MY SASSY GIRL von Kwak Jae-yong
Südkorea 2001
Was für ein Film - eine romantische Komödie, die sogar den hartgesottensten Action- und Horrorfreaks spontane Begeisterungsrufe entlockt und Jubelorgien auslöst, deren Nachhall noch tagelang in den Ohren dröhnt. Kaum aufzuzählen sind die Superlative, mit denen in Auflösung begriffene Rezensenten das Werk des koreanischen Regisseurs Kwak Jae-yong bis zum heutigen Tag bedacht haben. Wenn man mehr als drei davon gelesen hat, wagt man kaum noch zu fragen, ob all das Lob gerechtfertigt ist. Ich hab's trotzdem getan und kann die Antwort vorwegnehmen: fast.
Eines Abends begegnet der etwas unbeholfene und nicht gerade ehrgeizige Student Kyun-woo auf einem U-Bahnsteig einer stark angetrunkenen jungen Frau. Nachdem er sie gerade noch davor bewahren kann, ziemlich unsanft mit einem einfahrenden Zug zu kollidieren, benutzen die beiden denselben Wagen zur Fahrt. Während dieser entwickelt der Mageninhalt der jungen Frau eine unkontrollierbare Eigendynamik - sie erbricht größere Mengen noch recht frischer Nudelsuppe auf das Toupet eines vor ihr sitzenden Mannes und verabschiedet sich dann in einen rauschbedingten Tiefschlaf, nicht ohne Kyun-woo vorher noch „Schätzchen" genannt zu haben. Die empörten Fahrgäste sind daher der Meinung, dass die beiden zusammengehören und nötigen Kyun-woo, sich um seine „Freundin" zu kümmern. Notgedrungen ergreift er die Handlungsunfähige, trägt sie auf dem Rücken zu einem Hotel und mietet dort ein Zimmer, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich ordentlich auszuschlafen. Auf eine eigene Wohnung kann er nicht zurückgreifen, da er noch bei seinen Eltern wohnt.
Als er gerade vom Duschen kommt, stürmen zwei Polizeibeamtinnen das Zimmer. Sie fehlinterpretieren seinen unbekleideten Zustand gründlich und strecken den vermeintlichen Triebtäter mit einem gezielten Schuss aus der Gaspistole nieder. Kyun-woo landet in einer Zelle der Polizeistation und darf dort eine Nacht in äußerst schlechter Gesellschaft zubringen.
Nachdem sich die Angelegenheit aufgeklärt hat, erhält Kyun-woo einen Anruf der jungen Frau, welche von ihm ein paar Einzelheiten über den Verlauf des vergangenen Abends erfahren möchte. Er trifft sich mit ihr und muss sie schließlich in einem Akt beginnender Routine ins gleiche Hotelzimmer wie am Vorabend schleppen, denn sie hat während eines gemeinsamen Restaurantbesuchs nicht nur andere Gäste unflätig beschimpft, sondern auch wieder folgenschwere Mengen an Alkohol zu sich genommen. Wenigstens wird er dieses Mal nicht von der übereifrigen Staatsmacht behelligt.
Teils zufällig, teil bewusst treffen sich die beiden nun immer häufiger, und es entwickelt sich eine Beziehung, in welcher vornehmlich Kyun-woos Gefühle bald weit über die Ebene der Freundschaft hinausgehen. Das wäre nun nichts wirklich Ungewöhnliches, wenn die junge Frau, deren Namen man übrigens nie zu erfahren bekommt, nicht eben jene exzentrischen Wesenszüge an den Tag legen würde, welche schon der Titel des Films andeutet. Sie ist im Umgang mit ihren Mitmenschen alles andere als feinfühlig, sucht permanent Streit mit wildfremden Personen und versteht es, bedingungslos ihren Willen durchzusetzen. Dabei belässt sie es nicht bei Worten, sondern schlägt notfalls auch ganz beherzt und ohne Vorwarnung zu. Für Kyun-woo beginnen turbulente Zeiten, denn der Weg zu ihrem Herzen ist nicht nur lang und kurvenreich, sondern nicht selten auch schmerzhaft ...
