Die Junggesellen-Feiern am Vorabend einer Hochzeit, erfüllen prinzipiell eine bürgerlich konservative Funktion - besonders in ihrer exzessiven, us-amerikanischen Variante. Zum Einen täuscht die Feier unter männlichen Freunden ein Leben in ungezwungener Freiheit vor, dass für die Beteiligten schon vorher nicht mehr existierte, zum Anderen sorgt das verkaterte Erwachen am nächsten Morgen für reuige Gefühle gegenüber der Braut. "Hangover" bezieht seinen Witz daraus, dass der Film aus dieser Konstellation kein Geheimnis macht.
Die vier Männer, die sich auf den Weg nach Las Vegas machen, könnten uncooler kaum sein. Einzig Phil (Bradley Cooper), der vor der Fahrt noch seinen Schülern unter einem Vorwand Geld abnimmt, um es in Vegas zu verzocken, verfügt in Optik und Gestus über eine gewisse Lässigkeit. Dagegen wirkt der Bräutigam Doug (Justin Bartha) so wohlerzogen, dass man sich ihn höchstens bei Cola und Bingo vorstellen kann. Sein zukünftiger Schwiegervater, der sich noch gut an seinen eigenen Junggesellenabschied erinnern kann, überlässt ihm zwar sein Mercedes-Cabriolet, aber nicht ohne das Versprechen einzufordern, dass nur Doug den Wagen fahren darf. Passend gesellt sich noch Stu (Ed Helms) hinzu, seines Zeichens Zahnarzt und Pantoffelheld, der sich nicht traut, seiner Freundin zu erzählen, dass er nach Vegas fährt.
Das zu diesen drei Freunden noch Allan (Zach Galifianakis) hinzu stösst, überrascht dann auch nicht mehr, denn ein peinlicherer und seltsamerer Typ als der dickbäuchige Vollbartträger ist schwer vorstellbar. Ähnlich wie der Fakt, dass es sich bei ihm um den Bruder der sehr hübschen Braut handeln soll, aber das tut letztlich nichts zur Sache, ausser das darin der Grund verborgen ist, warum er überhaupt mitkommt. Angesichts dieser Zusammensetzung kann man sich nichts Langweiligeres vorstellen, als ausgerechnet diesen Typen dabei zuzusehen, wie sie ein einziges Mal versuchen, die Sau rauszulassen, damit sie am nächsten Tag wieder ihrem geordneten, faden Leben nachgehen.
Doch "Hangover" überrascht damit, dass er schnell die üblichen Pfade verlässt, indem er zumindest Allan, Stu und Phil die Gelegenheit gibt, sich charakterlich zu entwickeln, während Doug als Antipode die vorgegebene Bräutigam - Rolle bis zum Entschuldigungsschwur am Ende erfüllen muss. Konsequenterweise lässt ihn der Film nach dem Vorspann einfach verschwinden, um ihn erst ganz zum Schluss wieder hervor zu zaubern. Übrig bleiben die anderen drei Männer, die am Morgen in einem erbärmlichen Zustand in ihrer Hotel - Suite aufwachen und sich an nichts mehr erinnern können. Weder daran, wieso ein Tiger ihr Bad okkupiert hat, ein schreiendes Baby in ihrem Zimmer liegt und ausgerechnet der Zahnarzt Stu einen Schneidezahn verloren hat, noch warum Phil ein Armband trägt, dass auf einen nächtlichen Krankenhausaufenthalt hinweist.
Doch damit fangen die Überraschungen erst an, denn als sie feststellen, dass ihr Freund Doug fehlt, beginnen sie mühsam die Ereignisse der Nacht wieder aufzuarbeiten, um ihm auf die Spur zu kommen. Der Film gewinnt seinen Witz aus der Fallhöhe zwischen dem Bemühen der Freunde, die Sache möglichst schnell in den Griff zu bekommen, um gesittet und vollständig bei der Hochzeit zu erscheinen, und dem Irrsinn der nächtlichen Ereignisse, die "Hangover" scheibchenweise offenbart. Doch der Film macht sich nicht von der profanen Aufzählung besonders ausgefallener Ideen abhängig, die auch nie die Grenzen schlechten Geschmacks überschreiten, sondern setzt auf die nachvollziehbaren Veränderungen seiner Protagonisten.
Wie in jedem guten Feel-Good-Movie legen die ständig auftretenden Schwirigkeiten besonders bei Stu und Alan Fähigkeiten frei, die sie zunehmend zu Sympathieträgern werden lassen, ohne das ihr linkisch, komischer Charakter verloren geht. Während Allan sich nicht nur beim Zocken als erstaunlich tough herausstellt, wird "Zahnlücken"-Stu plötzlich selbstbewusst und unabhängig, was beweist, das amerikanische Komödien nicht immer auf die gleichen braven Ergebnisse hinauslaufen müssen. So gesehen war es ein geschickter Schachzug, für den konventionellen Part Doug am Anfang und Ende zu verwenden, damit die drei Freunde im langen Mittelteil des Films wirklich die Sau raus lassen konnten (8/10).