Review

Der „Giallo“ ist ein aus Italien stammendes Sub-Genre des traditionellen Kriminal-Thrillers, welches in den Sechzigern maßgeblich durch Regisseur Mario Bava („Sei donne per l´assassino“) geprägt wurde und in den Siebzigern schließlich seinen Höhepunkt erfuhr. Inhaltlich steht meist eine brutale Mordserie im Zentrum, im Zuge derer vorwiegend jüngere Frauen einem rätselhaften, häufig maskiert auftretenden Killer zum Opfer fallen – während eine relativ direkte Gewaltdarstellung sowie spannungsfördernde Kombination aus inspirierter Kameraführung und effektiver Musikuntermalung als kennzeichnend für die Inszenierung der betreffenden Werke gilt. Die Namensgebung geht übrigens auf eine Reihe von Groschenromanen zurück, die zu jener Zeit in einem markanten gelben Einband erschienen – im Italienischen steht das Wort Giallo nämlich für die Farbe Gelb. Einer der bekanntesten Gestalter dieser cineastischen Stilrichtung ist zweifellos Dario Argento, der im Jahre 1975 mit „Profondo Rosso“ einen der besten Vertreter jener Filmgattung realisierte. Sein aktuelles, 2009 veröffentlichtes sowie hier nun zur Betrachtung vorliegendes Werk trägt diesen ebenso prägnanten wie unweigerlich mit speziellen Erwartungen verbundenen Begriff jetzt sogar als Titel – eine Gegebenheit, die man fast schon als eine Art „Kampfansage“ eben jenes Mannes auffassen könnte, der seit einer gefühlten Ewigkeit keinen vernünftig zufrieden stellenden Spielfilm mehr abzuliefern vermochte…

In Turin treibt ein Serienmörder sein Unwesen, der attraktive Ausländerinnen verschleppt, im Folgenden dann jeweils über eine längere Dauer hinweg misshandelt, (gezielt) entstellt sowie ihre Körper schließlich an bestimmten Orten innerhalb der Stadt ablegt. Eines Abends gerät das Model Celine (Elsa Pataky) auf ihrem Heimweg von einer Catwalk-Show ebenfalls in die Fänge des Irren, der erst kurz zuvor eine Japanerin (Valentina Izumi) in seine Gewalt bracht hat und nun gleich beide Damen in seinem „Versteck“ gefangen hält – bloß war es ihm dabei (selbstverständlich) nicht möglich, mit der Beherztheit von Celine´s Schwester Linda (Emmanuelle Seigner) zu rechnen, die just an jenem Tage zu Besuch eingetroffen war: Basierend auf ihrem letzten Kontakt, einem plötzlich unterbrochenen Handygespräch, das aus einem Taxi heraus geführt wurde, kombiniert mit dem Wissen, dass Celine sie niemals derart versetzen würde, wartet Linda erst einmal die (ohnehin schon angebrochene) Nacht ab und meldet sie daraufhin (am nächsten Morgen) direkt in der Polizeizentrale als vermisst. Obgleich ihr Verschwinden für die Aufnahme einer offiziellen Untersuchung noch nicht lang genug her ist, verweist man sie dort dennoch an Inspektor Enzo Avolfi (Adrien Brody), der aufgrund seiner unorthodoxen Methoden und Fähigkeiten quasi eine (aus seinem Büro im Keller heraus operierende) „Ein-Mann-Task-Force“ bildet. Schnell erkennt dieser, dass Celine dem „Opfer-Profil“ des von ihm momentan gejagten Killers entspricht – und Linda´s „Taxi-Hinweis“ bietet ihm obendrein einen neuen Ansatz für seine Ermittlungen, bei denen sie ihn fortan begleitet, u.a. da sie keineswegs dazu bereit ist, einfach nur tatenlos abzuwarten und auf die Arbeit der Cops zu vertrauen. Werden sie es schaffen, den Psychopathen aufzuhalten und Celine noch rechtzeitig zu finden…?

