US-Komödien-Regisseur Todd Phillips („Hated – GG Allin & The Murder Junkies”, „Road Trip“) gelang 2009 mit „Hangover“ ein Kassenschlager, vermutlich aus zwei Gründen: Sein Film spricht den riesigen Bevölkerungsanteil an, der nach einem durchzechten Wochenende schon einmal klaffende Gedächtnislücken zu beklagen hatte und ist dabei immer eine Idee besser, lustiger, stilsicherer als das Gros der Genrekonkurrenz aus eigenem Lande, oder auf den Punkt gebracht: Phillips ist die richtige Mischung aus Asi-Humor und Massenkompatibilität gelungen.
Nach einem Junggesellenabschied in Las Vegas erwacht der feierwütige, bunt zusammengewürfelte Haufen Anfangdreißiger in seiner total verwüsteten Luxushotelsuite, in der zwar sich zwar ein Baby, ein Huhn und ein ausgewachsener Tiger einquartiert haben, aber der Bräutigam ebenso spurlos verschwunden ist wie die Erinnerung an die vergangene Nacht…
Also machen sich Lehrer Phil (Bradley Cooper), der auch unalkoholisiert stets unzurechnungsfähige Freak und Bruder der Braut Alan (Zach Galifianakis) sowie Zahnarzt, Nervenbündel und vermeintliche Vernunftsperson Stu (Ed Helms) – ausgerechnet ihm fehlt nach dem bösen Erwachen ein Schneidezahn – daran, die vergangene Nacht Stück für Stück zu rekonstruieren, um den zu Vermählenden Doug wieder aufzutreiben und eine Erklärung für das alles zu finden. Der Film arbeitet dafür nicht mit Rückblenden, sondern konfrontiert den zu keiner Sekunde mehr als das ungleiche Trio wissenden Zuschauer mit einer aberwitzigen, überraschungsreichen Handlung, die zu spoilern eigentlich fahrlässig wäre. Aus „Hangover“ wird ein wilder Trip, der mit reichlich Situationskomik immer wieder noch einen draufsetzt, wenn unsere Freunde dachten, schlimmer könnte es nicht mehr kommen. Die Schadenfreude kennt dabei zwar kaum Grenzen, dennoch neigt man schnell dazu, sich mit den Dreien zu solidarisieren, sie als Sympathieträger anzunehmen und ihnen alles Gute zu wünschen.
Dabei werden gängige Las-Vegas-Klischees ebenso bedient wie männlicher Übermut in geistig umnebeltem Zustand aufs Korn genommen und eben auch mal ein bisserl gekötzerlt und ein bisserl geschifft, zumindest auf den Überwachungsvideos von Mike Tysons Anwesen, der einen sehr schönen, längeren Gastauftritt hat und nur eine von vielen skurrilen Gestalten ist, denen die Kater- (oder Tiger-)geplagten begegnen, weil sie irgendetwas mit der vergangenen Nacht zu haben. Bei aller irren Konstruiertheit und allen Schlüpfrigkeiten wird ein gewisses Niveau aber nie unterschritten, was sich letztlich als weise Entscheidung erweist, da man den Fokus viel lieber auf die karikierenden Charakterzeichnungen des hoffnungslos unter der Pantoffel seiner herrschsüchtigen Lebensgefährtin stehenden Stus und des zum Publikumsliebling avancierenden, ebenso bärtigen wie verschrobene Alans richtet. Bei aller Albernheit erscheinen die Protagonisten ambivalent, zudem wird ihnen eine Entwicklung zugestanden, die als Parabel für reale Lebenssituationen funktionieren kann und ganz männerbündnerisch die maskuline Freundschaft beschworen, die entscheidend ist, um alles wieder mehr oder weniger ins Lot zu bringen – nicht ohne eben diese stereotyp angehauchten männlichen Verhaltensweisen für das weibliche Publikum gehörig durch den Kakao zu ziehen.
Ein weiteres Indiz für die bei genauerer Überlegung fast schon überraschend gut funktionierende Massentauglichkeit des Films, der beinahe alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen anspricht, da er allen etwas zu bieten hat, ist der zwischen belanglosem Pop und starken rockigen Nummern pendelnde Soundtrack, der zielgerichtet szenengerecht zum Einsatz kommt und in seinem Abwechslungsreichtum konsensfähig ist.
Gute Schauspieler, klasse Humor – bis in den Abspann, dem heimlichen Höhepunkt des Films, hinein –, eine rasante, wendungsreiche, sich immer weiter steigernde Geschichte, flott inszeniert, ein hörenswerter Soundtrack – was braucht es mehr für eine rundum gelungene, kurzweilige Komödie? Hier und da etwas mehr Mut vielleicht, wenn man sich beispielsweise dann doch nicht traut, alles dem Alkohol zuzuschreiben und eine unbewusst eingenommene, härtere Droge als Erklärung herhalten muss, die damit in höherem Maße als zumindest anfänglich bewusst konsumierte Spirituosen die moralische Schuldfähigkeit lindert, gleichzeitig den möglicherweise dem Alkohol ebenfalls nicht abgeneigten Zuschauer in Sicherheit wiegt – schließlich ist nicht die Volksdroge, sondern ein fieser Chemiecocktail Auslöser gewesen. Auch das obligatorische Happy End hätte noch etwas mehr Zunder vertragen können, aber, gut, den hält der Abspann bereit. Unterm Strich mit Sicherheit eine der sehenswertesten US-Komödien der letzten Jahre. Prost!