Ich gebe zu, ich bin kein großer Freund von Michael Manns Filmepen, auch wenn sie noch so viele Anhänger haben.
Durchaus zu würdigen weiß ich stets die visuelle Umsetzung, die sorgfältige Inszenierung, die Ausstattung und ihre Komposition, aber letztendlich mangelt es immer an einer emotionalen Komponente, die die Filme und ihre Figuren mit mir als Beobachter verbindet und sie neben der technischen Politur zu einem erinnerungswerten Erlebnis macht, daß mir als Fan jahrelang nicht mehr aus dem Kopf geht.
Mann bleibt stets "kalt", selbst wenn er Emotionen zu vermitteln versucht, seine Filme sind meist bar jeder Wärme, die man als natürlich empfinden würde. Sie sind hingegen auch nicht mechanisch ablaufend, dafür ist zu viel optischer Einfallsreichtum in Kameraarbeit, Look und Actionsequenzen aufgewendet worden, aber kalkuliert ist so ziemlich alles davon, weswegen ich auch sein gefeiertes Hauptwerk "Heat" eher als ermutigenden, aber wenig spektakulären Durchschnitts-Potboiler aufgenommen, in dem zwei sagenhafte Darsteller sich angeblich ein Duell liefern, bei dem ich die ganze Zeit darauf gewartet habe, das es endlich ins Reich der Legenden abhebt. Schlußendlich liefern beide aber nur solide Handarbeit, die zwar filmhistorisch verklärt worden ist, die jedoch nie an andere Filmduelle heranreicht, nicht zuletzt, weil beide eher nebeneinander her als wirklich gegeneinander agieren.
Auch in "Public Enemies" gibt es so ein Duell zweier gegensätzlicher Figuren - die standesgemäß wieder auf zwei Seiten des Gesetzes stehen - die sich bis auf eine Szene am Schluß eigentlich nie im Film begegnen, obwohl sie auf Gedeih und Verderb aneinander gebunden sind. Johnny Depps "Dillinger", der Gentleman-Bankräuber und vorzeitliche Popstar des Verbrechens, der zum Volksfeind Nr.1 mutiert. Und sein hartnäckiger Verfolger, der junge und endlos aufrechte FBI-Agent Melvin Purvis, dargestellt von Christan Bale, der Wohl und Wehe seiner Behörde von der Ergreifung bzw. Niederstreckung des Täters abhängig gemacht bekommt.
Mühten sich Pacino und De Niro jedoch noch zu einem tödlichen Pas-de-Deux, laufen in "Public Enemies" die Figuren ohne wirkliche Verbindung nebeneinander her.
Zwar bemüht man sich nachdrücklich, Dillingers Charme und seinen Presseruf zu schildern und etwas zu verdeutlichen, in einer Zeit ohne Fernsehen oder Handys, doch ganz western-like bleibt von der historischen Figur der Jahre 1933/34 nur der Bankräuber, der es eben nicht anders kann, weil er dadurch Geld, Erfolg und einen gewissen Kick bekommt. Seine Vorgeschichte, seine Hintergründe bleiben ohne Belang, Dillinger reitet durch die Geschichte in die Geschichte, bis sein Zeitalter endet, weil nämlich gerade wegen seines draufgängerischen und gut geplanten Raubtalents er den Behörden immer wieder eine lange Nase drehen kann, gedeckt vom organisierten Verbrechen.
Daraus resultiert dann auch sein Untergang, denn die Forcierung und Gründung des FBIs als bundesweite Ermittlungsbehörde bedingt neue Ermittlungs- und Abhörmethoden, schnellere Verfolgung, zupackendere Gesetze. Die Agenten werden nach und nach besser geschult, besser ausgerüstet und holen den "Vorsprung durch Technik" (aka: halbautomatische Waffen) nach und nach auf, bis selbst das gefährdete organisierte Verbrechen dem Desperado seine Unterstützung aufkündigt. Dann sind die vielen Hunde bald des Hasen tot.
Optisch ist auch dies wieder ein brillanter Streich von Mann, hochauflösende Digitalbilder, tolle Nachtszenen, knallige Shootouts, dazu die sonnenverbrannte Weite amerikanischer Kleinstadtlandschaften, das alles kann einen Filmfan schon in höchste Verzückung versetzen.
Doch wieder kommt die Story nicht mit, kann nicht Schritt halten. Depp kommt geölt und charmant daher, ein sexy Wiesel, doch die ins Drehbuch konstruierte Liebesgeschichte mit der Gangsterbraut seiner Wahl, der erst sperrigen, dann irre ergebenen Billie Frechette (Marion Cotillard bietet eine solide Leistung, die sich jedoch nie in den Film einpassen will) will niemals richtig zünden. Noch fader kommt Bales Verfolger daher, der außer einer gewissen Radikalität, einem hart vertretenen Modernismustrend und einem eisernen Gesichtsausdruck keine Charaktereigenschaften zu besitzen scheint, so daß die Kurzauftritte von Billy Crudups mediengeilen J. Edgar Hoover dagegen schon fast abendfüllend wirken.
Rätselhaft bleibt auch, wohin Mann mit dem Film wollte. Auf einem Sachbuch basierend, recht unscharf bearbeitet mit einigen historischen Freizügigkeiten (lies: Fehlern) wird aus der dreigeteilten Figurenkonstellation eher ein zeitgenössisches Panoptikum vieler bekannter Gesichter, aus dem sich irgendwann mal drei Hauptfiguren herausbilden, aber kritisch ausgerichtet oder historisch fokussiert scheint da nichts zu sein, nicht mal die mögliche Verbindung von Reaktionen rund um die Weltwirtschaftskrisen von damals und heute.
Die meistausgewählte Szene, in der Dillinger im Kino mit anderen Zuschauern den Werbeaufruf zu seiner eigenen Fahndung verfolgt und die Zuschauer aufgefordert werden, sich nach links und rechts zu wenden, um den Nachbarn zu überprüfen (was natürlich nicht zur Entdeckung führt) ist ein wunderbarer Moment, in der Depp tatsächlich mal schelmisches und darstellerisches Profil gewinnt - ebenso wie die Sequenz wie er kurz vor seiner Erschießung unerkannt in die FBI-Büros marschiert, wo die Sonderkomission gerade ein Baseballspiel im Radio verfolgt, während er mit ihnen plaudert. Aber abgesehen davon bleibt die historische Figur ohne Profil, ohne Verklärung, ohne wirkliche Tiefenschärfe, die wohl komplett an die Bilder vergeben wurde, die optisch gewohnt genußvoll daherkommen.
Mag das einem durchschnittlichen Publikum noch als historischer Krimi mit reichlich Action genügen, mir persönlich verliert der Film seinen dünnen roten Faden immer wieder aus der Hand, weil er nicht recht weiß, wohin er mit dem Thema eigentlich will. So entsteht ein hübscher, aber zerfahrener Film, der einen bei Sichtung möglicherweise recht ordentlich zufrieden stellt, der aber nie Langzeitwirkung entwickelt. (5/10)