„Giallo“ eröffnet erfreulich anständig: Nach einem düsteren Vorspann, bei dem der relativ stimmungsvolle Score Marco Werbas gleich von Anfang an prima zur Geltung kommt, setzt die Story an einem Ort ein, den Argento vor vielen Jahren bereits mal als prominentes Setting eines seiner Werke nutzte – nämlich in einem Opernhaus, in welchem sich zwei junge Asiatinnen an ihrem finalen Abend in der Stadt gerade mächtig langweilen, weshalb sie sich kurzerhand dazu entschließen, die Vorstellung zu verlassen und stattdessen in einem angesagten Club tanzen zu gehen. Im übertragenen Sinne könnte man darin durchaus die Veranschaulichung eines „Übergangs vom Alten ins Neue“ sehen, was angesichts des Potentials des Titels und Themas natürlich wünschenswert gewesen wäre – also ein klassisch anmutender Vertreter des betreffenden Sub-Genres, allerdings der heutigen Zeit angepasst. Leider ist der 1940 geborene Argento aber weder der passende Regisseur für ein solches Unterfangen, noch versucht der Film überhaupt etwas, das auch nur ansatzweise in diese Richtung abzielt bzw. tendiert. Nach zwei solide arrangierten sowie zügig aufeinander folgenden Entführungen (der japanischen Schülerin und der Celines) verfügt die Handlung wenig später bereits über „alle notwendigen Zutaten“ – sprich: Killer, Opfer und Ermittler. Mit dieser inhaltlichen Ausgangslage in Position, hätte der Streifen nun eigentlich „durchstarten“ müssen, hauptsächlich in den Bereichen der Plot-, Charakter- und (konstanten) Spannungsentwicklung: Unglücklicherweise bleibt dieser „Funke“ aber aus. Vielmehr erwecken die Geschehnisse von dem Punkt an einen immer unaufregenderen und trivialeren Eindruck, bevor sie irgendwann gar richtig öde, ärgerlich und erschreckend lachhaft werden – was das gesamte Projekt schließlich mit voller Wucht gegen die Wand fahren lässt...

Entgegen der traditionellen Struktur eines Giallos, innerhalb derer das „Whodunit?“-Element normalerweise einen bedeutenden Stellenwert einnimmt, wird die Identität des Mörders im vorliegenden Fall ungewöhnlich früh preisgegeben: Ein überaus gravierender Fehler – nicht bloß aufgrund der schädlichen Auswirkungen auf den umfassenden Suspense-Faktor, sondern vor allem wegen der daraus resultierenden vollständigen Zerstörung der bis dato durchaus vorhandenen „geheimnisvoll-bedrohlichen Aura“ jener Person. Noch schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass man den Killer (und mit ihm im Prinzip den ganzen Film) fortan in keiner Weise mehr ernst nehmen kann: Es ist nämlich so, dass seine Mutter im schwangeren Zustand (damals) Drogen zu sich nahm und unser Frauenquäler deshalb seit seiner Geburt an einer geistigen Zurückgebliebenheit sowie Nierenerkrankung leidet, durch welche seine Haut eine gelbliche Färbung besitzt – was entsprechend eine gewichtige Doppeldeutigkeit des Titels offenbart. An sich wäre das ja halb so wild, wenn nicht die komplette Figur (aus gleich mehreren Gründen) zudem wie eine „groteske Parodie“ wirken würde – und zwar der ebenso peinlichen wie unfreiwillig komischen Art. Als Kind verspottet, lebt er seinen aufgestauten Frust und Zorn nun an hübschen jungen Damen aus, deren Schönheit er zerstört – überdies schnüffelt er gern an den in Sprühsahne-Dosen enthaltenen Gasen, nuckelt an Schnullern, steht auf Porno-Comics, pinkelt schonmal ins Waschbecken und masturbiert regelmäßig vor seinem Laptop, während er sich Bilder seiner grausam zugerichteten Opfer anschaut. Angrenzend schlimmer als sein Verhalten ist jedoch sein Antlitz: Ein rotes Stirnband sowie eine große künstliche Nase und lockige Perücke tragend, wird er von „Byron Deidra“ gespielt (ein Anagramm für Adrien Brody), welcher hier quasi wie eine als Karikatur angelegte Kombination aus John Rambo, einem heruntergekommenen Achtzigerjahre-Rocker und einer matteren Version des „Yellow Bastards“ aus „Sin City“ ausschaut – kurzum: Schlichtweg lächerlich...

