Besser hätte es für Stieg Larsson gar nicht kommen können. Seine Millenium Trilogie schlug in den Bestsellerlisten ein wie eine Bombe und schuf ein neues Dreamteam im Bereich der Ermittler: Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander. Drei fertige Bücher bekommt der Leser vorgesetzt, ursprünglich sollte es sogar mal bis zu acht Stück geben. Doch wie das Leben so spielt, verstarb der Journalist und Rechtsextremismusexperte Stieg Larsson viel zu früh an einem Herzinfarkt. So gibt es nur drei Bücher, ein viertes befindet sich angeblich zu 75% fertig auf seinem Laptop; man ahnt, hinter den familiären Kulissen streitet man sich jetzt schon, denn es geht wie immer um das liebe Geld. „Verblendung“, ein Mal wieder typischer dummer und sinnloser Titel, ist die erste Verfilmung des natürlich auch ersten Buches. Von nun an verwende ich aber den schwedischen Titel, „Män som hatar kvinnor“, da dieser genau das beschriebt, um was es in dem Buch bzw. Film geht, nämlich um Männer, die Frauen hassen.
Zu Beginn des Films wurde der bekannte Journalist Mikael Blomkvist Opfer eines Betruges. Er hatte die Story seines Lebens, um den Großindustriellen Wenneström ins Gefängnis zu bringen. Es ging um Waffenschieberei, Geldwäsche etc. Doch kurz nach der Veröffentlichung seines Artikels sind alle Beweise verschwunden. Wenneström verklagt Blomkvist, dieser landet für drei Monate im Gefängnis. Eigentlich alles aus und vorbei. Wäre da nicht der ehemalige Großindustrielle Henrik Vanger, mittlerweile 82 Jahre alt. Seit 40 Jahren ist seine Nichte Harriet verschwunden. Die Polizei fand nie eine Spur. Keiner weiß, wie sie von der Insel des Vanger-Clans verschwunden ist, sieht man sie doch noch am Fenster auf einer Fotographie. Zur selben Zeit ist die einzige Brücke zur Insel gesperrt. Dennoch fehlt jede Spur, Harriet ist verschwunden. Würde das nicht reichen, so bekommt Henrik Vanger zu jedem Geburtstag eine gepresste Blume. 40 Jahre lang von einer unbekannten Person. Sind sie von Harriet? Vom Mörder? Auch darauf hat niemand eine Antwort. Vanger beauftragt Blomkvist mit dem Fall. Irgendwas muss übersehen worden sein. Löst Blomkvist den Fall, so erhält er trotzdem sein Geld. Schnell erfährt Mikael, dass der Vanger-Clan ein Haufen von machtgierigen und geldgeilen Subjekten ist, die in den 30er und 40er Jahren aktive Nationalsozialisten waren. Hinzu ist der Clan riesig, so dass jeder der Täter sein könnte, falls es denn einen gibt.
Richtig weiter kommt Blomkvist erst durch die Hackerin Lisbeth Salander. Wie jeder im Film besitzt auch diese ein düsteres Geheimnis, welches aber erst im Laufe der Trilogie gelöst werden wird. Lisbeth ist eine Meisterin darin, sich legal oder illegal Informationen zu beschaffen. Schon immer hat sie sich für den Wenneström-Fall interessiert, so dass es auch kein Wunder ist, dass sie selbst auf Blomkvists Laptop zugreifen kann. Erst mit ihrer Hilfe stößt Blomkvist in ein Wespennest der Familie Vanger und kommt dem Geheimnis des Verschwindens von Harriet immer Näher. Doch auch andere Leute sehen den Fortschritt und wollen ihn um jeden Preis beenden, den hinter der Sache steckt viel mehr als das bloße Verschwinden einer einzelnen Person...
Soweit die Story in Kürze. Natürlich kann der Film nur einen Teil des ersten Buches erzählen, dies tut er allerdings sehr geschickt. Ungeduldigen kann ich aber gleich sagen, es hat sich gelohnt. Wer nie den Elan hat, Bücher mit mehr als 600 Seiten zu lesen, dazu auch noch drei von der Sorte, der wird zumindest mit dem ersten Film sehr gut bedient. Man muss halt damit leben, dass gewisse Geschichten in den Hintergrund rücken, wie z.B. die Wenneström-Affäre, die im ersten Film nur einen Bruchteil ausmacht. Hier ist sicherlich sowohl für den Leser als auch für den Zuschauer die Story um Harriet Vanger interessanter, die natürlich den Gross des Films ausmacht. Zunächst gelingt es Regisseur Niels Arden Oplev, die düstere Stimmung des Films einzufangen. Allein die Optik der schwedischen Winterlandschaft lässt jede positive Grundstimmung im Nu verschwinden. Män som hatar kvinnor ist sowieso kein positiver Film, ganz im Gegenteil. Wie sagt der Film so schön, jeder Mensch hat ein Geheimnis, und die Geheimnisse in Stieg Larssons Welt sind alles andere als fröhlich. Sie zeigen die Abgründe der Gesellschaft, selbst der doch so perfekten schwedischen Gesellschaft, die sich verändert. Auch in Schweden gewinnt der Rechtsextremismus an Bedeutung. Nicht umsonst war Larsson ein Experte auf diesem Gebiet, und dies baut er in seinen Büchern auch ein, abseits der Wirtschaftskriminalität. Allein der Schwenk der Kamera über die großen drei des Vanger-Konzerns, allesamt ehemalige Nazis, lässt dem Zuschauer schon mal ein unwohles Gefühl zurück. Es gibt weiter solche Bilder und Szenen, die leicht zu beeindruckenden Zuschauern schon mal etwas zu viel sein könnten. Es sei nur der schmierige Anwalt Niels Bjürmann genannt, der Rechtspfleger von Lisbeth Salander, die für den Zuschauer aus bis dato unbekannten Gründen scheinbar ihr Leben nicht allein meistern kann und darf. Will sie Geld, muss sie Bjürmann „bezahlen“. Wäre das noch nicht genug, ist Bjürmann ein ekelhaftes Schwein, der seine perversen Neigungen auch noch mit Fäusten Nachdruck verleiht. Wenn Lisbeth in der nächsten Szene nicht mehr richtig sitzen kann, geht es dem Zuschauer sicherlich auch nicht gut.
