Review

Vorsicht: Im folgenden Review sind SPOILER zum Handlungsverlauf enthalten, jedoch nicht bzgl. der finalen Auflösung.

„Gentlemen, willkommen im Fight Club. Die 1. Regel des Fight Club lautet: Ihr verliert kein Wort über den Fight Club. Die 2. Regel des Fight Club lautet: Ihr verliert KEIN WORT über den Fight Club! 3. Regel des Fight Club: Wenn jemand „Stopp“ ruft, schlappmacht, abklopft, ist der Kampf vorbei. 4. Regel: Es kämpfen jeweils nur zwei. 5. Regel: Nur ein Kampf auf einmal. 6. Regel: Keine Hemden, keine Schuhe. 7. Regel: Die Kämpfe dauern genau so lange, wie sie dauern müssen. Und die 8. und letzte Regel: Wer neu ist im Fight Club, muss kämpfen.“


Die Karriere David Finchers als Regisseur startete im Jahre 1992 mit „Alien³“, dessen Qualität jedoch aufgrund katastrophaler Produktionsbedingungen zu wünschen übrig ließ, die Kritiker nicht überzeugen konnte und auch an den Kinokassen nicht den gewünschten Erfolg brachte. Mit dem drei Jahre später folgenden „Sieben“ machte es Fincher allerdings nicht nur besser, sondern kreierte mit seinem Film über einen Killer, der nach den sieben Todsünden mordet, ein kleines Meisterwerk und zugleich einen der besten Thriller der Neuzeit. Zwei Jahre später entstand „The Game“ mit Michael Douglas und Sean Penn in den Hauptrollen, der zwar nicht an die Klasse von „Sieben“ heranreichte, aber dennoch als guter Thriller angesehen werden kann. 2002 kam „Panic Room“ mit Jodie Foster in der Hauptrolle in die Kinos, der zwar unter meinen Erwartungen blieb, aber bei dem es sich dennoch um einen grundsoliden Thriller handelte. Fünf Jahre später erschien mit „Zodiac - Die Spur des Killers“ ein Film aus dem Hause Fincher über einen Serienkiller namens Zodiac, was auf einem wahren Fall basierte. Hiermit lieferte er zwar kein Meisterwerk ab, toppte aber seinen vorherigen Film „Panic Room“ und lieferte einen guten Film zu der Thematik ab, was Alexander Buckley und Ulli Lommel hingegen nicht einmal ansatzweise gelang. Zwischendrin - im Jahre 1999 - lieferte David Fincher seinen bisher besten Film ab, um den es in diesem Review gehen soll. „Fight Club“ basiert auf der gleichnamigen Novelle von Chuck Palahniuk aus dem Jahre 1996, aus der man die meisten Zitate direkt übernahm. Allerdings wandelte man für die Verfilmung den Schluss der Buchvorlage um - dem Autor gefiel das variierte Ende letztlich sogar besser als sein eigenes. „Fight Club“ ist ein typisches Beispiel für einen Film, den man entweder liebt oder hasst - so teilte er auch die Kritiker in zwei Lager. Das Einspielergebnis an den Kinokassen enttäuschte, aber auf DVD entwickelte sich der Film zum kommerziellen Erfolg.

„3 Minuten. Es ist so weit - Ground Zero.“


„Fight Club“ startet mit einer Szene, deren Sinn sich dem Zuschauer erst gegen Ende erschließt und wird von da an in Rückblenden erzählt. Ein namenloser Erzähler (Edward Norton), der Angestellter einer Automobilfirma und ein „Sklave des IKEA-Nestbautriebs“ ist, führt uns durch die Geschichte. Infolge seines langweiligen Lebens beginnen ihn Schlafstörungen zu plagen, was ihn letztlich dazu verleitet, Selbsthilfegruppen für Leukämiekranke oder Männer mit amputierten Hoden aufzusuchen. Wenn sich andere Leute an seiner Schulter ausheulen, dann kann auch er weinen. Zugleich wird uns eine der vielen Aussagen des Films geliefert, die zum Nachdenken anregt - wenn Menschen denken, dass man stirbt, beginnen sie, richtig zuzuhören, anstatt nur darauf zu warten, dass sie mit Reden an der Reihe sind. In seinen Gruppen lernt er Robert „Bob“ Paulsen (Meat Loaf) kennen; sich an dessen „Weibertitten“ pressen und dabei weinen zu können - das ist „Urlaub“ für den Erzähler. Dadurch kann er auch seine Schlaflosigkeit wieder in den Griff bekommen, doch schnell beginnen seine Probleme wieder vorn, als mit Marla Singer (Helena Bonham Carter) eine weitere Simulantin in seinen Gruppen, nach denen er mittlerweile süchtig geworden ist, auftaucht. Marlas Lebensphilosophie lautet, dass sie jeden Augenblick sterben könne, die Tragödie allerdings darin liege, dass es nicht geschehen würde. In ihrer Anwesenheit kann er sich nicht ausweinen, was zur Folge hat, dass seine Schlafstörungen von neuem beginnen. Das Problem wird jedoch ebenso schnell wieder aus der Welt geschafft, als die beiden beschließen, ihre Gruppen aufzuteilen. Von nun an trennen sich ihre Wege wieder, aber es sollte nicht die letzte Begegnung der beiden gewesen sein…

