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Du bist nicht dein Job. Du bist nicht das Geld auf deinem Konto. Nicht das Auto, das du fährst, nicht der Inhalt deiner Brieftasche. Und nicht deine blöde Cargo-Hose. Du bist der singende, tanzende Abschaum der Welt.” Diese fatalistische These stellt den Kernpunkt der düsteren Gedankenwelt Tyler Durdens dar, welcher als Dreh- und Angelpunkt in David Finchers genialer Gesellschaftssatire “Fight Club” dient.

Ein monotoner Job sowie weder körperliche noch geistige Auslastung - dies lässt den viel reisenden Mitarbeiter eines Autoherstellers (Edward Norton) an akuten Schlafproblemen leiden. Als kurzfristige Lösung erweist sich der auf Lügen basierende Besuch von Selbsthilfegruppen, die dem Schlaflosen emotionale Ausgeglichenheit bringen. Als sich jedoch die ebenfalls schwindelnde Marla Singer (Helena Bonham Carter) zu den Treffen dazugesellt, kann der Rastlose abermals nicht ruhen. Auf einer seiner Geschäftsreisen lernt er schließlich Tyler Durden (Brad Pitt) kennen, einen charismatischen Seifenverkäufer und Querdenker. Die beiden liefern sich eine befreiende Schlägerei, welche sie jegliche Sorgen vergessen lässt. Bald schon findet sich eine ganze Gruppe zusammen, die sich ihren Frust von der Seele prügeln will - der Fight Club ist geboren. Jedoch droht Marla ein weiteres Mal, diese neu geschaffene “Idylle” zu zerstören; zudem entwickelt der Fight Club eine gefährliche Eigendynamik…

Alles, was du hast, hat irgendwann dich.” (Tyler Durden)

Ein funktionierendes Zahnrad im unpersönlichen System einer wirtschaftlich geprägten Welt, in der sich der Mensch allen voran durch seinen Besitz definiert - so wird der folgerichtig namenlose Hauptcharakter anfänglich skizziert. Erst das Treffen mit Tyler Durden verleiht genügend Mut, um aus diesem Alltagstrott auszubrechen und einen alternativen Weg zu gehen. Nur: Wie sieht dieser Weg aus? Durden verurteilt die Überbewertung von Konsum und Besitz, sehnt sich eine Welt der individuellen Freiheit und grenzenloser Selbstentfaltung herbei. Der Zuschauer begeht denselben fatalen Fehler wie der Hauptcharakter und fällt anfangs auf Durden rein - zu verlockend klingen seine Visionen, zu sogartig sind seine oftmals zitatwürdigen Ansprachen. Doch was steckt wirklich dahinter?

Im Endeffekt entpuppt sich Durden als Scharlatan, der lediglich mit seinem Charisma und wohlklingenden Versprechungen einer besseren Welt blendet. Schlussendlich sind diese Ideen jedoch eine Lüge, unausgegorene Gedankenkonstrukte, die keiner genaueren Prüfung standhalten. Der anarchistische Gedanke wird von faschistischen Anwandlungen konterkariert, welche sich in der straffen Führung im selbst geschaffenen Regime manifestieren. Man will die Stellung des Individuums betonen, findet aber nur gesichts- und namenlose Befehlsempfänger vor. Dem Terror ist kein klares Ziel zu entnehmen - es sei denn, man möchte die Versenkung der modernen Zivilisation im Chaos als solches anerkennen. Genau aus dieser thematischen Zusammenstellung erwächst die große Faszination: Die Missstände der Konsumgesellschaft werden deutlich angeprangert, ohne jedoch wahre Lösungsvorschläge zu präsentieren. Hier ist nun der Zuschauer selbst gefordert, welcher sich fragen muss, inwieweit die vorgestellten Thesen für ihn vertretbar sind.

Erst wenn wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun.” (Tyler Durden)

Das mit unglaublicher satirischer Tiefe sowie einer Fülle von tollen Dialogen ausgestattete Drehbuch wird von den Darstellern perfekt auf die Leinwand übertragen. Edward Norton trifft genau den richtigen Ton, den es für die Wandlung vom festgefahrenen Angestellten hin zum selbstbewussten Freigeist benötigt. Für die Rolle des Tyler Durden darf Brad Pitt all sein Charisma auffahren, um die Gradwanderung zwischen Prediger, Anführer und Wahnsinnigem zu meistern - was ihm auch bestens gelingt. Man klebt förmlich an seinen Lippen und saugt jedes seiner Wörter auf, so kontrovers sie auch sein mögen. Trotz dieser beiden Glanzleistungen geht auch Helena Bonham Carter nicht unter. Durch ihre völlig fertige und zerstörte Erscheinungsform entwickelt ihre Marla eine starke Präsenz und kann sich so auch neben ihren männlichen Kollegen behaupten.

David Fincher verpackt seine Gesellschaftskritik in einem hyperaktiven Bilderrausch, der schlicht meisterlich inszeniert ist. Verrückte (CGI-)Kamerafahrten, scharfe Schnitte und ein beachtlicher Härtegrad lassen den Streifen hip und modern wirken, während die perfekte Ausleuchtung und Setwahl gleichzeitig für eine düstere Atmosphäre sorgt. Ein weiterer Geniestreich ist die akustische Ebene, welche gleich in mehrerer Hinsicht überzeugt: Neben dem elektronischen Soundtrack, welcher perfekt zur dunklen Stimmung passt, ist den ganzen Film über ein Voice Over vom Hauptcharakter wahrzunehmen. Dieser kommentiert die aktuellen Geschehnisse sowie seine Gefühlslage auf so scharfsinnige und zynische Weise, dass man jedem Satz gebannt lauscht.

Fazit:Fight Club” stellt eine perfekte Symbiose aus tiefgründigem Drehbuch, starken Darstellerleistungen und gekonnter Regie dar. Die düstere Gesellschaftskritik bietet reichlich Diskussionsstoff und lädt zur ausführlichen Reflexion ein. Überdies hinaus erwarten einen meisterhaft zusammengestellte Collagen aus Bildern und Tönen, die eine hypnotische Wirkung entfalten. Ein Meisterwerk und zweifelsohne einer der besten Filme seiner Zeit!

10/10

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