Der Druck war sicherlich groß, Män som hatar kvinnor zu verfilmen, denn zig Millionen Menschen hatten das Buch bereits gelesen und jeder hat sein persönliches Bild von den Protagonisten im Kopf. Dabei macht Noomi Rapace als Lisbeth Salander eine sehr gute Figur. Dank einer radikalen Diät entspricht sich fast dem Bild der Lisbeth Salander aus dem Buch, auch wenn sie selbst noch zugibt, zu feminin zu wirken. Larsson beschreibt die Person der Lisbeth Salander schon fast als androgyn. Dennoch eine starke Leistung.
Etwas unscheinbarer wirkt dann schon Michael Nyqvist als Mikael Blomkvist. 100%ig will man ihm die Rolle des „Kalle Blomkvist“ nicht abnehmen, da Larsson ihn als einen 40 jährigen Womanizer beschriebt, der einige Affären hatte und hat. Das kann man Nyqvist nicht abnehmen, auch fällt dieser Aspekt im Film komplett unter dem Tisch. Mit Erika Berger hat Blomkvist eine Affäre, was im Film gar nicht angesprochen wird. Auch wirkt die Person der Berger nicht so wie im Buch, auch äußerlich. Auch diesen Aspekt wird der reine Zuschauer aber sicherlich verschmerzen können. Vielleicht kann man sagen, Nyqvist war stets bemüht. Das meine ich in diesen Fall positiv.
Persönlich erfreut hat mich die Besetzung von Peter „Kommissar Beck“ Haber in der Rolle des Martin Vanger. Ab jetzt folgt ein SPOILER, also diesen Part bitte überlesen, wer den Film noch nicht gesehen hat:
BEGINN SPOILER:
Wer die Bücher oder den Film gelesen hat, weiß natürlich, dass Peter Haber einen Mörder verkörpert. Gerade das macht die Person so interessant, denn sonst kennt man Haber nur als gutmütigen und sensiblen Kommissar, der hier mal seine dunkle Seite, vor allem im Keller, mehr als ausleben darf. Haber ist überzeugend, ein großartiger schwedischer Schauspieler, der auch in der Rolle des Martin Vanger überzeugt. Man stelle sich vor, man hätte Blomkvist mit Mikael Persbrandt besetzt, den Kollegen von Peter Haber aus Kommissar Beck. Persbrandt hätte die Rolle des Womanizer sicherlich besser ausgefüllt als Nyqvist und allein die Vorstellung eines Showdowns zwischen Haber und Persbrandt wäre aus meiner Sicht sensationell. Na gut, dazu ist es nicht gekommen.
SPOILER ENDE
So kann ich als Leser der Bücher guten Gewissens sagen, dass der erste Film der Millennium-Trilogie fast durchgehend ein voller Erfolg ist. Man muss halt damit leben, dass gewisse Szenen unter den Tisch fallen, wie soll man da sonst alles bewerkstelligen. Dieses Problem hat nicht nur Män som hatar kvinnor, sondern jede Trilogie. Ich habe mich die 147 Minuten sehr gut unterhalten gefühlt, nie kam bei mir Langeweile auf, obwohl mir der Ausgang des Filmes natürlich bekannt war. Ich bin mir ziemlich sicher, wem der erste Teil schon nicht gefällt, der wird mit den zweiten und dritten Teil auch nichts anfangen können. Die Bücher kann man fast teilen: Band 1 ist ein Krimi, ein Thriller, der einige Nebenhandlungen eröffnet, sich primär aber um den Vanger-Clan plus das Verschwinden von Harriet kümmert. Buch 2 und 3 beleuchten mehr die Hintergründe von Blomkvist und Salander. Man erfährt am Ende, warum Salander so ist, wie sie ist, welche Traumata sie begleiten. Einige Ansätze liefert ja schon der Film, Stichwort Feuer im Auto.
Fazit: Die Bücher sind unglaublich gut, der erste Film ist sehr gut. Wer bis dato nur den Film gesehen hat und begeistert war, muss eigentlich die Bücher lesen (auch sonst sollte man die Bücher von Stieg Larsson mal gelesen haben). Was die beiden anderen Filme leisten können, wird sich dann zeigen. Ich bin jedenfalls gespannt und freue mich drauf.