Review

Geil Geil Geil - Schwarz Rot Gold (V-Mann Joe)

Punkrock. Punk. Revolte oder doch bloss ein naives Utopia der Radikale? Ein Sumpf, oder subkulturelle Selbstverwirklichlung der eigenen Individualität? Bahnbrechende Revolution oder doch bloss das Festfahren in bestehende Trends? Pubertäre Rebellion oder einfach nur Spass am Leben? Politische Kriegserklärung an die Gesellschaft, den Staat und die Politik oder doch bloss hässlicher Modetrend?

Ich bin ein Pseudo, kein Individualist, doch wer der erste war, das hätte ich gern gewusst (Slime - 1982)

Das eine wie das Andere mag wohl gegenüber zutreffen, oder auch nicht, denn wer sich selbst einmal in einer solchen Lage befand, herauszukristallisieren, was Punk denn nun wirklich ist, der wird keine Lösung finden. In keiner Szene, in keinem anderen Punk und auch nicht in Büchern. Auch nicht in der Literaturvorlage "Dorfpunks" von Rocko Schamoni, auf dem dieser herzerweichende und dennoch dokumentarische Coming - Up of Age Film aufbaut.

Wie erklärt man sich Punk? Wie erklären die Jungs sich Punk? Was ist Punk eigentlich so genau? Ist es ein Vorwand, um seine eigene, innerliche Schäbigkeit und Zerissenheit nach aussen tragen zu dürfen und zu können? Ist es ein Hilfeschrei nach einer besseren Welt, Menschheit und Gesellschaft? Oder ist es bloss ein Fluchtpunkt vor eben jenem Genannten? Ich denke, jeder muss das für sich selbst rausfinden, ob nun in einer Gemeinschaft, einer unsterblichen Clique mit "Gleichgesinnten" oder doch bloss die Pogoklopperei im Kellerdisseschuppen von Nebenan, wo man seine Aggressionen rauslassen kann. Doch am Ende, fernab dieser Zwecksgemeinschaft stirbt, lebt und leidet man alleine.

Hey Punk, zeig mir wer du bist, Hey Punk, spuck Ihnen ins Gesicht. (Slime - 1981)

Und auch diese Clique in die Dorfpunks, sie sind kleine Vorstadtrebellen, zu festgefahren in ihrem einfältigen und mohnotonen Bauernprovinzleben, um die grosse, weite Welt dort draussen verstehen zu können, doch wollen sie ihre Welt verändern, sich verändern, sie träumen, sie kämpfen oder illusionieren, um ihrem Widerstand willen, denn die Motivation steckt bei ihnen im kleinsten Detail, - niemals Spiesser sein, niemals ein dreckiges kleines Spiesserschwein. Doch wie identifziert sich ihre kleine Jugendrebellion?

Sie leben ihr eigenes unbestimmtes Leben, zwar naiv in ihrem Dasein und voller utopischer Träumerei, doch wer die Geschehnisse der Jungs in diesem Film verfolgt, der wird sich zusprechen: Doch so war es wirklich...Man kann jede einzelne Aktion auf sich zupressen, sofern man denn nur mal ansatzweise mit der Szenegeschichte des Punks symphatisieren konnte. Es war eine kleine Geschichte von einer eigenen, selbstgesponnenen Welt mit Idealen, die man sich irgendwo abkupferte. Man wollte sich selbst als das Eigene ansehen, doch war man nur ein kleiner Bestandteil von etwas noch Kleinerem. Die Minderheit - und die ist anders und meist unbeliebt.

Wir sind alle nur Tagträumer, kleine Fische im grossen Meer... (SIK - 1997)

Und das muss auch die Clique um Rocko erleben, die sich fernab der eigentlichen Geschehnisse in ihrem Hamburger Vorstadtbauernkaff im Wald betrinken, Pläne schmieden, die Tod einfach nur totschlugen, Konzerte besuchen, Popperpartys stürmen, in Schlägereien mit Dorfprolls, Faschoskins verwickelt waren, oder fantasierten, wie sie denn die Spiesser im Dorf wieder schockieren können.

Wir müssen mal wieder ins Dorf die Spiesser schocken. Sonst denken die noch, sie hätten gewonnen. (Filmzitat)

Das klingt jetzt genauso unspektakulär und mohnoton jugendlich wie es sich auch liest, denn der Film erzählt es genauso naiv und unbeholfen schroff, wie es letztendlich auch bei jedem anderen gewesen sein mag. Doch dadurch wirkt der Film stellenweise leider nicht nur etwas emotionslos, undramatisch dröge und plump unsinspiriert, sonder trabt dabei noch auf der Stelle, ohne das man denn eine wirkliche Geschichte oder einen roten Faden erkennen könnte. Man hat zwar hier und da die notwendigen Jugendstorys voller Spass, Rebellion und die notwendigen Zutaten um Mitzufiebern, doch "Dorfpunks" kann sich für keinen wirklichen Sympathieträger entscheiden, auch wenn man den blonden Stachelhaarpunk Rocko, der eher wie ein kleiner romantischer und intelligenter Tagträumer wirkt, statt einem Revoluzzer, in den Vordergrund als Hauptprotagonist drängt, der selbst noch nicht genau weiss, was er möchte.

