Review

Hinter dem Namen "Fight Club" verbirgt sich kein Prügelstreifen à la "Bloodsport", wie ich es vermutete. Nein, man schlägt mit diesem Film eine andere Richtung ein.
Ein unbekannter Erzähler (Edward Norton) stellt sich dem Publikum vor. Während des ganzen Filmes erfährt der Zuschauer seinen Namen nicht. Er ist ein Bürohengst und berichtet von seinem einseitigen Alltag. Um seine Schlaflosigkeit zu besiegen und auch seinen Emotionen endlich wieder freien Lauf zu lassen, besucht er Selbsthilfegruppen und täuscht Hodenamputation oder auch Leukämie vor. Eigentlich ist es erniedrigend, aber dort kann er sich ausheulen.
Nach einer Geschäftsreise muss der namenlose Erzähler feststellen, dass sein Appartement zerstört worden ist. Seine Wohnung war ein Teil seines aufgezwungenen aber auch tristen Alltagslebens in einer perfekten, irgendwie sterilen Gesellschaft. Dieses Ereignis ist ein Neuanfang für ihn. In der selben Nacht bittet er Tyler Durden, den er zuvor im Flugzeug kennen gelernt hat, um Obdach. Dieser sagt sofort zu und hat unseren unbekannten Erzähler die Frage, ob er bei ihm übernachten kann, wirklich aufgedrängt. So kommt es, dass der Erzähler in Durdens Bruchbude einzieht.

Tyler Durden ist genau das Gegenteil des Erzählers. Er lebt in einer "freien" Welt, in der er alles machen kann, was er will. Er hat der modernen Gesellschaft den Rücken gekehrt. Der Erzähler bewundert seine Lebensphilosophie. Nach einem Kneipenaufenthalt schlagen sich die beiden aus Spaß die Fresse ein und gründen den "Fight Club", um dort mit Gleichgesinnten so richtig Dampf abzulassen. Im "Fight Club" treffen sich viele Männer, die sich wie kleine Kinder raufen, die anscheind auf Schmerzen stehen und selbst bei einem völlig demoliertem Gesicht dem Gegner noch die Hand schütteln. Es sind Männer, die im richtigen Leben im Büro arbeiten und unzufrieden sind. Es sind Männer, die aus dem gleichem Holz geschnitzt sind, wie der Erzähler. Es sind Alltagsflüchtlinge...

Eine richtige Story gibt es, wenn man ehrlich ist, eigentlich nicht. Der Zuschauer begleitet den unbekannten Erzähler bei seiner charakterlichen Veränderung. Monologe spielen dabei eine wichtige Rolle, besonders zu Anfang. Die unbekannte Person bleibt ganz bewusst anonym. Der Zuschauer soll über seinen eigenen Alltag nachdenken und versuchen Parallelen zu finden. Und ich bin davon überzeugt, dass er fündig werden wird. So kann sich das Publikum, besonders wegen der Anonymität, in den Erzähler gut hineinversetzen. Eigentlich soll man sich mit diesem Charakter identifizieren und erkennen, dass man "gefangen in einer freien Welt" ist. Man sollte aber auch nur darüber nachdenken und nicht wirklich so handeln, wie Tyler und der Erzähler es dann tuen. Denn durch einige Aktionen, was die Gewalt angeht, wird der Bogen vor allem durch Tyler deutlich überspannt. Der Aufruf zum Vandalismus sollte vom Zuschauer überhört und kritisch betrachtet werden.

Zum Ende hin zeigt sich, dass der Film doch mehr auf die Psyche geht, als anfangs angenommen. Er entfernt sich doch etwas von der Realität. Der Wendepunkt wird dem Zuschauer nicht mit einem Schlag präsentiert. Die Überraschung ist eigentlich keine, denn sie wird und soll dem Zuschauer ganz allmählich klar werden. Dadurch wirkt der Film, wenn man ihn nochmal an sich vorbeiziehen lässt, an einigen Stellen etwas verwirrend. Ein paar Fragen bleiben dann für mich offen und können hier aus Spoilergründen von mir nicht erwähnt werden.
Etwas unlogisch erscheinen aber noch weitere Angelegenheiten. Da wäre zum Beispiel der dicke Bob, der bei einer Schießerei schwer verletzt wurde, aber seine Kumpels es trotz Polizeiverfolgung noch schaffen, ihn zu Tylers Bruchbude zu schleppen. Fragwürdig auch, woher der Erzähler das ganze Geld für die Flüge hat, als er auf der Suche nach Tyler ist.

Die beiden Hauptfiguren Tyler Durden und der anonyme Erzähler werden von Brad Pitt und Edward Norton erstklassig verkörpert. Es sind zwei unterschiedliche Charaktere, die aber trotzdem zusammen harmonieren. Auch wenn man denkt, sie würden sich in ihren Ansichten gleichen, tuen sie es doch nicht. Besonders in Sachen Gewalt unterscheiden sich doch ihre Auffassungen. Edward Norton schafft es mit seinem Charakter, dass der auch täglich im Büro arbeitende und IKEA-Möbel besitzende Zuschauer sich in ihn hineinversetzt.
Die teils philosophischen Sprüche, die Brad Pitt alias Tyler Durden von sich gibt, sind schon kultverdächtig, genauso wie zum Beispiel die Szene, um nur eine zu nennen, in der die beiden erklären, was ein Filmvorführer alles zu machen hat.
Es wurden zynische Gags wie die Seifenherstellung aus Fett "deluxe" von einer Fettabsaugklinik eingebaut und sich somit einige Leute quasi mit ihrem eigenem Fett waschen. Aber es gibt auch noch geschmacklosere Sachen, wie Geschlechtsteile, die Tyler in einen Disneyfilm eingeschnitten hat. Dann werden auch mal Smilies geheult oder in einen Wolkenkratzer "gebrannt". Der Humor kommt also nicht zu kurz, aber unterscheidet sich eben.

"Erst nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit alles zu tun". Das ist Tyler Durdens Lebensphilosophie, in die der in einer "perfekten" Gesellschaft lebende Zuschauer einen Einblick bekommen soll. Ganz so dramatisch, wie die Gesellschaft hier dargestellt wird, ist es ja nun doch nicht und damit brauch man in Tyler Durden auch kein Vorbild sehen, denn das ist er nicht. Den Aufruf zum Chaos sehe ich kritisch und deshalb gibt es dafür auch einen Punkt Abzug. Mir ist bewusst, dass der Film das nicht vermitteln will und dies nicht der wahre Sinn ist. Aber trotzdem ist die Gefahr meiner Meinung zu hoch, dass der Film von einigen Personen falsch interpretiert werden kann.

Fazit: "Fight Club" muss man einfach mal gesehen haben. Für kleine Mängel in der Handlung wird der Zuschauer durch geniale Mono- und Dialoge entschädigt.
Die Thematik ist außerordentlich interessant. Der ein oder andere könnte in dem unbekannten Erzähler sein Spiegelbild wieder erkennen. (Noch 9/10 Punkten)

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