Einem Film ein Etikett aufzukleben, ist immer die leichteste Übung in Sachen Filmkritik. Es handelt sich dann um eine Komödie, ein Drama, einen Thriller - bei Schnittmengen wird die Angelegenheit dann schon um so heikler. Aber am schwierigsten für das Publikum wird es, wenn sich scheinbar alle einig sind und dann etwas ganz anderes serviert wird, dann heißt es hassen oder lieben.
"(500) Days of Summer" ist so ein Film, der die Gemüter mal wieder teilen wird. Der Großteil der Kritik jubelt der ungewöhnlichen Machart zu, der Rest verdammt den Film zum gewollten Konstrukt eines kommenden Filmemachers. Das macht das Publikum neugierig, aber alle schreiben munter "Romantikkomödie" drüber und stellen sich damit mit beiden Füßen in die Latrine.
Es ist keine Komödie, obwohl sie witzig ist. Manchmal. Es ist kein Liebesfilm, auch wenn er von der Liebe handelt und wie man sie gewinnt, verliert oder sich in ihr irrt, bzw. an sie glaubt. Es ist kein Drama, obwohl der Ernst der Situation schon von fast jedem durchlebt worden ist.
Aber eins ist es wirklich: es ist ein Konzeptfilm.
Dahinter steht ein klares, begrenztes, fast beschränkt wirkendes Konzept und es zwingt die Zuschauerschaft in zwei Lager: diejenigen, die der Assoziationskette folgen können aus eigenem Erleben und diejenigen, die nicht. Die das dann für banal und nichtssagend halten. Hier wird nichts versprochen, auch nicht alles gehalten, aber immerhin die Linie gehalten: 500 Tage eines Verhältnisses zweier Menschen, der eine hält es für eine Beziehung und glaubt zu lieben, die andere will mit diesen einschränkenden Etiketten nichts zu tun haben und besteht darauf, es als Freundschaft zu definieren.
500 Tage einer Beziehung, die scheitert, wie es das Voice Over, das eigentlich keinen sonderlich logischen Zweck erfüllt, außer uns das Konzept zu verdeutlichen, schon zu Beginn ankündigt.
Was dann folgt ist eine non-lineare Bestandsaufnahme, ein geradezu bedrückendes Durchkonjugieren von Stadien einer Beziehung, die nicht für die Ewigkeit gemacht ist - ohne Schmalz, ohne Einlösungsanspruch, ohne extremes Bemühen, auf Klischees auf Klischees zu setzen oder zu verzichten.
Der Erfolg des Films hängt dabei voll und ganz vom Einführungsvermögen und dem Identifikationswillen des Publikums ab.
Allerdings fährt der Film mit kleinen Einschränkungen durch seine Beziehungslandschaft, denn wo ähnlich gelagerte Filme wie etwa "Harry und Sally" noch beide Seiten der Medaille betrachteten, bleibt der Fokus hier einzig und allein auf dem Mann hängen, der die Ereignisse, durchaus nicht unpointiert, nur aus seiner Sicht schildert.
Da uns eine Innensicht von Tom fehlt, muß Marc Webb (der ja laut Vortiteln offenbar eine Art alter ego von sich verfilmt) immer wieder auf kleine filmische Stilmittel zurückgreifen, um den Seelenzustand Toms zu schildern oder ihn in Interaktion mit den Nebendarstellern zu setzen.
Ersteres präsentiert sich dann (nach dem ersten Sex) als fast bollywoodeske Tanznummer auf der Straße oder in der Phase des Verlassen-worden-Seins dann als nachgestellte Collage von kommunikationskalten Bergmann-Filmen, letzteres spielt die Bandbreite von Archetypen aus. Sein Kumpel McKenzie ist dabei mit seiner Beziehungsunfähigkeit und seinem ewigen ungeschickten Röckenachjagen die eine Seite der Medaille, halb in Alkohol und Verzweiflung ertränkt, der schlaksige Paul die andere, der seit einer Ewigkeit mit seiner Freundin zusammen ist, wie er selbst zugibt, nicht seine Traumfrau, aber eben das "echte" Mädchen seines Lebens (auch wenn wir sie nie sehen). Und als ironisches Sahnehäubchen kommen die yoda-ähnlichen Lebensweisheiten ausgerechnet von Toms kleiner Schwester Rachel, die das Geschlechterspiel schon mit 14 mehr durchleuchtet hat, als jeder Mann dieses Films.
Wünschenswerter wäre natürlich auch noch gewesen, man hätte einen tieferen Blick in die rätselhafte Summer werfen können, doch ihr Verhalten bleibt ein individuelles Enigma, aber damit auch gleichzeitig realistisch, denn die Aufarbeitung des Films ist ein Blick in Toms Vergangenheit und er kann nur von seinen eigenen Erfahrungen berichten, ein eingeschränktes Sichtfeld allemal, aber eben so, wie es jeder von uns erleben könnte. Darum wird auch das Beziehungsende im Film gar nicht gezeigt, mehr die schmerzhaften Brüche - alles übrige scheint aus Angst oder Schmerz ausgeblendet zu werden - wie überhaupt der Film insofern sehr ehrlich ist, weil er dem Zuschauer keinen totalen Romantikkäse aufs Brot schmiert, sondern das Scheitern eines Mannes zeigt, der illusorisch an etwas glaubt, was gar nicht da ist. Tom ist verliebt, Summer ist es nicht. Das ist klar, aber er hört nicht zu, sie dagegen nimmt es, einmal ausgesprochen als gegeben hin.
Und selbst das Finale ist in seiner scheinbaren Sprunghaftigkeit trefflich, denn als Summer dann plötzlich, scheinbar spontan, heiratet, löst sie nur ihre eigenen Worte ein: Tom war nicht der Richtige, den Richtigen, den "Echten" hat sie getroffen. Und sein Happy End mit einem Mädchen namens "Autumn" (hoffentlich entgeht dieser Gag nicht den nicht-anglophilen Teilen des Publikums), ist ein zweifelhaftes, denn der Counter deutet an, daß hier einfach Geschichte von vorn anfängt - und sich ggf. sogar wiederholt.
Damit ist "500 Days of Summer" perfekt für einen Film, der den Zuschauer persönlich ansprechen MUSS, er muß zu irgendetwas eine Verbindung zu sich selbst knüpfen können, sonst wird es einseitig, ärgerlich, vielleicht sogar redundant, aber es ist schwer vorstellbar, daß man sich nicht in der Parallelmontage von "Vorstellung" und "Wirklichkeit" wiederfindet, als Tom nach der Trennung noch einmal bei Summer auf eine Party geht.
Keine Love Story, aber eine bittersüße Dramödie, an die man sich dranhängen kann und sich bestenfalls verstanden fühlt und dann natürlich vielleicht noch amüsiert - Ansprüche an den Zuschauer, wann kann das ein scheinbarer Liebesfilm denn heute noch leisten? (8/10)