Zugegebenermaßen war ich anfangs etwas skeptisch, da mich beim Thema „freches Mädchen" immer ein enormes Unwohlsein beschleicht. Diesbezüglich bin ich durch einige vorrangig deutsche und französische Filme vorbelastet, in denen die Darstellung von unangepassten jungen Frauen geradezu an Körperverletzung grenzt, wobei die Palette der Unerträglichkeiten vom krampfhaft alternativen Sendungsbewusstsein bis zur schlichtweg nervtötenden Zickigkeit reicht. In Kwak Jae-yongs Film jedoch funktioniert der Umgang mit diesem Grundgedanken. Man hat nie das Gefühl, dass das Mädchen ein gnadenlos auf „anders" getrimmtes Kunstprodukt ist. Vielleicht liegt das daran, dass die Geschichte in ihren Grundzügen auf Tatsachen beruht und nicht ausschließlich aus der Feder eines übermotivierten Drehbuchschreibers stammt, der sich mit besonders verrückten Ideen etablieren wollte. My Sassy Girl orientiert sich an einer Reihe von Interneteinträgen, in denen ein junger Koreaner namens Kim Ho-sik die Erlebnisse mit seiner Freundin verarbeitet hat. Nun ist es generell zwar hochgradig abstoßend, dass heutzutage immer mehr Schwachköpfe glauben, auf diese Art ihr verkorkstes Liebesleben der Weltöffentlichkeit preisgeben zu müssen, im vorliegenden Fall aber führt der Bezug auf wahre und nicht ganz alltägliche Begebenheiten zu einer Reihe von erfrischend unverbrauchten Szenen, denen man nicht schon auf drei Kilometer Entfernung die Mühen und Intentionen ihrer Entstehung anmerkt. Zudem ist die Charakterisierung des Mädchens keinesfalls eindimensional, denn sie umfasst auch weniger außergewöhnliche Eigenheiten und manche Schwächen.
Auf dieser Grundlage entwickelt sich My Sassy Girl zu einer fast durchgehend kurzweiligen Komödie, die es immer wieder schafft, die ausgetretenen Pfade des Genres zu verlassen. Bis zum Ende bleibt sie ziemlich unberechenbar, da vor allem das Auftreten der Protagonistin für manche unerwartete Wende sorgt. Sehr angenehm ist, dass der Film lange Zeit einen großen Bogen um jeden Anflug von Kitschigkeit schlägt. Zwischen Kyun-woo und seiner Partnerin besteht immer eine gewisse Distanz. Ihr körperlicher Kontakt beschränkt sich auf die Fausthiebe der jungen Frau und über Gefühle wird nicht offen gesprochen. Das erzeugt eine anhaltende Spannung und bewahrt den Zuschauer vor zeitraubenden Filmküssen und peinlichen Dialogen. An zwei geeigneten Stellen erhöht Kwak Jae-yong den Unterhaltungswert seines Films zusätzlich, indem er die etwas seltsamen „Drehbücher", welche die junge Frau schreibt, auf sehr professionelle und aufwendige Weise visualisiert. So erlebt man das Mädchen in bester Terminator-Tradition als Zeitreisende aus der Zukunft und als schwertschwingende Kopfgeldjägerin in einem Historiendrama. Dem aufmerksamen Zuschauer wird übrigens nicht entgehen, dass das Thema Zeitreisen mehrere Male unauffällig berührt wird, wodurch die Handlung eine weitere, im Fantasybereich angesiedelte Ebene erhält. Lediglich im Mittelteil räumt der Regisseur einigen Szenen, welche nichts zum Voranschreiten der Geschichte beitragen, zu viel Zeit ein. Das führt dazu, dass der Film insgesamt ein wenig zu lang wirkt. Hier hätte man etwas straffen oder auf manches ganz verzichten können.
