Schriftsteller, Drehbuchautor und Filmregisseur Clive Barker genießt im Horror beziehungsweise Fantasie-Metier einen ausgezeichneten Leumund. Anfangs konzentrierte sich der Liebhaber von monströsen Kreaturen auf Horrorkurzgeschichten, welche 1984-1985 in der Books of Blood Reihe erfolgreich erschienen und mehrmals ausgezeichnet wurden. 1986 veröffentlichte Barker seinen ersten großen Roman Spiel des Verderbens (The Damnation Game). Im Zuge wachsender Beliebtheit dienten seine phantasiereichen Visionen schon bald als Vorlage für Grusel bzw. Fantasiefilme, wie zum Beispiel bei Underworld (1985) oder Rawhead Rex (1986). Erstmals Regie führte der Meister in Hellraiser - Das Tor zur Hölle (1987), zu welchem Barker selbsterklärend die Geschichte lieferte und trotz niedrigem Budget mit dem markanten Filmmonster Pinhead sowie seiner brutalen, verstörenden Albtraumszenerie einen unbestrittenen Genreklassiker des modernen Horrorkinos erschuf. Ein ähnlich nachhaltiger Ruf eilt seinem zweiten Filmprojekt Cabal - Die Brut der Nacht (1990) auf Grund der atmosphärischen Dichte und der beeindruckenden Monsterwelt Midian hinterher, obwohl der Streifen bei Veröffentlichung finanziell floppte und auch von den Kritikern größtenteils schlechte Resonanzen einstecken musste. Erst im Laufe der Jahre avancierte die Romanverfilmung unter Kennern vom Geheimtipp zu einem gefeierten Kultfilm mit gewaltiger Fanbase.
Fragt man Clive Barker nach den Auslösern des finanziellen Fiaskos (Budget 11 Millionen Dollar, USA Einspiel 8,8 Millionen Dollar), gibt es eine ganze Reihe von Vorfällen aus der Produktionsphase, welche sich auf den Erfolg negativ ausgewirkt haben könnten. Zum einen schnitt das Studio nach längeren Querelen bezüglich unterschiedlicher Filmenden und Nachdrehs seine ursprüngliche 2,5 Stundenfassung aus Straffungsgründen auf insgesamt 102 Kinominuten hinunter, was Redakteur Richard Marden zum Ausstieg nötigte und auch bei Barker auf alles andere als Gegenliebe stieß. Zum anderen war er mit dem Marketing mehr als unzufrieden, da Nightbreed, so der Originaltitel, als reiner Slasher vermarktet wurde und er seinen eigentlichen Fokus auf den gesellschaftlichen Aspekt der Mutanten nicht genügend gewürdigt sah. Hauptakteur der meiner Meinung nach fesselnden Story ist der junge, von Alpträumen bezüglich untoter Monsterwesen geplagte Aaron Boone (Craig Sheffer), welchem von seinem Arzt Dr. Decker (David Cronenberg) fälschlicherweise vorgegaukelt wird, er sei ein brutaler Serienmörder. Nach dem Boone sehr zum Unwesen seiner Freundin Lori (Anne Bobby) von der Polizei nach einer Finte Deckers erschossen wird, steht er dank eines mysteriösen Monsterbisses von den Toten auf und findet Zuflucht bei den missgebildeten Kreaturen aus seinen Träumen, welche auf einem verlassenen Friedhof namens Midian unterirdisch friedlich hausen. Doch die ersehnte Ruhe hält nicht lange, als Decker und Inspektor Joyce (Hugh Quarshie) Boones Spur zu den Nachtwesen aufnehmen, welche nun um ihre Existenz fürchten müssen, da der Mensch das wahre Monster ist und alles Andersartige auslöschen möchte...