„Die Leute fragen mich immer, ob ich Tyler Durden kenne.“


Auf dem Rückflug von einer seiner Geschäftsreisen lernt der Erzähler den charismatischen Tyler Durden (Brad Pitt) kennen. Aus ihrer kurzen Unterhaltung geht hervor, dass Durden hauptberuflich Seifenverkäufer ist. Der Erzähler zeigt sich fasziniert von ihm und ruft ihn wieder an, als er auf der Straße landet, da seine Appartementwohnung in die Luft gesprengt wurde. Die beiden verabreden sich auf ein Bier und der Zuschauer erfährt mehr über die Figur Tyler Durden. Dieser kellnert nebenbei in einem noblen Lokal und fügt dort der Suppe der feinen Bevölkerung mit seinem Urin eine spezielle Note hinzu. Außerdem ist er in einem Kino tätig, wo er Schnipsel aus Pornofilmen in Kinderfilme einfügt, die dort für Sekundenbruchteile erkennbar sind. Wenig später erfährt man noch, dass Durden die Zutaten zur Herstellung von Seife aus einer Fettabsaugungsklinik entnimmt. Durden ist das komplette Gegenteil des Erzählers und genau das, was dieser sein will. Seine Lebenseinstellung wird durch den Spruch „Erst nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun.“ deutlich. Der Erzähler kommt schließlich in Durdens Bruchbude unter, doch nicht bevor er ihm einen kleinen Gefallen getan hat, der sich auf alles Folgende auswirken wird…

„Alles, was du hast, hat irgendwann dich.“


Durden bittet den Erzähler darum, dass er ihn mit aller Härte schlagen solle, was diesen vollkommen überrumpelt. Schließlich befolgt er die Anweisung und verpasst Durden einen heftigen Schlag auf dessen Ohr. Daraus entwickelt sich eine Prügelei der beiden Männer, die abschließend feststellen, wie gut das doch getan hat und dass man das unbedingt noch einmal wiederholen müsse. In der Tat bleibt es nicht bei diesem einmaligen Ergebnis, da die Männer immer mehr Gefallen dran finden. Immer mehr Leute schließen sich den beiden an und so kommt es dazu, dass der so genannte Fight Club mit seinen acht Regeln entsteht. Der Fight Club übernimmt die Funktion einer Selbsthilfegruppe für vom Leben gelangweilte Männer. Auch Bob, den der Erzähler in den Selbsthilfegruppen kennen lernte, schließt sich dem Club später an. Eines Tages erhält der Erzähler einen Anruf von Marla, die sich verwundert darüber zeigt, dass dieser nicht mehr in den Selbsthilfegruppen erscheint. Er wimmelt sie allerdings ab und legt den Hörer weg, allerdings ohne aufzulegen. Marla kündigt per Telefon ihren Suizid an, was Tyler mitbekommt, der sie davon abhält und anschließend eine Affäre mit ihr beginnt - „Sportficken“ nennt er es. Der Erzähler legt im Berufsleben keinen großen Wert mehr auf sein Äußeres und legt sich auch mit seinem Chef an, was zum Verlust seines Arbeitsplatzes führt. Dies hat auch die „legendäre“ Szene zur Folge, in der sich der Erzähler in seinem Büro selbst verprügelt. Sein Job war ihm jedoch sowieso nicht mehr sonderlich wichtig - das, was für ihn zählte, war der Samstag, an denen er seine Aggressionen im Fight Club herauslassen konnte. Hier fühlten er und die anderen Männer sich frei und lauschten gebannt den Parolen ihres Anführers Tyler Durden.

„Mann, ich sehe im Fight Club die stärksten und cleversten Männer, die es jemals gab. Ich sehe so viel Potential, wie es vergeudet wird. Herrgott noch mal, eine ganze Generation zapft Benzin... räumt Tische ab... schuftet als Schreibtischsklaven. Durch die Werbung sind wir heiß auf Klamotten und Autos; machen Jobs, die wir hassen; kaufen dann Scheiße, die wir nicht brauchen. Wir sind die Zweitgeborenen der Geschichte, Leute - Männer ohne Zweck, ohne Ziel. Wir haben keinen großen Krieg, keine große Depression. Unser großer Krieg ist ein spiritueller. Unsere große Depression ist unser Leben. Wir wurden durch das Fernsehen aufgezogen in dem Glauben, dass wir alle irgendwann mal Millionäre werden, Filmgötter, Rockstars... Werden wir aber nicht. Und das wird uns langsam klar. Und wir sind kurz, ganz kurz vorm Ausrasten.“


Der Erzähler, dem bereits Durdens Affäre mit Marla Singer ein Dorn im Auge war, wird allerdings klar, dass die ganze Sache ungeheure Ausmaße annehmen kann und Durden eindeutig zu weit geht. Aus den vielen überall verstreuten Fight Clubs hat sich mittlerweile das Projekt Chaos entwickelt. Das wahre Ziel Tyler Durdens wird schließlich klar ersichtlich: Er bastelt Bomben und stellt große Mengen an Nitroglyzerin her, um die Zentralen aller Kreditkartenunternehmen in die Luft zu sprengen und so das Finanzwesen zu zerstören. Ground Zero - der Nullpunkt. Alle sollen noch einmal von 0 anfangen. Noch weiter kann ich nicht erzählen, da man in den Genuss des weiteren Handlungsverlaufes doch lieber ungespoilert kommen sollte.

