Review
von Cineast18
Für das Horror-Genre waren die 70er-Jahre ein enorm einflussreiches und wichtiges Jahrzehnt. Neben Terrorfilmen wie „The Texas chainsaw massacre" und Teenie-Slashern à la „Halloween" und „Freitag, der 13." entwickelte sich auch das Subgenre des Rape-and-Revenge-Films. Frühe Vertreter waren hier Wes Cravens „The last house on the left" und Meir Zarchis ungleich gewalttätigerer „I spit on your grave". In Deutschland bis heute indiziert, gilt er unter Genre-Fans längst als legendärer Kultfilm - auch wenn man ihn und die gesamte Konzeption dieses Subgenres durchaus kritisch sehen kann.
Oberflächlich betrachtet fügt sich „I spit on your grave" folgerichtig in die Exploitation-Strömungen der 70er ein: Eine junge Frau wird auf brutalste Art von vier Männern vergewaltigt, kommt aber mit dem Leben davon und rächt sich auf nicht minder grausame Weise an ihren Peinigern. Grobkörnig in Handlungsablauf und Figurenzeichnung, lässt sich das durchaus als trashiger Beitrag zum Aufkeimen des Feminismus deuten.
Wenn da nicht die allzu offensichtliche Sensationsgier der - männlichen - Filmemacher wäre. Nicht nur, dass die unerträglich sadistische (und in ihrer Schlichtheit ziemlich überzeugende) Vergewaltigungsszene einfach kein Ende nehmen will - über gut und gerne 25 Minuten zieht sich das Spielchen der Verbrecher mit ihrem weinenden, gequälten Opfer. Dass Hauptdarstellerin Camille Keaton diese ganze Zeit über nackt sein muss, ist der inneren Logik der Szene geschuldet, wird aber auch immer wieder voyeuristisch ausgeschlachtet (nicht zu vergessen, dass sie auch im weiteren Verlauf des Films größtenteils bekleidungsfrei aktiv ist). Unter dem Deckmantel feministischer Rachegelüste wird sich hier an primitivsten Triebbefriedigungen erprobt. Neben viel nackter Haut zählen dazu auch die blutrünstigen Exzesse im Schlussteil des Films, die aus heutiger Sicht mit eher bescheidenen Effekten daher kommen, in ihrer Simplizität und Direktheit aber immer noch krass und schockierend wirken.
Auf der anderen Seite muss man zugeben, dass die allermeisten Slasherfilme einen solchen Voyeurismus an den Tag legen - das ist ja quasi ein Kernelement dieses Genres. „I spit on your grave" geht einfach nur ein paar Schritte weiter, indem er keinen mystisch angehauchten Serienkiller zeigt, sondern einen einfachen Menschen direkt aus dem Leben, der durch die Ereignisse in sein grausames Handeln hinein getrieben wird. In gewisser Weise kann man also Regisseur und Drehbuchautor Meir Zarchi den Mut zu künstlerischer Radikalität zugestehen, wenn auch auf emotional sehr niedrigem Niveau.
Auch formal schwankt der Film irgendwo zwischen billigem Trash und gekonnter Schock-Inszenierung. Der fast vollständige Verzicht auf einen Soundtrack, die grobkörnigen, von überaus simplen Kameraeinstellungen eingefangenen Bilder und die spärlichen Kulissen lassen zwar das sehr begrenzte Budget erkennen, tragen aber durchaus zur realistisch-bedrückenden Atmosphäre bei. Hier wurde aus einer Not eine Tugend gemacht. Dass von den Darstellern keine große Schauspielkunst verlangt wird und die deutsche Synchronisation eher mittelmäßig funktioniert - geschenkt.
Alles in allem ist „I spit on your grave" ein enorm zwiespältiger Film (wie auch das ganze Rape-and-Revenge-Genre, das immer wieder einfache Moral mit ausgestelltem Voyeurismus verbindet). Handwerklich und inhaltlich eher auf tieferem Trash-Niveau angesiedelt, erzeugt er doch einen lang nachwirkenden, tief schockierenden Effekt. Das mag dem Bildungsbürgertum reichen, um die Vorwürfe der Gewaltverherrlichung zu legitimieren (und ja, auch wenn sie sich rächen darf, steht die Gewalt gegen die zierliche Frau doch klar im Mittelpunkt des Films). Aber aus filmhistorischer und subkultureller Sicht hat man hier doch einen bemerkenswerten Beitrag vor sich, der eines auf jeden Fall schafft: Er regt nachhaltig zu Diskussionen an. Und das kann wohl immer als Pluspunkt gewertet werden.