Ehrlich gesagt fällt mir es schwer, passende Worte zu finden, die Barkers technische Realisierung in gebührendem Maße ausreichend huldigen, denn was er in Cabal - Die Brut der Nacht mit der Darstellung der fiktiven Unterwelt und deren bizarren Bewohner an Atmosphäre, Effektkino, Kreativität und Ideenreichtum auf die Leinwand zaubert, verdient den allerhöchsten Respekt. Die Make-up Abteilung unter der Leitung von Mark Coulier (Event Horizon, Der Feuerkelch) verpasst dem optischen Erscheinungsbild der entstellten Freaks mit aufwendiger Maskenarbeit und viel Liebe zum Detail ein markantes, furchteinflößendes Gesicht und bei der Visualisierung der Monsterbewegungen wurde auf eine optimale Kombination aus handgelenkten Marionetten und computergesteuerter Animatronik gesetzt. Die prachtvollen Bilder lassen das Publikum an Barkers faszinierender Vision teilhaben und der orchestral mystische Score von Danny Elfman verstärkt die einzigartige Stimmung dieses durch und durch spannenden Horrormärchens für Erwachsene. Auch die Liebhaber blutiger Splatterkost haben keinen Grund zum klagen und bekommen in Cabal - Die Brut der Nacht quantitativ pointiertes, hochwertiges Futter serviert. Der Härtegrad ist im gesunden Mittelfeld einzuordnen, da Clive Barker vertraglich zu einem R-Rated Streifen verpflichtet war und sich in Punkto graphischer Gewalt nicht so austoben konnte wie beispielsweise noch in Hellraiser - Das Tor zur Hölle. Das Actionhighlight des Films liefert der temporeiche Showdown in der ausgiebigen Mensch vs. Zombie Schlacht mit jeder Menge Schusswechseln, Zweikämpfen und spektakulären Explosionen, welche sich von ihrer Inszenierung her nicht vor einem professionellen Actionfilm verstecken müssen.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal von Cabal - Die Brut der Nacht ist die detailreiche Charakterisierung und die originelle Figurenzeichnung der Mutantenbevölkerung Midians. Barker setzt nicht wie in vielen anderen Horrorfilmen auf seelenlose Zombies, nein jedes seiner Wesen erhält Intelligenz sowie eine eigene Persönlichkeit mit Ängsten und Gefühlen, was zum Empathie empfinden des Publikums für die seltsamen Kreaturen beiträgt und Barkers versteckte Kernbotschaft, dass der Mensch die eigentliche Bestie ist, dezent unterstreicht. Die Schauspieler hinter den Masken der Freaks Oliver Parker (Peloquin), Nicholas Vince (Kinski), Dough Breadley (Dirk Lylesberg), Catherine Chevalier (Rachel) und Hugh Ross (Narcisse) agieren durch die Bank überzeugend und verleihen ihren Filmfiguren überaus gelungen ihre eigenständige Individualität. Eine hervorragende Leistung liefert entgegen einiger anderslautender Einschätzungen auch Hauptdarsteller Craig Sheffer ab, der die innere Zerrissenheit von Aaron Boone evident zur Geltung bringt und mit gestenreicher Mimik empfundene Gemütszustände wie Verzweiflung und Entschlossenheit gekonnt visualisiert. Etwas blass und akzentlos hingegen wirkt Anne Bobby als Boones Freundin Lori, bei ihr hätte ich mir bei der Interpretation Ihrer Rolle mehr Glaubwürdigkeit und Vehemenz in der Trauerdarstellung erwartet, sie bleibt ein wenig hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Vorwerfbare Kritikpunkte an Cabal - Die Brut der Nacht zu finden ist wie die berühmt berüchtigte Suche nach der Nadel im Heuhaufen beziehungsweise meckern auf hohem Niveau. Ein Makel, den es meiner Meinung nach anzusprechen zu gilt, ist die mangelnde Durchleuchtung der Hintergründe von Filmschurke Dr. Philip Decker. Auch wenn Barker durch die charismatische Besetzung des groß aufspielenden Regiekollegen David Cronenberg (A History Of Violence, Tödliche Versprechen) ein kleiner Geniestreich gelungen ist, fehlen mir persönlich die Beweggründe, warum der diabolisch verkörperte Decker wahllos Menschen tötet. Auch dessen Inszenierung von Boones Erschießung macht logisch betrachtet wenig Sinn, da ja dann der Sündenbock für seine weiteren Morde wegfallen würde. Bei einem anspruchslosen Slasher wie zum Beispiel Freitag der 13th ist fehlende Transparenz verschmerzbar. Bei einem Film wie Cabal - Die Brut der Nacht, welcher auf ernsthafte Unterhaltung mit einer durchdachten Hintergrundgeschichte setzten möchte, fallen Drehbuchmängel bezüglich Nachvollziehbarkeit und Figurenentwicklung mehr ins Gewicht.
Nichtsdestotrotz ist Clive Barker mit Cabal - Die Brut der Nacht ein atmosphärisches und hoch unterhaltsames Horrorepos gelungen, welches den Zuschauer trotz kleiner Unzulänglichkeiten in seinen Bann zu ziehen vermag und auch in der mir vorliegenden ungeschnittenen Kinofassung mit einem exorbitanten Wiederunterhaltungswert ausgezeichnet ist, obwohl Barker selbst mit dem Output vom Verleih nie richtig glücklich wurde. Mittlerweile gibt es in Amerika einen 145 minütigen Directors Cut in ausgezeichneter Bildqualität sowie einen noch längeren Cabal Cut mit eingefügtem VHS Zusatzmaterial zu erwerben, allerdings wurde bei den erweiterten Versionen laut www.schnittberichte.com auch auf vereinzelte mir liebgewonnene Inhalte vom Theatrical Cut verzichtet. Ich für meinen Teil bin mit der Auswertung für die Lichtspielhäuser mehr als zufrieden und werde von einer erweiterten Edition erstmal Abstand nehmen, bis diese nicht komplett in ausgezeichneter Bild und Ton Qualität offiziell auf Deutsch erhältlich ist. Für die Kinofassung spendiere ich wohlverdiente 9 von 10 MovieStar Wertungspunkte.