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Irgendwo im ersten Weltkrieg, im Dreck des Schützengrabens, im Granatenhagel, im anonymen Massensterben um ihn herum, sehnt sich der deutsche Infanterist Bruno Stachel - der Name ist Programm! - nicht nach Frieden, sondern nach einem sauberen, ritterlichen Zweikampf. Nach damals allgemeingültiger Vorstellung gab es diesen noch in der ganz jungen Waffengattung der Flieger. In den ersten Kriegstagen hatten die Generalstäbe der kriegsführenden Staaten noch keine rechte Vorstellung von den Einsatzmöglichkeiten von Flugzeugen. Luftbeobachtung schwebte ihnen vor. Dies sollte sich aber schnell ändern. Während der Bodenkrieg immer blutiger und erfolgloser wurde, entwickelte sich bereits ab 1915 der Luftkampf zu einem Kampf der Technik und Taktik, aber auch der einzelnen Persönlichkeiten. Rittern gleich stellten sich die Flieger ihren Gegnern. Ein Sieg brachte Lob und Anerkennung, eine Niederlage meist den Tod. Was den Engländern das Victoriakreuz und den Franzosen der Legion d' Honneur für höchsten militätrischen Erfolg war, war den Preußen der Pour Le Merite-Orden. In Anlehnung an seine Grundfarbe und an den berühmten Flieger Max Immelmann wurde er auch etwas hemdsärmelig als der "Blaue Max" bezeichnet. So wie sein in der englischsprachigen Welt wohl berühmtester Träger, Manfred von Richthofen, bekannt als der "Rote Baron", muss wohl auch dieser Orden - getragen an exponierter Stelle, unter dem Kehlkopf - einen gewissen Mythos, eine bestimmte Faszination ausüben, ausgeübt haben, der uns (deutschen) Nachgeborenen doch etwas befremdlich erscheinen mag.

Gleichviel, ein Brite oder Amerikaner, Jack D. Hunter, schrieb 1966 den Roman und wohl auch das Drehbuch zu "The Blue Max" und beschäftigte sich damit mit einem ausschließlich deutschen Schicksal, welches 50 (!) Jahre zurück lag und eigentlich vom zweiten Weltkrieg längst hätte überlagert (sprich verdrängt) sein müssen. Dies ist das eigentlich Eigentümliche an diesem Film: Wie der legendäre "Im Westen nichts Neues" ist auch der "Blaue Max" ein Film des Auslands über Deutschland im ersten Weltkrieg. Beiden Produktionen kann ich nur höchstes Lob zollen: Die jeweilige Handlung ist glaubwürdig und exzellent umgesetzt. Sie atmet ein Verstehen des jeweiligen Themas. Hier wurde nicht geistlos dem Zeitgeist gehuldigt, wie z. B. in dem unsäglichen "Der rote Baron"-Streifen von Nikolai Müllerschön oder Joseph Vilsmaiers erbärmlichen "Stalingrad", der mir 1993 die unglaubliche Erkenntnis auffrischen wollte, dass das Sterben in der Stadt an der Wolga und der Krieg ganz allgemein ganz fürchterlich seien. Nein, diese "Weisheiten" benötige ich nicht. Schon der alte Moltke wusste zu berichten, dass Krieg etwas ganz Fürcherliches sei und keineswegs etwas Erstrebenswertes.

Im "Blauen Max" wird dagegen stimmig die Geschichte des Emporkömmlings Bruno Stachel (George Peppard) geschildert, dem es an Herkunft, Duldsamkeit und Nonchalance mangelte, um sich in den neuen, sogenannten "besseren" Kreisen problemlos zu integrieren. Perfekt die aufreizende Lässigkeit, die sein Gegenspieler, Willi von Klugermann (Jeremy Kemp), bietet. Nie werde ich diese blasierte Fresse vergessen! Sozialer Aufstieg durch militärischen Erfolg, hier belegbar durch nachweisbar abgeschossene feindliche Flieger. Mit jedem Abschuss stieg die Anerkennung und Heldenverehrung in einem für heutige Verhältnisse nicht mehr vorstellbaren Rahmen. Sichtbares Zeichen dieses miltiärischen Erfolges war auf deutscher Seite der "Pour Le Merite". Er war das Synonym für den allseits akzeptierten Erfolg. Es spricht für die Story, dass Hunter für seinen Protagonisten noch eine zweite Trophäe parat hält. Auf dem Weg zum Kriegshelden kämpft Bruno Stachel auch noch um die viel zu junge Frau (Ursula Andress) des Generalobersten (James Mason), der zufälligerweise auch noch der Onkel seines Kontrahenten Willi von K. ist.

In diese gesellschaftspolitische, persönliche Gemengelage im Rahmen der Fronterlebnisse des Krieges tritt nun auch noch die hohe Politik, die Helden benötigt, um die kriegserschöpfte, müde deutsche Bevölkerung zu neuen Anstrengungen zu begeistern. Und in diesem Strudel der Ereignisse und Interessen erfüllt sich das Schicksal des Fliegers Bruno Stachel.

Ein großer Film, ein spannender Film (nicht nur, was die grandiosen Luftkämpfe anbelangt), ein epischer Film (149 Minuten), der sich Zeit lässt; mit Liebe zum Detail und zur Entwicklung der Handlungsstränge. Ein anspruchsvoller Film, der uns einen Blick in unsere Geschichte tun lässt; in eine Zeit, die auch 1966 bereits längst vorbei (und vergessen) war. In eine Zeit, die wir so nicht mehr gesehen haben, nicht mehr sehen.

Für den, der sich näher mit dem Thema beschäftigen möchte sei empfohlen: Richthofen: Der rote Kampfflieger, Berlin 1917. Spätere Ausgaben enthalten zudem Ergänzungen über Richthofens Ende und seine Beisetzung durch die Briten. Die Ausgaben sind für relativ kleines Geld im Antiquariat erhältlich.

Fazit: Optisch brilliant, spannend, unterhaltsam und lehrreich und damit 10 von 10 Punkten!

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