Review
von Cineast18
Seit einigen Jahren liegen schwedische Krimis ja voll im Trend. Spätestens seit Henning Mankell mit seinem Kommissar Wallander den Typus des seelisch angeschlagenen Polizisten, der düstere Mordfälle aufklären muss, etabliert hat, ist eine solche Konstellation quasi das Markenzeichen nordischer Kriminalromane und auch -filme. Die Bestseller-Trilogie "Millennium", mit der Stieg Larsson noch posthum weltberühmt wurde, geht nicht nur in dieser Beziehung erfrischend unausgetretene Wege. Auch hier war es nur eine Frage der Zeit, bis die erste Verfilmung folgen musste (und dass auch das Hollywood-Remake nur wenige Jahre auf sich warten ließ, spricht für die Qualität der Vorlagen).
Herausgekommen ist ein düsterer Thriller, der mit Rassismus, Vergewaltigung, Serienmördern und perversen Lüsten ziemlich heftige Themen anpackt und diese gekonnt miteinander verbindet. Die emotional mitreißende Schockwirkung der Story wird noch dadurch verstärkt, dass der Film relativ harmlos anfängt und die schrecklichen Geheimnisse seiner Figuren nur sehr zögerlich (und mitunter noch gar nicht) preisgibt. So entwickelt sich Stück für Stück aus einem scheinbar durchschnittlichen Kriminalfall eine erschreckende Reise in abstoßende menschliche Abgründe.
Diese inhaltliche Stringenz wird unterstützt durch die gelungene Inszenierung und die überzeugenden Darsteller. Die Kamera findet einen recht schnellen Rhythmus, der aber nicht zu gehetzt wirkt, sondern neben der Spannungsentwicklung den Figuren genug Raum zur individuellen Entfaltung lässt. Mit klug und rar eingesetzten Rückblenden, klassischen Stilmitteln wie Zeitlupe und Überblendungen und einem starken Soundtrack kommt der Film der Komplexität der literarischen Vorlage zumindest nahe. Mit fortlaufender Handlung werden auch die Bilder immer dunkler, sodass "Verblendung" mitunter wie eine Reise in die Nacht wirkt - anfangs dominieren helle, sonnendurchflutete Einstellungen, aber je tiefer der Reporter Mikael Blomkvist und die Hackerin Lisbeth Salander in die grausige Geschichte des Falles eintauchen, desto mehr überwiegen dunkle, nächtliche Bilder. Die beiden Hauptdarsteller Michael Nyqvist und Noomi Rapace erweisen sich dabei als Idealbesetzung: Beide verleihen ihren Charakteren genügend Vielschichtigkeit, um über die beinahe zweieinhalb Stunden Laufzeit hinweg zu fesseln. Insbesondere Rapace gibt die seelisch zerrissene Salander mit ungeheurer Intensität und Leidenschaft. Ihr nimmt man in jeder Sekunde des Films ihre Rolle ab.
Da sich "Verblendung" inhaltlich sehr eng an der Vorlage orientiert, dürften Kenner des Romans keine großen Überraschungen erleben. Das ist aber nicht schlimm, da die Verfilmung es schafft, der übernommenen Story dank der ausdrucksstarken Bilder, einer überzeugenden Darstellerriege und der gelungen aufgebauten und sich immer weiter in die Höhe schraubenden Spannung eine eigene mitreißende, sehr dichte Atmosphäre zu verleihen. Auch wenn nach dem spektakulären Finale noch ein wenig zu viel Zusatzhandlung einsetzt und das Happy End einen Hauch zu dick aufgetragen wirkt, fesselt "Verblendung" auf durchgehend hohem Spannungsniveau, mit kontrastreichen Figuren und abgründigen Überraschungen. Und wer Buch und Filme bisher nicht kennt, dem sei gesagt: Die hier offen bleibenden Andeutungen (beispielsweise über Salanders Vergangenheit) werden in den Fortsetzungen aufgelöst. Also: unbedingt weiter schauen!