Brutale, eigenen Gesetzen gehorchende Gangs dominieren nicht nur das Stadtbild, sondern scheinen auch das alleinige Sagen zu haben. Anderswo liegen Flüchtlinge nachts auf Bahngleisen zusammen gekauert und warten in menschenunwürdigen Bedingungen auf einen Güterzug, auf den sie aufspringen können in Richtung vermeintlicher Freiheit. In manchen Szenen wähnt man sich fast in einem post-apokalyptischen Film, der eine Welt skizziert, wo jede öffentliche Ordnung zusammen gebrochen ist, Elend und Verrohung menschlicher Werte zusammen gebrochen sind und jeder um sein Überleben kämpfen muss.
Aber der Film spielt im Heute und spiegelt, glaubt man den Worten des Regisseurs (der intensiv in Honduras und Mexiko recherchiert haben will), die nackte Realität wieder. Filmkritiker loben immer wieder die schön photographierten Szenen auf den Dächern der Zugwaggons. Dem ist zu ergänzen, dass der *ganze* Film in fast allen Belangen beachtlich inszeniert ist und den Betrachter gekonnt in einen Sog aus Anarchie, Gewalt, Verzweiflung, Hoffnung und Ausweglosigkeit zieht. Allein schon die ersten Szene mit El Casper vor dem Waldpanorama-Poster in seinem schäbigen Zimmer, wo Mensch und Poster nacheinander mit gegeneinander laufenden Kamerafahrten eingefangen werden, schafft einen gelungenen Kontrast zwischen Freiheit und den Zwängen und Unfreiheiten des Lebens in einer hierarchisch aufgebauten, Loyalität und Gehorsam einfordernden Straßengang.
Nun mag "Sin Nombre" im Kern betrachtet nichts neues über südamerikanische Gangs erzählen, auch nicht über illegale Migranten. Aber hier ist auch eher das Wie entscheidend. Denn das ist Film von großer Eindringlichkeit. Manche bemängeln die weitgehende Vorhersehbarkeit dieses, äh, Thriller-Dramas mit Western-Anleihen. Doch was in der Erzählung als absehbar bemäkelt wird, ist in Wahrheit Ausweglosigkeit:
"Sin Nombre" baut eine große Einbahnstraße. Hier hat nichts und niemand eine Zukunft. Menschen sind die Geiseln ihres Umfelds; einen Ausweg scheint es nicht zu geben. Und der zwölfjährige Smiley hat bereits am Anfang des Films verschissen, weil er seine Sozialisation in der Straßengang erleben und für einen Erhalt der Strukturen sorgen wird.
Ein sehr pessimistischer Blick auf das Leben einer weniger Menschen in Südamerika, der vielleicht gerade deshalb so packend ist, weil er sich nicht um größere politische und soziale Zusammenhänge schert, sondern das Schicksal einer Hand voll Individuen in den Vordergrund stellt.