Review

Power to the title!


Um was geht es?

Eine wie immer attraktive Suzy Kendall und ein junger Wolfgang Kubicki treffen sich an Sinnes Rand zum schrägen Fickificki. Zu diesem kommt es dann freilich nicht, denn eine ziemlich merkwürdige Sonderbarkeit grätscht ihnen jäh dazwischen. 

Bereits vor dieser zentral erscheinenden Anbändelung wird uns ganz zu Beginn des Films eine lebensecht wirkende und erhängte Puppe gezeigt, die einem jungen Liebepaar die Stehnummer vergällt. Am nächsten Tag kommt ein weiteres Paar zum Strand (darunter der Kubicki-Verschnitt) und erblickt eine Tote, die wie die Puppe aus der letzten Szene aussieht. Doch die Tote ist plötzlich quicklebendig und später treffen Christian (also Kubicki, wegen der schnellen Frisur) und die Nicht-Tote Barbara (Suzy Kendall) auf einer Bootsparty aufeinander. 

Der Film verläuft für einen Giallo bis hierhin gewohnt skurril. Bis dann der Dialog zwischen Barbara und Christian zum merkwürdigsten Vorspiel aller Zeiten wird und man sich von den im Subgenre eh schon dünnen zwischenmenschlichen und narrativen Konventionen verabschiedet. Ab dann geht`s mit Vollgas nach Absurdistan und Lenzi scheint große Freude am Inszenieren dieses Zwei-Promille-Traums zu haben, denn technisch gehört „Spasmo" zu seinen besseren und sorgfältigeren Filmen. Set Pieces und ihre Ausstattung, Kameraarbeit, Schnitt und letztlich auch die Darstellerleistungen sind gelungen. Dein Film sieht gut aus, Umberto Fancy!

Jedoch stammen die Dialoge aus dem Drehbuchdelirium und auch die letztliche Auflösung ermöglicht nicht genug Subjektivierung des schrägen Geschehens, als dass dieses allein durch den Blickwinkel eines verstörten Geistes zu erklären sei. Besonders die Sequenz um das Haus auf den Klippen fällt durch verwirrendes Spiel auf und eine der vollkommen unerwartet auftauchenden Figuren namens Malcolm fasst es so zusammen: 

„Sehr eigenartig, nicht wahr?" 

Da kann ich nur staunend beipflichten. Malcolm ist in Wirklichkeit Peter Scholl-L'Amour und legt dann eine sehr dynamische „Ich bin tot!"-Szene hin. Zu diesem Zeitpunkt war ich plottechnisch schon ausgestiegen und plötzlich hagelte es Leichen, die aber auch immer wieder herumliefen. Heutzutage ist das ja Standard: lebende Tote. Hier allerdings entscheiden sich ziemlich viele Verschiedene um und behaupten rotzfrech, niemals tot gewesen zu sein. Eine Figur benötigt sogar drei Anläufe, bis man einen Haken hinter sie setzen kann. Ihre Kleidung sogar vier! In dem Haus auf den Klippen würde ich allerdings auch gerne einmal Zeit verbringen. Der Ausblick ist fantastisch.  

Apropos fantastisch:
Überraschender Weise bleibt der Film trotz seiner Ausrichtung gänzlich frei von übernatürlichen Schwingungen jeglicher Art, da uns keinerlei mögliche Mytologie angeboten wird, die einen Zugang zu Mystik oder Spukerei zuließe. Mysteriös? Ja. Fantastisch? Ganz klar Nein. 

Und so langsam beschlich mich das Gefühl, als gebe es gar kein Mastermind hinter alledem, das seine weitschweifenden Stränge in einem Akt narrativen Wahnsinns zu einem schlüssigen Ganzen zusammenfügt und uns staunend zurücklässt. Und parallel dazu wuchs die Vermutung, als habe einfach jemand (Lenzi) einzelne Motive zusammengewürfelt und sich jeder Logik erwehrt, um ungesühnt seinen Schabernack auf Zelluloid zu bannen. 

Aber da kommt Lenzi plötzlich mit Ivan Rassimov um die Ecke, der einen Bruder spielt, der wiederum seine Spiele spielt. Oder so. Irgendetwas stimmt mit dieser Familie wohl nicht, allerdings wurde mir nicht so recht klar, wo der Hase im Pfeffer liegt, geschweige denn, wo der Frosch die Locken hat oder wo Barthel den Most holt. Dabei gibt es zum Ende extra ein Homevideo, auf dem anscheinend alle Lösungen enthalten sind. Jedoch konnte ich sie bei erstmaliger Sichtung nicht für mich dekodieren. Tymakov und Rakova sind böhmische Dörfer. „Spasmo" ist böhmische Dörferer. 

Zumindest bekomme ich zum Schluss eine Lösung, die ich mit dem Mittelteil irgendwie nicht in Verbindung bringen konnte. Vielleicht ja beim nächsten Mal. 

Hier aber noch ein paar Power-Sätze, die bei mir einen Nachhall erzeugen konnten:

„Ich sorg` dafür, dass dir das Bumsen vergeht!" Allein, um mit diesem Satz eine Schlägerei zu eröffnen, würde es sich lohnen, eine Schlägerei anzuzetteln. Morgen an der Supermarktkasse! 

„Ich bin nur gekommen, um über mich zu sprechen." So begrüßt man seine Ex doch immer noch am besten! Sehr erfrischend. 

„Ich will nicht anderer Leute Rätsel lösen." Einer der besten Gags der Filmgeschichte. 

Und: Ab jetzt geh ich auch nur noch in Bars, wo ich mein Auto direkt vor der Tür parken kann. Das kommt schon ziemlich lässig. Vom Flipper direkt ans Steuer.  


Fazit 

Ich liebe den italienischen Giallo gerade für seine außergewöhnlichen Beiträge, die sich nicht immer an die Regeln schlüssigen Erzählens halten, dafür aber große Freude am Außergewöhnlichen haben. Sei es eine bestimmte Kamerabewegung, eine besonders gewagte Inszenierung, gerne auch von Mord und Nacktheit, oder ein schräger Plottwist, um einen oftmals mit dem Holzhammer servierten Aha-Effekt einzuflechten. Und „Spasmo" ist voll davon. 
Allerdings nerven mich auch Filme, die ihre Handlungen und Figuren vollkommen der Beliebigkeit anheim fallen lassen, wie es Argento selbst in seinen besser funktionierenden Filmen oft geschehen ließ. In "Spasmo" bekomme ich nach der Erstsichtung die Puzzleteile so wenig zusammen, dass ich gar nicht weiß, ob ich diesen Film überhaupt nachvollziehen kann. Daher zunächst einmal ohne Wertung. Spaß hat er aber wegen der beschrieben Qualitäten schon gemacht.

Um sich das auszudenken, muss man allerdings schon die zweite Hälfte der Flasche J&B trinken. Am besten, nachdem man bereits die Hälften 1, 3 und 4 gekippt hat.

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