Eddie hat noch sieben Tage bis zur Pensionierung, und die will er heil, mit etwas Whiskey und ohne große Polizeiarbeit durchstehen. Wieso zur Hölle bekommt er jetzt einen Rookie, den er anlernen muss? Und auch noch einen der gierig ist auf Hilfestellung und Freund und Helfer und so …
Clarence, genannt Tango, ist seit zwei Jahren undercover, und jetzt liegen die Nerven blank. Er will raus. Einen richtigen Schreibtisch, eine richtige Krawatte, einen richtigen Anzug, das will er. Das kann er haben – wenn er seinen besten Freund Cas, der ihm mal das Leben gerettet hat, an den bösartigen Agenten Smith ausliefert.
Sal hat drei Kinder, eine mit Zwillingen schwangere Frau, ein verschimmeltes Haus, und bedient sich bei Razzias aus dem herumliegenden Drogengeld, damit er seiner Familie ein besseres Zuhause bieten kann. Er könnte ein schönes Haus bekommen, aber die Frist bis zum Ende des Angebots ist kurz, und ausgerechnet jetzt findet er bei den Razzien kein Geld mehr.
Alle drei sind Cops in Brooklyn. Einer Gegend, die sowieso schon einem Kriegsgebiet ähnelt. Und weil letzte Nacht irgendein korrupter weißer Bulle einen schwarzen Studenten abgeknallt hat, ist die Stimmung im Viertel derzeit noch ungesünder für Uniformträger, gleich welcher Hautfarbe.
Eddie, das ist Richard Gere. Der weise, alte Mann des US-Kinos, immer dann wenn Morgan Freeman nicht zur Verfügung steht. Eddie erinnert mich oft an die Figuren aus den Romanen von Joseph Wambaugh: Die müden alten Cops, die durch die Straßen schlurfen und Recht und Unrecht auseinanderhalten müssen in einer Welt, in der in Begriffen wie richtiger oder falscher gedacht wird. Und auch wenn es oft etwas theatralisch wirkt, Richard Gere ist genau der richtige für den Job. Wie weiland Dirty Harry bekommt er gleich zwei neue Partner, und beide werden gleich am ersten Tag zerstört. Der eine psychisch und der andere physisch. Nur die Verzweiflung, die kann der Gere nicht so richtig rüberbringen, dafür ist seine Ausstrahlung ein wenig zu gentlemanlike.
Clarence, das ist Tango, das ist Don Cheadle, und auch hier haben wir wieder diese Theatralik, die den toughen Brooklyn-Dealer so merkwürdig hollywoodesk aussehen lässt. Die Sprache (der deutschen Synchro) gibt sich alle Mühe das auszugleichen, aber es bleibt dieser Touch von Kino, dieser Hauch von aufgesetzter Handlung. Trotzdem, Tangos Dilemma ist spürbar und es brennt. Weil Tango von Grund auf ein sympathischer Kerl ist brennt es auch dem Zuschauer ein Loch in die Seele, und die Abwärtsspirale Tangos lässt den Zuschauer taumeln, bis zum ausgesprochen bitteren und blutigen Ende. Ich musste oft an Tony Leung in INFERNAL AFFAIRS denken, und überhaupt scheint Fuqua in diesem Erzählstrang von Andrew Laus Cop-Klassiker inspiriert worden zu sein. Was ja nichts Schlechtes ist …!
Sal, das ist Ethan Hawke, und wie so oft ist Ethan Hawke derjenige, der einen guten zu einem starken Film macht. Zwar ist sein Handlungsstrang ein reines Drama, ohne allzu große Bezüge zur Polizeiwelt, diesem Drama aber gibt er klare und tiefe menschliche Züge. Seine Verzweiflung ist mit Händen greifbar, und je näher der Stichtag der Angebotsabgabe kommt, zusammen mit dem Geburtstag der Zwillinge, desto schmerzhafter wird Sals Existenz. Oder, wie er es im Beichtstuhl ausdrückt: “Ich will nicht dass Gott mir vergibt, ich will dass er meine Probleme löst.“ Seine Geschichte ist die schmerzhafteste, und damit auch diejenige, die dem Film qualitativ am Meisten gibt.
In Summe gibt das, und jetzt kommt die Überraschung, einen hochgradig spannenden Cop-Thriller, der seine inhaltlichen Schwächen durch eine überragende Inszenierung ausgleicht. Denn alle drei Geschichten werden parallel erzählt. Die Höhepunkte und Ruhephasen geschehen gleichzeitig, und die Wege der drei Cops überkreuzen sich erst ganz zum Schluss, wenn nichts mehr gesagt werden kann und alle Kugeln ihr Ziel gefunden haben. Gerade das Showdown ist spannend, blutig, intensiv und düster, wie überhaupt der ganze Film düster ist. Nicht düster wie SIEBEN, sondern düster wie ein nihilistisches Drama von Ingmar Bergman. Düster in den Beziehungen der Menschen untereinander, düster im sozialen Verhalten, düster in der Aussicht auf die Zukunft. Und immer wenn man denkt, dass einer der Protagonisten vielleicht mal Glück haben könnte, was man ihm dann auch absolut gönnen würde, kommt wieder irgendeine Scheiße um die Ecke …
Spannend, schwarz, sehr stark erzählt, auch wenn ein wenig mehr Street Credibility besser getan hätte (und damit meine ich nicht den inflationären Einsatz von megacoolen Gangsta-Rappern und nerviger Rap-Musik. Aber wer weiß, vielleicht sieht Brooklyn ja ganz genauso aus …). An TRAFFIC – MACHT DES KARTELLS musste ich sehr oft denken, und dass der mich auch nicht so richtig überzeugen konnte. Und an L.A. CRASH musste ich denken, vor allem in der Gestaltung der Erzählweise. Aber L.A. CRASH wirkt geerdeter, wirkt echter, als BROOKLYN’S FINEST. Trotzdem, eine klare Empfehlung für alle Freunde guter und trauriger Cop-Filme.