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Manchmal bedarf es ganz bestimmter Umstände, welche sich aus heutiger Sicht als absolut unbegründet herausstellen, dass ein Film an den Kinokassen floppt und eventuell auch das Karriereende eines Regisseurs bezeichnet. Sei es der falsche Zeitpunkt, in dem der Film in den Kinos anlief, ein zu heikles Thema oder doch ganz andere Ursachen. Meist werden solche Filme erst Jahre oder gar Jahrzehnte später wieder entdeckt und dann dementsprechend gewürdigt.

Michael Ciminos im Jahre 1980 sensationell gefloppter Western „Heaven’s Gate“ ist so ein Fall. Bei einem Einspielergebnis von knapp 4 Mio. $ bei Kosten von damals utopischen 44 Mio. $ bezeichnete dies ein vorschnelles Aus für die so viel versprechende Karriere Ciminos. Durch das mit fünf Oscars ausgezeichnete Kriegsdrama „The Deer Hunter“ ließ ihn United Artists mit seinem nächsten Film weitestgehend freie Hand, wodurch es im Laufe der Dreharbeiten zunehmend zu Komplikationen kam: Das Budget wurde überschritten und es kam ständig zu Verzögerungen, an denen Cimino durch seinen fanatischen Perfektionismus maßgeblich beitrug. Ständig wurden Kulissen eingerissen und wieder neu aufgebaut, nur um exakt seinen Vorstellungen zu entsprechen. Das vorher veranschlagte Budget von rund 20 Mio. $ verdoppelte sich während der Dreharbeiten.
Als er den Film schließlich fertig stellte, betrug die Laufzeit knappe fünf Stunden, weshalb ihn das Studio beauftragte, den Film auf eine markttaugliche Länge zusammenzukürzen. Letztendlich lief der Film dann mit drei Stunden und vierzig Minuten in den Kinos und wurde von den Kritikern gnadenlos zerrissen. Auch das Publikum konnte mit Ciminos Machwerk nicht allzu viel anfangen und ließ den Film auch an den Kinokassen erbarmungslos durchfallen…

Nach „Heaven’s Gate“ war der Western tot. Und auch die Filmstudios erlaubten den Regisseuren bei ihren Filmen keine freie Hand mehr.

Aus heutiger Sicht eine fast unverständliche Reaktion auf ein mehr als ambitioniertes Meisterwerk, welches zwar durchaus nicht leicht zugänglich ist, aber dennoch eine undefinierbare Sogwirkung und Faszination ausübt; und trotz, oder gerade wegen der hohen Laufzeit rundweg episch daherkommt.
Cimino beleuchtet in seinem Western - oder sollte man eher Gangsterfilm sagen? – ein dunkles Kapitel in der Geschichte Amerikas. Im Jahre 1890 versuchen mächtige Viehzüchter in dem US-Bundesstaat Wyoming Einwanderer aus Osteuropa zu vertreiben. Einer von ihnen ist Nathan Champion (Christopher Walken). Auf der anderen Seite kämpft Marschall James Averill (Kris Kristofferson) für die Rechte der Einwanderer. Ein Krieg steht kurz bevor.

Durchaus kann man darüber streiten, ob man es Cimino negativ anrechnen sollte, dass er die geschichtlichen Hintergründe teils absolut unaufrichtig darstellt. Doch sollte man ebenfalls inserieren, dass es wohl nie seine Intention war, eine Schulstunde in Geschichte zu geben, sondern vielmehr das aktuelle politische Klima während der Carter/Reagan-Ära zu explizieren…

Ähnlich wie heutzutage ein Terrence Malick („Der Schmale Grat“), so setzte schon Cimino überwiegend Geltung auf Bilder, als auf übliche narrative Mittel wie Dialoge, welche in „Heaven’s Gate“ äußerst rar gesät sind. Dominierend sind wunderschöne Landschaftsaufnahmen und bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Kulissen, bei denen sich Cimino auch nicht zu schade war, diese aus allen erdenklichen Winkeln auf Zelluloid zu bannen. Die sich daraus ergebende stilvolle Atmosphäre wird dann immer wieder von abrupt lancierten Gewaltszenen alterniert, welche so urplötzlich wie ein Donnerschlag kommen und eine vergleichbare Wirkung auf den Zuschauer besitzen. Der amerikanische Traum – der Mythos - welcher in den unzähligen Western zuvor aufgebaut wurde, der Traum der unendlichen Landschaft, der Hoffnung für die Einwanderer auf eine Zukunft in einem Land, welches durch seine feste Demokratie Sicherheit verspricht, wird schlagartig zerstört. Der Mythos vertilgt. Vielleicht nicht so leicht verdaulich für den Amerikaner.

Doch bei all der Bildgewalt vernachlässigt Cimino zwei Dinge in seinem Film: Stringenz und Charakterentwicklung. Durch seinen Fokus auf möglichst perfekte Szenenanordnungen wirken viele Dialoge recht eingeengt zwischen all der Opulenz und charakterlichen Tiefgang sucht man vergebens. Auch trampelt der Film oftmals auf der Stelle und wirkt, als ob er inhaltlich nicht viel zu erzählen hätte. Die Frage ist nur: Inwieweit benötigt der Film diese Aspekte überhaupt? Denn Tatsache ist, dass der Film trotzdem hervorragend funktioniert und seine Wirkung über die komplette Laufzeit entfaltet.
Doch zunehmend werden die pompösen Landschaftsaufnahmen weniger. Cimono zeigt Staub, Blut, Krieg… Die so optimistische Grundstimmung wechselt zu einer von Defätismus geprägten Sicht auf die amerikanische Geschichte. Dass solch ein Film nicht den Geschmack des breiten Publikums trifft – vor allem damals – verwundert heutzutage nicht mehr wirklich. Streifen wie ein „Gangs of New York“ werden heutzutage in ihrer politischen Boshaftigkeit weitaus weniger kritisch hinterfragt.

Cimino war seiner Zeit voraus. Auch heute noch dürfte „Heaven’s Gate“ für Begeisterung sorgen, aber sicherlich nicht den Gout des Mainstreams befriedigen. Dafür ist sein Film zu bitter. Als Filmfreund sollte man ihn jedoch mindestens einmal gesehen haben. Nicht nur, weil er zukünftige Filme und überhaupt die gesamte Firmenpolitik der Filmstudios grundlegend beeinflusste, sondern auch, weil er es einfach wert ist.

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