Dank seiner Doppelrolle ist „Oscar“-Preisträger Brody („the Pianist“) das höchst unrühmliche Kunststück gelungen, in nur einem Film gleich zwei der schwächsten Performances seiner Karriere abzuliefern: Während er als geistesarmer Mörder hoffnungslos „campy“ agiert, bleibt er in der Rolle des Inspektors dagegen erstaunlich blass. Relativ antriebslos anmutend verkörpert er den an klassische „Film Noir Detectives“ erinnernden, ständig rauchenden, am liebsten für sich allein arbeitenden sowie für die grausamsten Fälle zuständigen Avolfi, der ebenfalls unter einem in seiner Vergangenheit verwurzelten Trauma leidet: Im Kindesalter musste Enzo mit ansehen, wie seine Mutter brutal ermordet wurde – worauf man ihn für einige Jahre in die USA schickte, er nach seiner Rückkehr (als Teenager) allerdings blutige Rache an eben jenem Mann nahm (mit Knüppel und Messer, mitten in dessen Laden). In gewisser Weise teilen sich Avolfi und sein Widersacher (demnach) ähnliche Hintergründe, die ihr Verhalten jeweils markant geprägt haben – weshalb die (im Übrigen von Brody selbst stammende) Idee, beide Parts mit derselben Person zu besetzten, an sich keine so schlechte war. Genützt hat das aber leider nichts – zumal der „Gedanke“ wenig subtil kommuniziert wird, etwa indem Linda Enzo an einer Stelle (lautstark und mehrfach) „You´re just like him!“ hinterher ruft. Gar noch schwächer als ihr Screen-Partner agiert die Französin Emmanuelle Seigner („the Ninth Gate“), die nicht einmal mehr wirklich über ihr einstmals ansprechendes Aussehen verfügt und hier nun eine rundum unzureichende Vorstellung an den Tag legt. Zumindest präsentiert sich die spanische Schönheit Elsa Pataky („Romasanta“) als ein glaubwürdiges Opfer: Obwohl überaus schlicht gestrickt, nimmt man ihr die Rolle in vollem Umfang ab – etwas, das man von ihren Co-Stars ja nicht gerade behaupten kann. Darüber hinaus absolviert Robert Miano („Donnie Brasco“) seinen Kurzauftritt als Chef und „Förderer“ Avolfis ohne Anlass zur Klage – alle verbliebenen Akteure sind indes nicht weiter der Rede wert...

Das Drehbuch zu „Giallo“ stammt aus den Federn von Jim Agnew („Game of Death“) und Sean Keller („Gryphon“), die ihre Arbeit als Hommage an Argento´s Oeuvre verstanden und sich entsprechend erfreut zeigten, als sich jener tatsächlich für ein direktes Aufgreifen und Angehen des Projekts entschied. Gemeinsam mit Brody überarbeitete Dario das Skript im Folgenden jedoch noch etwas – bis am Ende (irgendwie) ein Ergebnis dabei herauskam, das statt eines Ehrerweises eher den unfreiwilligen Eindruck einer misslungenen Parodie erweckt. Rasch entpuppt sich die (zahlreiche furchtbare Dialogzeilen aufweisende) Story als enttäuschend ideenlos und banal: Enzo´s Untersuchungen sind (z.B.) nicht sonderlich ausgeklügelt für einen Beamten mit seinem Ruf – und dass ihn Linda „einfach so“ überall hin begleiten darf, nur weil ihre Schwester ihr Ein und Alles ist sowie er selbst schon lange keinen Partner mehr hatte, ist ebenso unglaubwürdig wie dass eine Frau in Cenine´s Situation ihren Peiniger andauernd derart übel beleidigen würde, da seine Rage dadurch ja nur noch zusätzlich verstärkt wird. Dazu gesellen sich diverse weitere Sequenzen und Gegebenheiten, die einen unweigerlich den Kopf schütteln lassen – wie dass Avolfi und Linda just dann in einer Klinik ihre Fragen stellen, als der Killer dort seine Medikamente abholen kommt, oder als ersterer davon berichtet, wie er im Jugendalter von einem Polizisten bei der Ausübung von Selbstjustiz an dem Mörder seiner Mutter „erwischt“ wurde, jener ihn dafür allerdings nie zur Verantwortung gezogen hat („I explained everything...he understood.“). Momente wie diese, von denen es noch zig andere gibt (á la „Rauchen in der Gerichtsmedizin“ oder „spontanes Einschalten der Presse“), kombiniert mit abgegriffenen Klischees, schwachen Charakterzeichnungen, vorhersehbaren Abläufen und einigen uninspiriert anmutenden Referenzen (etwa in Richtung der asiatischen Kultur), ergeben unterm Strich somit (im Prinzip) die Vorlage eines Streifens, den man besser nie verwirklicht hätte – zumindest nicht in dieser Form...