„Der Fight Club. Das war Tylers und mein Geschenk. Unser Geschenk an die Welt.“

„Fight Club“ ist harter Tobak für den Zuschauer. Äußerst oberflächlich betrachtet könnte man das Werk als hohlen Prügelfilm abhandeln (zugegeben: einige Szenen sind auch ziemlich heftig und rechtfertigen die FSK 18 vollkommen), aber unter der Oberfläche steckt viel mehr - „Fight Club“ ist in Wahrheit eine Gesellschaftssatire, die sich mit der heutigen Konsumgesellschaft mit äußerst zynischem Humor auseinandersetzt. Eine wirkliche Story gibt es nicht, man verfolgt den Erzähler und seine Veränderungen, die er an der Seite Tyler Durdens durchmacht. Die hierbei geführten Mono- und Dialoge unterhalten prächtig und einige der Sprüche erreichen sogar Kultstatus. Viele der Aussagen regen zum Nachdenken an - „Fight Club“ ist beileibe kein Film, bei dem das „Gesehen-Vergessen-Prinzip“ zutrifft. Aufgrund des verblüffenden Twists am Ende bietet es sich an, den Film sich auf jeden Fall noch ein, zwei weitere Male zu Gemüte zu führen, um auf Details achten zu können, die man beim ersten Ansehen mit Sicherheit übersehen hat.

„Jeden Abend starb ich. Und jeden Abend wurde ich wiedergeboren. Feierte Wiederauferstehung…“

Auch optisch zieht Fincher alle Register seines Könnens. Besonders im Umgang mit der Kamera erweist er sich als Fachmann. Ein unglaubliches Bildgewitter wird dem Zuschauer von Anfang bis Ende geboten. Das fängt schon beim hervorragenden Intro an, das dem Zuschauer eine rasante Kamerafahrt durch das menschliche Gehirn zeigt. Wer ganz genau aufpasst, dem fällt auch der kurz eingeschnittene Penis am Ende des Films auf, was eine Anlehnung an Tyler Durdens Geschichte darstellt, dass er Schnipsel aus Pornofilmen in Kinderfilme einfüge. Auch im ersten Drittel des Films werden einzelne Bilder von Tyler in einige Szenen für Sekundenbruchteile eingeschnitten.

„Kleine Benimmfrage: Wenn ich vorbei gehe… Wende ich Ihnen den Arsch oder den Schritt zu?“

Zuletzt will ich noch auf die Darstellerleistungen eingehen, die an dieser Stelle einfach gewürdigt werden sollten. Ich hätte nicht gedacht, dass Edward Norton seine Leistung aus „American History X“ noch einmal überbieten würde, aber er hat es geschafft. Mit der Darstellung des namenlosen Erzählers hat er einmal mehr nachgewiesen, dass er zu den größten Schauspielern der Neuzeit gehört. Auch Brad Pitt zeigt hier, dass er ein sehr guter Schauspieler ist und läuft wie schon in Finchers „Sieben“ zu absoluter Höchstleistung auf. Helena Bonham Carter nimmt man die Rolle des menschlichen Wracks problemlos ab, auch sie liefert eine wirklich gute Leistung ab. Auch an den Nebendarstellern gibt es nichts zu meckern, sie alle machen ihren Job gut und tragen somit ihren Teil zum hervorragenden Gesamtbild des Films bei.

Fazit:
Für mich ist „Fight Club“ ein filmisches Erlebnis der Extraklasse, das ich mir immer und immer wieder anschauen könnte. Der Film hat mit knapp 130 Minuten genau die richtige Laufzeit, weist aber auch beim zweiten oder dritten Anschauen zu keinem Zeitpunkt Längen auf. Die Darstellerleistungen von Brad Pitt und Edward Norton sowie die Regiearbeit David Finchers sind absolut klasse; besonders die göttlichen Mono- und Dialoge sollten hier noch mal Erwähnung finden, wofür man dem Autor der Romanvorlage, Chuck Palahniuk, danken sollte. David Fincher hat mit „Fight Club“ in meinen Augen nicht nur den besten Film der 90er, sondern auch ein absolutes Meisterwerk geschaffen, das wohl auf immer und ewig zu meinen absoluten Lieblingsfilmen zählen wird. Mit der Höchstwertung gehe ich nur sehr sparsam um, aber hier kann ich gar nichts anderes geben.
Wertung: 10/10

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