In der zweiten Hälfte zieht My Sassy Girl emotional deutlich an und lässt es sich als echt koreanisches Produkt nicht nehmen, einen stark melancholischen Einschlag zu bekommen. Diese behutsam vollzogene Wendung verleiht dem Werk einiges an Tiefe und es steuert zielstrebig darauf zu, wirklich unter die Haut zu gehen - bis es am Ende seinen vielversprechenden Weg verlässt und sich eilig in die Gefilde ermüdenden Durchschnitts begibt. Das ist jammerschade, denn bis dahin überwiegt das Gefühl, dass hier noch ein kleiner Paukenschlag kommt - immerhin geizt der Film nicht mit originellen Ideen, und man glaubt eigentlich darauf vertrauen zu können, dass er sich eine solche auch als schöne Schlusspointe aufgehoben hat. Aber die letzten Minuten werden zur Enttäuschung, denn was man in ihnen geboten bekommt, hebt sich qualitativ in nichts mehr von dem ab, was rund um den Globus schon tausendfach über alle erdenklichen Leinwände geflimmert ist.
Und noch etwas, ohne zu viel spoilern zu wollen: In der Stadt Seoul leben mindestens 10 Millionen Menschen. Dass es unter ihnen genau diese eine wichtige Bezugsperson geben soll, über welche unsere beiden Helden wieder zusammenfinden, ist ungefähr so glaubwürdig wie die Wahlversprechen unserer Parteien. Bei aller Liebe - aber das ist des Zufalls wirklich arg zu viel.
Die schauspielerischen Leistungen sind im Prinzip tadellos. Cha Tae-hyun ist als tollpatschiger Student eine gute Wahl und kann die Sympathien der Zuschauer schnell gewinnen. Mir persönlich grimassiert er in den komödiantischen Passagen hin und wieder etwas zu übertrieben dümmlich. In solchen Momenten erinnert er (jetzt kommt ein etwas weit hergeholter Vergleich) an Ron Weasley aus Harry Potter, der über weite Strecken seiner Screentime keine andere Funktion hat, als mit offenem Mund über Dinge zu staunen, die andere tun.
Jeon Ji-hyeon in der titelgebenden Rolle trägt die darstellerische Hauptverantwortung für das Gelingen des Films und hat keine Mühe, ihr gerecht zu werden. Dabei zeigt sie viel mehr als nur die Streit suchende, saufende, herumnölende und prügelnde Namenlose. Immer wieder kann sie den Zuschauer spüren lassen, dass das ungewöhnliche Verhalten der jungen Frau keine naturgegebene Angewohnheit ist, sondern das Resultat einer tiefen seelischen Verletzung zu sein scheint. Allein damit hat sie einen entscheidenden Anteil daran, dass der Charakter ihrer Rolle niemals oberflächlich wirkt.
Abschließend komme ich an ein paar Bemerkungen zur deutschen DVD-Veröffentlichung von Laser Paradise nicht vorbei. Allein der Name dieses Labels dürfte qualitätsbewussten Konsumenten bereits einen größeren Schauer über den Rücken jagen als alle Horrorfilme der jüngeren Geschichte - und das nicht ohne Grund, wie sich bei My Sassy Girl wieder einmal überdeutlich zeigt. Wie viel Mühe man sich im besagten Haus mit seinen Produkten gibt, kann man bereits am Covertext erkennen, in dem es von Fehlern nur so wimmelt. Das lässt darauf schließen, dass es den Verantwortlichen absolut egal ist, was sie der Öffentlichkeit vorsetzen oder sich niemand gefunden hat, der dem Kampf mit den fraglichen neun kurzen Sätzen gewachsen war. Beides ist gleichermaßen beschämend. Nur am Rande sei erwähnt, dass auch die Inhaltsangaben des Textes nicht korrekt sind.
