Fast zwei Jahre dauerte es ehe "City by the Sea" nach dem er an den US Kinokassen mehr oder weniger böse gefloppt ist, den Weg zu uns fand. Das es dabei nur zu einer direkten Auswertung auf Video bzw. DVD gereicht hat, ist um so trauriger, wenn man bedenkt, das Robert de Niro hier eine der überzeugensten und besten schauspielerischen Leistungen seit Langem abliefert. Unterstütz wird er dabei von hervorragenden Darstellern und einer bewegenden wenn auch nicht ganz Klischee freien Story.
Der Film beginnt mit einem Rückblick, zeigt Bilder aus den 50er Jahren, als sich der New Yorker "Stadtteil" Long Island in seiner Blütezeit befand und geliebtes und oft besuchtes Ziel der New Yorker war. "The city by the sea", die Stadt am Meer, war Anziehungspunkt für Vergnügungssüchtige und angesehene Menschen, die Häuser schossen aus dem Boden und die Zukunft sah rosig aus. Heute, 50 Jahre später ist vom Glanz der vergangenen Zeiten nichts geblieben. Long Island ist dem Verfall preisgegeben, die Häuser stehen leer und die Menschen die noch dort leben sind zumeist am unteren Ende der Leiter angekommen. So auch Joey (James Franco). Er ist drogensüchtig und lebt in einem zerfallenen Casino an der Strandpromenade. Als er im Rausch in Notwehr einen Dealer tötet ändert sich alles. Nicht nur ist er auf der Flucht vor den Cops, nein, auch der Dealerkollege des Ermordeten ist auf der Jagd nach ihm.
Zeitgleich ist der New Yorker Cop Vincent LaMarca auf der Suche nach dem Mörder. Die Leiche wurde in seinem Bezirk angespült und schon bald führen ihn die ersten Spuren nach Long Island.
Der Zuschauer erfährt schon bald, das sich hier mehr als nur ein Thriller hinter der Story verbirgt, ist Joey doch der Sohn von Vincent, der sich von seiner Ex-Frau und seinem Sohn losgesagt hat und zu beiden seit 15 Jahren keinen Kontakt mehr hat. Ehe auch Vincent erfährt das es sein Sohn ist den er jagt vergeht noch einige Zeit, und wenn er es dann erfährt steht sein Sohn im Verdacht auch noch Vincents besten Freund und Kollegen ermordet zu haben.
Der Film bezieht seine Stärke nicht aus dieser Krimihandlung, denn die dient letztlich nur dazu ein erstklassig gespieltes Familiendrama zu steuern. Vincent wird von De Niro als entwurzelter und desillusionierter Cop gezeigt, der sich aus Angst vor Verantwortung und aus Feigheit von seiner Frau trennte, dabei auch gegen seine Frau handgreiflich wurde. Doch diese Dinge liegen für ihn in der Vergangenheit, ebenso wie die an seinem Vater verhängte Todesstrafe als er selber erst 8 Jahre alt war. Für sich hat er diese Dinge nie verarbeitet, sie immer nur verdrängt, so hat er auch seiner Freundin Michelle (Frances McDormand) nie etwas von seinem Sohn oder seiner eigenen Vergangenheit erzählt. Umso mehr ist der innere Konflikt das eigentliche Thema des Films. Und hier hat De Niro einmal mehr die Chance zu zeigen das er einfach immer noch einer der besten Schauspieler ist. Da riechen oft schon kurze Blicke in die Augen oder ein Blick in das gezeichnete Gesicht, um mehr über die Figur zu wissen als man es mit Dialogen erreichen könnte.
Die Spannung bezieht der Film somit auch nicht aus der Auflösung der Kriminalstory, denn deren Hintergründe sind dem Zuschauer von Regisseur Michael Caton-Jones bereits frühzeitig preisgegeben worden. Die Spannung bezieht er aus der Beziehung zwischen Joey und seinem Vater, den kurzen Szenen zwischen ihnen wenn sie sich beide beschnuppern, aber doch zu sehr durch ihr eigenes Leben gekennzeichnet sind um sich zu vertrauen. Diese Szenen sind enorm stark und zeigen auch das Jungschauspieler James Franco bedeutend mehr kann als er in Spiderman als Harry Osborn zeigen konnte.
Ein wenig aufgesetzt und übertrieben wirkt hingegen die Nebenhandlung mit Joeys Freundin (Eliza Dushku), die ihr gemeinsames Kind mit Joey bei Vincent ablädt und sich dann aus dem Staub macht. Das wirkt einfach zu aufdringlich, soll wohl zusätzlich noch die Rollen der Hauptfiguren festigen, wobei diese das absolut nicht nötig haben.
Der Film strebt konsequent auf sein Finale zu, das von Michael Caton-Jones ein wenig zu sehr auf Action ausgelegt wurde und eher deplaziert wirkt. Die Leistungen der Schauspieler, und zwar aller Schauspieler, wird dadurch aber nicht geschmälert, denn sie sind es die den Reiz an diesem Film ausmachen. So bleibt das Ende, neben dem überflüssigen Nebenplot dann auch das einzige was man dem Drehbuch und dem Film ankreiden kann. Die Charaktere sind zu jeder Zeit glaubwürdig dargestellt und wirken nicht platt oder oberflächlich. Auch wurde es geschickt vermieden den Film in Richtung Kitsch abdriften zu lassen.
"Ciyt by the Sea" ist ein tolles voll und ganz auf seine großartigen Darsteller ausgerichtetes Drama, das durch eine manchmal etwas zu sehr in den Vordergrund gestellte Krimihandlung mehr behindert wird, als das diese den Film voranbringt. Robert De Niro spielt nach mäßigen Auftritten in "Showtime", "15 Minuten" und "men of Honor" endlich wieder auf gewohnt hohem Niveau und ist ganz eindeutig das Highlight des Films. Er dominiert jede Szene, drängt sich aber nicht auf und lässt auch den fantastischen Nebendarstellern genug Raum zum Leben. Als De Niro Fan kommt man wohl eh nicht an diesem Film vorbei, aber auch als Fan von kitschfreien Familiendramen und Freund von anspruchsvollen Kriminalstorys kann man hier ruhig einen Blick riskieren. 7 von 10 Punkten.