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1933, die USA zur Zeit der Großen Depression: der spätere Gründer des FBI, J. Edgar Hoover, erklärt den flüchtigen Bankräuber und mutmaßlichen Mörder John Dillinger zum Staatsfeind Nummer Eins. Eine Spezialeinheit um den erbarmungslosen Melvin Purvis heftet sich an Dillingers Fersen und schränkt die Kreise seiner Gang mehr und mehr ein...
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Die Geschichte des John Dillinger ist eine jener großen amerikanischen Mythen, zu deren Entstehen nicht zuletzt auch das Kino seinen Teil beigetragen hat. Bereits 1945, elf Jahre nach seinem Tod, wurde das Schaffen des populären Gangsters zum ersten Mal verfilmt, damals mit Lawrence Tierney in der Hauptrolle. Auf den schlicht Dillinger betitelten Film folgten 1973 die gleichnamige Variante von John Milius und schließlich 1991, mit Mark Harmon in der Hauptrolle und unter der Regie von Rupert Wrainright, Dillinger - Staatsfeind Nummer 1. Nun nimmt sich dem kurzen, aber umso heftigeren Leben des John Dillinger Meisterregisseur Michael Mann an, der der bekannten Story als einer der gefeiertsten und besten Kreateure des Crime-Genres eigentlich gerecht werden sollte. Aber was kann Mann letztlich noch neues bieten, welche Facetten kann er noch aufdecken?
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Zunächst mal und vom Start weg ist es die Optik von Public Enemies, die Frische hereinbringt. Kein Epochenfilm wartete bisher mit einer solchen, durch den Einsatz von HD-Kameras erzeugten Bildschärfe auf, was angesichts des 30er Jahre Settings und der aus anderen Filmen gewohnten optischen Umsetzung dieser vergangenen Tage zu Anfang sicher befremdlich wirken kann. Betrachtet man es jedoch ganz und gar pragmatisch, so muss man sagen, das nunmal auch die reale Welt von 1933 nicht von Unschärfen getrübt war und Mann bedient sich damit eines Ansatzes, der komplett auf Realismus setzt. Die Gewöhnung daran erfolgt schnell, zumal Public Enemies perfekt und authentisch ausgestattet ist und trotz modernster Technik genügend Flair erzeugt.
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Dass der Einstieg in den Film dennoch eher misslungen ist, was sich tief bis in dessen Mitte hinein zieht, liegt an ganz anderen Dingen. Nachdem ein soeben gefangener John Dillinger und seine bereits länger inhaftierten Kumpanen aus dem Gefängnis, in das Dillinger gerade überführt werden soll, fliehen können, montiert Mann seine Kontrahenten parallel zueinander und einander entgegen. Dillinger überfällt eine Bank, Agent Melvin Purvis erschießt mit Pretty Boy Floyd einen Weggefährten des Gangsters, dieser lernt Billie Frechette kennen, Purvis wird von J. Edgar Hoover nach Chicago entsandt, um mit einer Spezialeinheit Dillinger endlich zu stellen. Bei all dem und einigem mehr an Exposition ist man dank Dante Spinottis teils furioser Handkameraführung zwar geradezu unmittelbar im Geschehen dabei, aber einfach doch zu sehr als bloßer, teilnahmsloser Beobachter. Denn fesseln können Film und Charaktere hier noch nicht.
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Dazu kommt eine gewaltige erzählerische Holprigkeit. Die Inszenierung von Liebesgeschichten gehört im allgemeinen nicht zu Michael Manns Paradedisziplinen, zu wenig differnziert geraten dazu meistens die weiblichen Protagonisten und zu wenig investiert Mann in ihre Gefühle und Gründe für die Bindung zu den harten Kerlen. Public Enemies krönt diese narrative Schwäche, denn  zwischen Dillinger und Frechette funktioniert es nicht. Dabei mangelt es Johnny Depp und der französischen Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard nicht etwa an Chemie, sondern ihren Figuren an Sinn. Depp spielt seinen Dillinger lange Zeit nicht als Person, nicht als lebendigen Mensch, sondern vielmehr als eine einzige, zudem ziemlich platte Attitüde. Mit selbstbewusster Arroganz, aber ungewohnt wenig Charisma und Ausstrahlung geht er zu Werke und mit seinem offenen Bekenntnis, der meistgesuchte Mann des ganzen Landes zu sein, hätte er wohl auch nicht jede Frau innerhalb weniger Sätze rumgekriegt. Doch Cotillards Frechette entscheidet sich nach sehr kurzem Zögern für eine Liason mit dem gewieften Bankräuber und Michael Mann weiß diesem Handlungsstrang so gar nichts anderes abzugewinnen, als ihn bloß seiner historischen Notwendigkeit halber passieren zu lassen. Zu Ausleuchtung Dillingers verwendet er ihn ganz sicher nicht, der seiner Angebeteten allzu oft mit hohlen Machophrasen begegnet, während Cotillard vor lauter Anbetung die Augen immer weiter aus den Höhlen treten.