Überraschenderweise enthält die DVD den koreanischen Originalton, dessen Sinn aber durch die fehlenden Untertitel nachhaltig infrage gestellt wird. Vielleicht vertrauen die Produzenten der Veröffentlichung darauf, dass der durchschnittliche Bundesbürger fließend Koreanisch spricht. Das wäre allerdings sehr gewagt, wo sie doch selbst schon mit dem Deutschen große Sorgen haben.
Die vorliegende Synchronisation bewegt sich im Bereich des unteren Mittelmaßes. Neben inhaltlichen Aspekten (aus dem legendären „Willst du sterben?" wird „Geisteskrank?") fällt wie so oft bei asiatischen Filmen die Stimme der Protagonistin unangenehm auf. Es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Häufigkeit man vorzugsweise koreanische Schauspielerinnen mit Krähen zu verwechseln scheint und ihnen besonders ätzende Synchronstimmen unterjubelt. (Die Krönung ist die Seiltänzerin Soo-ni in Save The Green Planet, die so dämlich klingt, dass man ständig an Pittiplatsch denken muss.)
All diese Probleme geraten jedoch angesichts der vorliegenden Bildqualität zur Nebensächlichkeit. Zunächst wird der Sehgenuss durch ständige Ruckler getrübt, und dann löst sich das Bild auch noch mehrmals in eine Handvoll deutlich zählbarer Quadrate von historischen Ausmaßen auf. Hierbei lediglich von Blockbildung zu sprechen, würde diesen Sachverhalt eindeutig verniedlichen. Ich müsste längere Zeit nachdenken, bis mir eine vergleichbar schlecht produzierte DVD einfällt. Und ich habe viele gesehen. Da ich nicht nur begeisterter Anhänger des ostasiatischen Kinos, sondern auch bekennender Trashfan bin (was sich bekanntlich keinesfalls ausschließt, wenn man nur an einige der abstrusen Abenteuer denkt, die Sportfreund Godzilla in seiner langen Karriere erleben durfte), haben sogar äußerst obskure Machwerke den Weg in meinen Player gefunden. Aber selbst bei den Veröffentlichungen der jämmerlichsten Amateurproduktionen, die irgendwelche Deppen volltrunken mit ihrer Handy-Kamera in der nächstbesten Gartenlaube gedreht haben, ist mir so etwas nur in den seltensten Fällen begegnet. Eine Schande. Deshalb möchte ich an dieser Stelle dringend raten: Wer irgendwie auch nur halbwegs mit englischen Untertiteln klarkommt und nicht gezwungen ist, jeden Euro zweimal umzudrehen, sollte sich auf jeden Fall eine andere Veröffentlichung (allerdings immer als Director's Cut) zulegen. Die OFDb listet eine ganze Reihe vorwiegend asiatischer Fassungen auf, was eine gute Orientierung ermöglicht.
Unangenehmerweise ist man auch in Hollywood auf My Sassy Girl aufmerksam geworden und hat sich wie immer in solchen Fällen ohne jede Hemmung darangemacht, die Filmliebhaber in aller Welt mit einem gleichnamigen Remake zu beleidigen. Dass dieses erwartungsgemäß genauso schlecht wie überflüssig ist, wird durch verschiedene Rezensionen eindrücklich bestätigt. Weitere Worte hat es nicht verdient - im Prinzip muss man sich nur die Hauptdarsteller Elisha Cuthbert und Jesse Bradford anschauen, um die schlimmsten Befürchtungen bestätigt zu sehen.
Fazit: My Sassy Girl sollte jeder Freund unverbrauchter Filmkost einmal gesehen haben, unabhängig davon, welche Beziehung er zu romantischen Komödien oder zum ostasiatischen Kino hat. Kwak Jae-yongs bekannteste und weltweit gefeierte Regiearbeit ist sicher nicht das Überwerk, welches das Genre bis ans Ende aller Tage definiert, aber allemal ein unterhaltsamer, witziger, origineller und mitunter sogar bewegender Streifen. Ein angenehmer Abend dürfte damit fraglos gesichert sein.
8 von 10 Punkten.