Er melancholiert, er denkt nach, und somit macht er Fortschritte, und insofern darf er als Hauptsymphatiefigur angesehen werden, da die Anderen auf Altbewährtes bestehen, sich entweder, wie sein bester Freund im gestreiften Bademantel immer mehr ruinieren, oder sich in ihr bekanntliches Dasein reinsteigern, ohne dabei zu erkennen, wie sie sich und ihr Umfeld damit zerstören. Dorfpunks geht da den besten Weg um die individuellen Konflikte und Meinungsverschiedenheiten in der eigenen Szene zu verkörpern und findet seinen Höhepunkt auf einem Konzert der kürzlich gegründeten Band, wo der Sänger vor dem eigentlichen Gig als Bekanntmachung an das Publikum Psalmen, Phrasen und Parolen drescht, die Band aber nicht zum Spielen kommt. Das Konzert wird abgebrochen, der Sänger tituliert es als den besten Auftritt, denn er sei ja politisch gewesen. Seine Definition von Punk ist es, dass man Punk ist, wenn man dem Punk verweigert. Ohne einen Standpunk zu setzen, aber irgendwo doch, verlassen sie den Raum, niedergeschmettert, stolz und vertieft in ihrer scheinbar lächerlichen Rebellion. Aber der Umstand ist egal. Es machte Spass und war nonkonform.

Hey du kleiner Weltverbesserer spielst du wieder Anarchist, schreist du wieder laut nach Freiheit, obwohl sie nur Atrappe ist? Hey du kleiner Weltverbesserer, schreist du nach ner besseren Welt, doch da muss ich dich enttäuschen, hier läuft gar nichts ohne Geld. (Toxoplasma - 1982)

Dorfpunks rechnet nicht mit der Szene ab, er will auch nichts parodieren oder anmahnen, er erzählt einfach nur eine kleine, wilde und jugendlich - frisch - freche Geschichte von ein paar Möchtegernrebellischer Teens, die statt ruhig auf irgendwelchen Wohnzimmerpartys mit wenig Alkoholika zu sitzen lieber Randale und Wallewalle machen, um ihre scheinbare Trostlosigkeit, mit dem Zurechtkommen des eigentlichen "wahren Lebens" zu verarbeiten. Damit konnte man zwar nicht die Welt verändern, aber sich selbst. Ob das nun Punk ist, weiss man zwar nicht, aber wenn man es für sich sich selbst definiert, dann schon.

Bleib nicht auf der Stelle stehen, es muss immer vorwärts gehen. Vergess die Scheisse hinter dir, denn der nächste Tag ist dir. Probier mal etwas Neues aus, keiner lacht dich dafür aus. Viele Wege sind voraus, such dir doch die besten aus. Gehe Neue Wege, dreh dich nicht nach hinten um, denn Punk heisst auch Veränderung. (Fuckin Faces - 1994)

Insofern ist Dorfpunks ein kleiner etwas holpriger und dröger Film, der zwar durchaus seine erzählerischen Makel hat, aber dennoch aufgrund seiner durchgängigen Geschichte absolut erheitern kann, weil man ebensolche Parallelen zu seiner eigenen Jugend wiederfinden kann. Er bietet typische Jugend"sünden", er bietet einen netten frechen Soundtrack rund um Slime etc., er bietet Romanze, Randale, Rauferei und Rebellion, will zwar keinerlei Zeichen setzen, sondern erzählt es nur. Er ist klein, klein wie der vermeintliche Widerstand der Hauptifgur, die irgendwann zu zweifeln beginnt, nachdem er fast alles verloren. Kann man mit Bestehemden Zeichen setzen? Reicht dafür holprige Rumpelmusik auf Bandcontest?

Mach was Eigenes, mach was bizarres, was Einzigartiges, etwas total Absurdes. Spiel Blockflöte mit der Nase und zieh dir einen Sombrero an...Das ist Punk! Verweigerung der Grundprinzipien des Punks. D.I.Y.

Ein unbeholfenes, aber dennoch genauso liebevolles Kleinod für Filmfans, die bereits schon etwas mit Engel + Joe, This is England, Richy Guitar, Führer Ex, Skin - Hass war sein Ausweg oder Oi! Warning anfangen konnte. Symphatisches Szenekino, dass zwar etwas mehr Feinschliff und Feingefühl für Dramatik gebraucht hätte um wirklich bewegen oder Tränen rühren zu können, was aber defintiv in jede Filmsammlung gehört, wenn man schonmal Iroträger war, sich Batches auf die Jacke bappte, oder sich gegen die Norm erhob. Wirklich künstlerisch wertvoll ist er nicht, aber immerhin setzt er mehr Zeichen als der plumpe Vollpfostengaudi Chaostage - We are Punks, der leider im Gegensatz zu Dorfpunks ein schlechtes Bild auf die Szene wirft, wenn er von Nichtkennern konsumiert wird.

Aber gesellschaftlicher Abfall wird Abfall bleiben, wenn sie ihre Wege falsch beschreiten. Verständnis kommt da, wo Wut und Vorurteile aufhören und man aufeinander zugeht. In einer Gesellschaft, wo man für sich alleine lebt, wird ein Zusammenleben nicht möglich...Zerstört die Mauern und überquert mehr Brücken !

(7/10)

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