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Verbrechen lohnt sich nicht - und doch zieht es eine schier unglaubliche Faszination nach sich. Vor allem das Land der ungrenzten Möglichkeiten brachte so manchen dubiosen Knilch hervor, der mit seinen Verbrechen weltweites Aufsehen erlangt hat. Al Capone, Ted Bundy, Jesse James oder der Zodiac-Killer, sie alle haben es in auf die Leinwand geschafft - und das nicht nur einmal. Auch der Bankräuber John Dillinger stellt keine Ausnahme dar. Mit "Public Enemies" erweckt Regisseur Michael Mann seinen Mythos erneut zum Leben. Allerdings ohne ihm eine echte Seele einzuhauchen.

Trotz der üppigen Spielzeit von gut 140 Minuten macht Michael Mann nämlich keine Anstalten, uns mit der von Johnny Depp verkörperten Figur richtig vertraut zu machen. "Public Enemies" katapultiert uns direkt ins Jahr 1933, Dillinger ist gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Er hat den Ruf eines modernen Robin Hood, der zwar Banken im großen Stil ausräumt, das Geld der kleinen Anleger aber verschont. Zwischen seinen Brüchen genießt er das Leben in Saus und Braus. Woher dieser Dillinger aber kommt und wie er den Zugang ins kriminelle Milieu fand, diese Fragen bleiben, von einigen nebensächlichen Andeutungen abgesehen, leider unbeantwortet. Dabei hat Dillinger in seiner Biographie einige interessante Kerben hinterlassen. Die Anziehungskraft, die Dillinger in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise ausgeübt hat, ist so jedenfalls in keiner Phase des Films greifbar. Was mitunter auch ein "Verdienst" des Hauptdastellers ist, der sein routiniertestes Spiel aufbietet und dadurch ein äußerst eindimensionales Bild der Verbrecherikone zeichnet. Daran können auch die Depp'schen Versuche, seine Figur mit einer kleinen Prise "Jack Sparrow" aufzupeppen, nichts mehr drehen.

Die biographische Note vernachlässigt Michael Mann also zugunsten einer lupenreinen Gangster-Klamotte. Die ohne weitere Hintergründe allerdings jeglichen Nährwert vermissen lässt. "Public Enemies" hetzt espritlos durch die Chronik eines ereignisreichen Jahres: Edgar Hoover (Billy Cudrup) hat das närrische Treiben satt und plustert seine noch relativ junge und unorganisierte FBI-Behörde mit neuen technischen Raffinessen, weitreichenderen Befügnissen und einem Haufen harter Hunde auf. An deren Spitze steht ein ungewohnt schwacher Christian Bale, der in die Rolle des Ermittlers Purvis schlüpft und als Antagonist reichlich blass bleibt. Während Michael Manns Action-Thriller "Heat" und "Collateral" von der fabulösen Chemie seiner Gegenspieler (in Form von Al Pacino und Robert Deniro bzw. Tom Cruise und Jamie Foxx) zehrten, hinterlässt "Public Enemies" schauspielerisches Brachland. Nicht nur, weil das Drehbuch dem Duo Depp/Bale kaum gemeinsame Screen-Time gewährt. Zu allem Überfluss werden die hervorragend besetzten Nebenrollen in völlig uninspirierten Tommygun-Schlachten verheizt.

Die Spannung bleibt also kugelsicher im Banktresor versteckt, bereits nach einer halben Stunde nehmen das unruhige Herumrutschen im Kinosessel und die plötzlichen Gähnattacken ihren Lauf. Da kann auch der exzessive Gebrauch der Handkamera keine Rasanz mehr vorgaukeln. Ansonsten ist der Streifen ansprechend, allerdings auch wenig raffiniert in Szene gesetzt worden. Positive Erwähnung verdient allenfalls das nahezu poetische anmutende Finale. Etwas weniger Belanglosigkeit und eine ganze Schüppe mehr von solchen Szenen - und "Public Enemies" hätte zumindest ansatzweise die melancholische Klasse eines "Die Ermorderung Jesse James durch den Feigling Robert Ford" gehabt. So ist er ein austauschbarer Gangsterfilm geworden, der das triste Setting der krisenhaften Dreißiger Jahre nicht auszukosten weiß. Viel zu steril kommt die wirtschaftlich angeschlagene Windy City Chicago daher, von der gebeutelten Einwohnerschaft ist nichts zu sehen, stattdessen hängt Dillinger in schnieken Hochglanz-Clubs ab, in denen sich der Blaue Dunst anscheinend verdünnisiert hat. Hollywoods Anti-Raucher-Kampagne hin oder her: Nicht der einzige Punkt, in dem "Public Enemies" Authenzität vermissen lässt. (4/10)

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