Als Regisseur hat Dario Argento, wie so häufig in den vergangenen Jahren, erneut auf nahezu ganzer Linie versagt: Die komplette Inszenierung wirkt ausdruckslos – frei einer individuellen Handschrift, ohne Atmosphäre und Stil. Von einem nett arrangierten Fluchtversucht Celines mal abgesehen, kommt keine echte Spannung auf, die gezeigte Gewalt hält sich in Grenzen und bietet zudem nichts, was man nicht bereits aus unzähligen vergleichbaren Genre-Produktionen kennt. Die meisten Opfer „Yellows“ erhält man obendrein gar nur per Beweisfotos zu sehen – ausgenommen einer grausamen Tötung im Rahmen eines Flashbacks, bei der allerdings ein „künstlicher Kopf“ eine viel zu auffällige Verwendung fand. Die Intention des Killers, einem Mädel die Oberlippe mit einer Schere abzuschneiden, ließ bei mir für einige Sekunden ein (im positiven Sinne) „unangenehmes Gefühl“ entstehen – wohingegen ich wesentlich öfters Empfindungen vermittelt bekam, die zwar recht ähnlich zu beschreiben sind, jedoch eindeutig einer negativen Kategorie angehören, wie im Angesicht der peinlichen Auftritte unseres gelben Irren. Als letzterer an einer Stelle etwa einen großen Behälter mit der riesigen Aufschrift „Bleach“ in Cenines Nähe auf einen Tisch stellt, wimmert diese ängstlich „What is that?!“ – und nicht allein das Schmunzeln des Zuschauers verrät, dass der Streifen ein richtig übles Problem hat (er aber ein toller Kandidat für „Mystery Science Theatre 3000“ wäre). Selbst das Platzieren eines „Juno“-Posters im (Bild-)Hintergrund einer Einstellung, quasi zwecks Erwiderns seiner Erwähnung in jenem Werk, ist Argento bloß dermaßen ungeschickt gelungen, dass es im Grunde nur noch traurig ist. Ferner erinnert der generelle Look (außerhalb der Rückblenden) vorrangig an „beliebige TV-Movies“, lässt die Kameraarbeit Frederic Fasanos („Scarlet Diva“) beinahe jegliches Flair vermissen – und über das gebotene Finale belasse ich lieber gleich den (möglichst dichten) Mantel des Schweigens...

Von Anfang an stand das Projekt unter keinem guten Stern – und selbst lange nach Drehschluss hörten weder die Probleme auf noch verstummten damit in Verbindung stehende „unvorteilhafte“ Pressemeldungen. Ursprünglich sollte Vincent Gallo den Killer mimen – nur trat der (noch im Vorfeld) von eben dieser Verpflichtung zurück, als Dario irgendwann Töchterchen Asia (mit der er mal verlobt war) für die weibliche Hauptrolle auserwählte. Ihre Beteiligung kam später aber ebenfalls nicht zustande – worauf Seigner gecastet wurde. Für den Part Avolfis war eingangs noch Ray Liotta vorgesehen – doch durfte der für eine Weile nicht aus den USA ausreisen, weshalb Brody (als Lead und Produzent) mit an Bord kam. Elsa Pataky war zu der Zeit übrigens seine Lebensgefährtin. Nach der Skript-Überarbeitung ging das Werk schließlich vor die Kameras – allerdings gab es schon früh Gerede über „monetäre Unstimmigkeiten“ seitens der italienischen Finanziers. Im Nachhinein setzte Brody überdies (nach einigen Treffen mit den Beteiligten) durch, Argento´s Stamm-Komponisten Claudio Simonetti die Verantwortung über den Score zu entziehen. Nach der Veröffentlichung des Films distanzierte sich Dario dann prompt von dem Ergebnis – während Adrien sogar einige Verantwortliche verklagte, die ihm (bis dato) bestimmte Gelder nicht gezahlt hatten sowie ihn angeblich mit Falschaussagen davon abgehalten hätten, bereits in der ersten Drehwoche das Projekt zu verlassen. Ach, wäre er nur gegangen – er hätte sich eine Menge Ärger erspart und seinen Ruf zudem frei von dem unschönen Eindruck dieses „Totalflops“ gehalten...

Fazit: „Giallo“ ist ein wahres Trauerspiel, ganz in der „Tradition“ der letzten abendfüllenden Regie-Arbeiten Dario Argentos: Zwar nicht so umfassend furchtbar wie „the Card Player“, nichtsdestotrotz aber ziemlich nahe dran, enttäuscht der Streifen auf breiter Flur und wird dabei keiner einzigen hoffnungsvollen Erwartung gerecht – schon gar nicht einer, die eventuell aufgrund seines traditionsreichen Titels geweckt wurde. Stattdessen erhält man eine einfallslose Geschichte auf uninspirierte Weise dargeboten: Ohne Spannung, Atmosphäre, Tempo, Reiz und Stil sowie frei eines vernünftigen Unterhaltungswerts – dafür allerdings eine Menge Geduldsproben, unfreiwillige Komik, diverse schlechte Performances sowie obendrein auch noch einen der lächerlichsten Killer der Filmgeschichte aufweisend...

„2 von 10"

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