zitternden Etwas, während der Anhalter nicht nur die Kleidung des Reichen anzieht, sondern auch dessen Worte verwendet, - mit bösen Folgen für den Geschäftsmann.

Und Hallervorden performt richtig gut, nur selten dringt schrilles, gezielt eingesetztes Gelächter aus seiner Kehle, eher ist er auf konzentrierte Einschüchterung bedacht. In einer heruntergekommenen Kneipe gibt er den Fahrer kurzerhand als seinen Patienten aus und zwingt ihn, einen unappetitlich aussehenden Schweinebauch zu essen, jagt ihn mit seinem eigenen Fahrzeug über Waldweg und Einöde und weiß zum rechten Zeitpunkt, einen ruhigen, aber bestimmenden Klang in seine Worte zu legen.
Die unberechenbare Bedrohung scheint gegen Ende fast allgegenwärtig, da könnte man mit dem anfangs so arroganten Geschäftsmann, dem letztendlich der dekadente Spiegel vorgehalten wird, fast Mitleid bekommen.

Neben den beiden hervorragenden Darstellern und dem guten Timing für überraschende Einschüchterungsmomente, ist ferner die saubere Kameraarbeit zu erwähnen, die teilweise interessante Blickwinkel vom Fahrzeug auf der Autobahn bringt, dann, bei einer Hatz über ein großes Feld hoch oben aus der Vogelperspektive filmt und letztlich auch Gesichter in Nahaufnahme zeigt, was im Gesamtbild doch deutlich zur Spannungssteigerung beiträgt.

Vielleicht kommt die Auflösung für heutige Verhältnisse ein wenig erahnbar und teilweise auch ein leicht naiv konstruiert rüber, doch der überaus grimmige Sarkasmus bietet über weite Teile ein Amüsement, welches man in dieser Form wohl kaum erwartet hätte.
Die knackige Laufzeit von 54 Minuten ist optimal für ein Zwei-Personen-Stück, in dem es nicht um körperliche Gewalt geht, sondern nur um das Ziel des Anhalters, welches er durchdacht und spitzfindig zur Vollendung führt.
Ein ungewöhnlicher, nichts desto trotz sehenswerter Hallervorden, der hiermit beweist, wie wandelbar auch auf Slapstick festgelegte Mimen agieren können.
Spannend, zynisch und beklemmend,
8 von 10

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