Der Film beginnt explosiv mit einer Befreiungsaktion aus einem Gefängnis. John Dillinger (Johnny Depp), einer der meist gesuchten Männer der USA, befreit einige Kameraden und sofort merkt man, dass dies ein Michael Mann-Film ist. Auf der Flucht wird viel geschossen, Glas splittert und Kugeln zerbersten den staubtrockenen Untergrund. Die Aktion glückt und Dillinger ist seinem Ruf, nicht nur aus Gefängnissen entkommen zu können sondern auch andere aus ihnen zu befreien, wieder einmal gerecht geworden. In einer folgenden Szene beginnt er mit seinen Kameraden den ersten Bankraub in diesem Film, dem noch weitere folgen werden. Da Dillinger nie absichtlich Zivilisten verletzt oder tötet und jedeglich das Geld der Bank entwendet, wird er in der Bevölkerung schon bald als „Robin Hood“ tituliert. Sein Handeln zwingt zu Beginn der 30er Jahre die Polizei dazu, eine neue Behörde unter der Verantwortung des berühmten und berüchtigten J. Edgar Hoover ins Leben zu rufen, die auch über Bundesstaatengrenzen hinaus operieren kann – das spätere FBI. Mit dem „Fall Dillinger“ wird der zielstrebige Ermittler Melvin Purvis (Christian Bale) beauftragt, der mit einer Schlägerbande und neuartigen Ermittlungsverfahren Jagd auf den „Staatsfeind Nr. 1“ macht.
Es gibt eine Szene in „Public Enemies“, in der sich der Hochglanzganove John Dillinger und seine Geliebte Billie Frechette (Marion Cotillard) in einem Lokal gegenübersitzen. Die junge Frau sinniert über ihren unbefriedigenden Job als Garderobiere und über ihre Herkunft aus einem unterpriviligierten Elternhaus. Da weißt sie ihr neuer Freund John daraufhin, „dass es nicht so wichtig ist, woher man kommt, sondern wohin man geht“. Diese durchaus optimistische Lebensphilosophie kann auch auf die Philosophie dieses neuen Films vom Altmeister des fiktiven Straßenkampfes Michael Mann angewandt werden – jedoch im negativen Sinne. Die Figuren, allen voran die Hauptcharaktere John Dillinger und sein Konterpart, der FBI-Ermittler Melvin Purvis, existieren nur in der Gegenwart und streben einer nebulösen Zukunft entgegen. Die Hintergründe für ihr Handeln und private Motivationen werden reichlich ausgespart und so kommt es, dass sich ein mitreißendes Figurenporträt erst gar nicht entwickeln kann. Das hitzige Gefecht zweier gleicher und auf Grund ihres Berufs (und Berufung) verschiedener Persönlichkeiten, wie es Michael Mann in „Heat“ bravourös mit Al Pacino und Robert DeNiro inszenierte, kommt in „Public Enemies“ nicht zum Tragen. Die Figuren bleiben viel zu blass (vor allem Bale ist eine Enttäuschung) und motivationslos, als dass sie Sympathie oder Abscheu beim Zuschauer provozieren könnten.
Durchaus gelungen sind die Actionszenen, in denen vor allem der Sound der Maschinengewehre eine atmosphärische Dichte erzeugt, wie man sie nur selten im Kino zu Hören bekommt. Die Projektile zerschneiden dabei geradezu die Luft, um im nächsten Moment mit basslastigem Schmettern eine Wand oder eine Fensterscheibe zu zerschlagen.
Eine besondere Magie erfährt der Film in den Momenten, die in Ruhe und in einer gewissen Andacht zu verharren scheinen. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn Dillinger unachtsam und geradezu arrogant inmitten des Publikums in einem Kino sitzt und genüsslich die Meldungen über seine Person auf der Leinwand verfolgt. Oder wenn er sich übermütig in das Chicagoer Polizeipräsidium begibt und in dem Büro, das seinen Fall betreut (und auch noch seinen Namen besitzt) auf die Ansammlung von Akten, Kartenmaterial und Fotos schaut und sich darin geradezu zu sonnen scheint.
Neben den beiden Hauptcharakteren gibt es einen dritten Hauptdarsteller, der allen anderen die Schau stiehlt: die Kamera. Unter konventionellen Gesichtspunkten sollte sie eine passende fiktive Atmosphäre schaffen, der Narration ihren Rahmen geben, aber trotzdem im Verborgenen, also unsichtbar bleiben. Dank Michael Manns Experimentierfreude mit den neuen digitalen Möglichkeiten (HD!), die sich schon in „Collateral“ und „Miami Vice“ niederschlug, wird die Kamera in diesem Film (unfreiwillig?) zum Hauptakteur und zieht in zu vielen Szenen die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich. Zu Beginn des Films macht dies durchaus noch Spaß, wenn sich der Zuschauer an einem ungewohnt feinkörnigen Bild satt sehen kann. Wohlgemerkt, wenn es in Ruhe verbleibt und dann eine Detailgenauigkeit an den Tag legt, die man sonst nur aus 70 mm-Filmen kannte. Wenn dann jedoch Bewegung ins Spiel kommt, und dies ist in einem Actionfilm keine Seltenheit, kommen die negativen Seiten des HD zum Vorschein. Das Bild verschwimmt, wird unscharf und zerfließt, wie man es von einer 08/15-Heimkamera kennt. Auch die Abstimmung zwischen verschiedenen Licht- bzw. Tageszeitensituationen gelingt nicht immer souverän. Während die HD-Kamera in kontraststarken Bildern oder nächtens kaum einen Unterschied zum Celluloidbild erkennen lässt, fällt unter Tageslicht oder künstlicher Beleuchtung in Innenräumen ihr erhebliches Manko auf. Dann wirken die Bilder billig und zwingen dem Film einen dokumentarischen Charakter auf, der die Fiktion nahezu zerstört. Eine wirkliche Identifikation mit den Figuren, geschweige ein Eindringen in ihre seelischen und persönlichen Zustände wird somit äußerst erschwert.