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Nicht besser, betreffs der Zeichnung ihrer Charaktere, ergeht es der Vielzahl an Nebenfiguren. Beinahe bis in die kleinste Rolle namhaft besetzt, bietet Public Enemies hier niemanden von Interesse, einzig dem von Billy Crudup stark gespielten J. Edgar Hoover  gönnt er Profil, Dillingers Bande allerdings verschwimmt zur gesichtslosen Masse. Wer da wann erschossen wird und wer genau überhaupt wen gespielt hat, das dürfte nach dem Film kaum jemand beantworten können. Mit Christian Bales Spezialeinheit sieht es nicht anders aus, Bale selbst spielt seinen Melvin Purvis stoisch und zielgerichtet, keine Sekunde ist er in privater Haltung zu sehen. Somit wird auch in seinem Fall nichts wirklich ausgedeutet, aber immerhin schafft Bale es, dem pflichtversessenen Purvis hinter seiner Fassade doch ein paar Brüche zu verleihen. Dies gelingt dem Waliser in jenen Momenten, wenn er mit dem eigenen Morden oder dem Tod von Kollegen konfrontiert wird. Für Sekundenbruchteile lässt Bale Zweifel, Überdruss und Ausgebranntheit hinter Purvis aufblitzen, der übrigens nach Abschluss des Falls Dillinger seinen Dienst quittierte und sich 1960 umbrachte.
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Was im Zuge der Optik und Akkustik des Films von Beginn an stimmt sind die Actionsequenzen. Die Maschinengewehre rattern, der Gewaltgrad ist nicht unbedingt gering. Eine völlig enthemmte Ballerszene ist es dann auch, die das leicht schlingernde Ruder von Public Enemies endlich in feste Hände legt. Dillingers Bande flüchtet im Verlauf der Story in eine abgelegene Hüttenanlage in den Wäldern, doch durch einen Verrat ist ihnen Purvis mit seinen Männern auf der Spur. Was dann bei Nacht losbricht ist in seiner brachialen Direktheit einer der besten Actionmomente des gesamten Filmjahres und der beste Shoot Out seit langer Zeit. Man ertappt sich selbst bei dem Reflex, hinter dem Kinositz in Deckung springen zu wollen, derart hautnah ist diese überragende Sequenz eingefangen. Für den gesamten Film markiert sie eine Art Weckruf, denn hiernach zieht Public Enemies in allen Bereichen an, die Gesamtsituation wird für Dillinger endlich spürbar gefährlich und angespannt, die Methoden der Staatsbeamten steigern sich in eine verachtenswerte Radikalität und einzig der besonnen/überdrüssige Purvis scheint im Kampf gegen Dillinger die Nerven zu behalten. Nun endlich, nach viel zu langem Leerlauf, erreicht der Film ein solches Maß an Nachdruck und Stärke, dass man ihm völlig verfällt. Seine Schwächen gänzlich vergessen machen kann er beileibe nicht, dafür entschädigt Public Enemies immerhin nun vollends und nahezu uneingeschränkt mit dem virtuos-ästhetischen Können seines Regisseurs. Auch Johnny Depp beginnt in seiner Rolle endlich zu atmen und setzt mit Dilligers hochnäsigem Ausflug in die verlassene Zentrale seiner Gegner einen brillianten Moment.
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Public Enemies braucht lange, beinahe zu lange, bis er seine Vorzüge voll zur Entfaltung bringt. Über weite Strecken stehen die recht ungenügend plausibel gemachten Figuren und der daraus resultierend eindimensionale Handlungsablauf dem Film im Weg, ehe er sich immerhin zu einer mächtigen audiovisuellen Wucht steigern kann. So etwas wie epische Weite erreicht die Geschichte aber nie, statt durchgehender fiebriger Hitze verbreitet das Geschehen zu oft nur leicht erhöhte Temperatur. Trotz der Top-Besetzung fehlt es auch an einer beherrschenden Präsenz, für die Depp und Bale normalerweise nicht mal die Hände aus den Taschen nehmen müssen, doch hier kann weder einer der beiden für sich uneingeschränkt glänzen, noch können sie einander in den wenigen gemeinsamen Szenen entscheidend pushen. Am Ende ist Public Enemies vor allem ein sehenswerter, bei allen Mängeln auch immer noch guter Film; ein wirkliches Erlebnis, eine unverzichtbare Erfahrung ist er jedoch viel zu selten.

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