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Minutenlanges Schweigen. Stillleben in sterilen Kunstausstellungsräumen, die den Film reflektieren, in dem sie vorkommen. Ellipsen und Wiederholungen. Antiaktionismus und absolute Zielfreiheit. Gönnt sich Jim Jarmusch in seinem Spätwerk nun endlich auch den Luxus der Autelie und der bequemen Selbstreferentialität, wie so viele vor ihm auch?

Dass die Werke der Autorenfilmerlegende Ruhe ausstrahlen, ist keine Neuigkeit, sondern einfach permanenter Bestandteil des Jarmusch-Paradigmas. Neu ist der Vorwurf, die Ruhe werde bis zur Selbstzweckhaftigkeit ausgeschlachtet. Dabei greift es wesentlich zu kurz, "The Limits Of Control" als bloße Überspannung des Prinzips der Ruhe zu betrachten; keineswegs ist der auf die Spitze getriebene Stillstand sein wesentliches Merkmal. Ertrank nicht "Broken Flowers" schon im Close Up auf Bill Murrays geschichtenreiches Gesicht, kostete nicht er schon das lidlose Auge der Kamera bis aufs Äußerste aus? Doch "Broken Flowers" hatte einen Weg, ein Ziel und zahlreiche Durchgangsstationen; "The Limits of Control" hat nichts davon. Anfangs täuscht er ein Ziel vor, den Auftrag eines Mannes nämlich, der in der Eröffnungsszene instruiert wird. Nur spielt dieser Auftrag schließlich keine Rolle mehr und der zum Hauptdarsteller avancierte hauptberufliche Nebendarsteller Isaach de Bankolé steht alleine da, verbunden mit der Welt und dem Zuschauer bloß durch ein paar Streichholzschachteln, in denen Anweisungen stecken, und Beobachtungen von der Welt. Oder von ihren Mustern vielmehr, die sich auffallend wiederholen.

Jarmusch spielt neuerdings noch lieber als bisher mit Querbezügen und schicksalhaften Vorfällen. Eine Nackte lässt er einen durchsichtigen Regenmantel tragen, der sich später in einem durchsichtigen Regenschirm reflektiert; zwei Tassen Espresso bestellt der Fremde, nicht einen doppelten, nein zwei einzelne Tassen, die ihr Antlitz im jeweils anderen wiederentdecken. Sie ergänzen sich, bilden Anfang und Ende eines Ganzen. Jede Kontaktperson des Beauftragten fragt ihn, ob er Spanisch spricht; jede auch hält einen kurzen Monolog über einen Teilbereich aus der Kunst – sei es die Musik, der Film, die Malerei. Indes die Städte wechseln, ändern die Menschen sich nicht: überall die gleichen Fragen, die gleichen Verhaltensweisen. Erkennt der Kellner seinen Gast beim x-ten Besuch dann mal und kommt gar nicht mehr an den Tisch, sondern formt lächelnd die Hand zu einer "2", um in der Küche zu verschwinden und zwei Tassen Espresso zu bestellen, so ist das schon die höchste aller Entwicklungen. Stets flattern Hubschrauber am Himmel, mag sich der Boden unter ihnen auch vollständig geändert haben. Und Züge verbinden endgültig alles miteinander.

Möchte man einen Anschluss finden im Schaffen des Regisseurs, so sollte man "Broken Flowers", "Ghost Dog" und "Dead Man" großzügig überspringen und an "Night On Earth" (beziehungsweise dessen verspielte Replika "Coffee And Cigarettes") anknüpfen. Was in "The Limits Of Control" die Züge leisten, leisteten bei "Night On Earth" die Taxifahrer: sie ziehen die Grenzen der Welt zusammen. All die Komplexität, die sich in der Dynamik des täglichen Treibens auf der Erde offenbart, wird auf das Grundsätzliche heruntergebrochen: die Ellipse. Tag, Nacht, Verkehrsnetze, menschliche Begegnungen, alles wiederholt sich und läuft darauf hinaus, seinen Sinn zu verlieren. Hier wirkt auch der Soundtrack hervorragend auf die Stillleben ein: Einmal mehr gelingt Jarmusch auf diesem Gebiet ein gekonnter Griff, als er mit den japanischen Drone- und Noise-Virtuosen Boris ein musikalisches Feld betritt, das in seiner geerdeten Urwüchsigkeit und Reduziertheit die engen Grenzen von Jarmuschs Welt kaum besser hätte darstellen können.

Während "Night On Earth" allerdings, um jegliches Vergleichsobjekt endgültig zu eliminieren, innerhalb der episodischen Verknüpfung kleine Geschichten zu erzählen wusste, die allesamt auf ihre Art Empathie erzeugten, wird mit dem Auftragskiller ein Protagonist geboten, der sich dem Zuschauer traditionell entzieht. Keine emotionalen Gesten, keine identifikationsförderlichen Anknüpfpunkte – "The Limits Of Control" unterstellt dem Leben eine gewisse Leere, die sich allenfalls mit dem füllt, was der Einzelne daraus zu machen glaubt, ohne dass das Leben dabei jedoch Werte in sich trägt, die übergeordnet existieren können. Und letztlich folgt daraus: Was im Detail noch so kontrolliert und zielgerichtet scheint, wird dem Willen des Einzelnen entzogen, sobald man das Ganze betrachtet.

Diesem intrinsisch motivierten, ja fast schon autodidaktischen Gedankenspiel, das der Film ist, kann man gar eine vorsätzliche Missachtung dessen vorwerfen, was das Publikum, selbst Jarmuschs Publikum, sehen will. Etwas derart Selbstbezogenes und Egoistisches lieb zu gewinnen, erfordert verdammt viel Geduld, etwas guten Willen und vielleicht sogar ein gewisses Maß an Selbstaufgabe. Mit der Entschlüsselung der Intentionen, die Jarmusch im Skript und beim Dreh verfolgte, ist es nicht getan - am Ende muss man das Portrait vor allem mögen. Wo zugleich Sinn, Dynamik und Emotionalität fehlen, wird einem das schwer gemacht; wo der Verdacht besteht, dass der Schaffende im Grunde nur sich selbst bedient, nahezu unmöglich. Aber zum Glück besteht ein Film nicht nur aus Produktion, sondern auch aus Rezeption: Jarmuschs Unabhängigkeit schließt nicht aus, dass so mancher – und sei es nur die Gruppe von Nerds, Hardcoretypen und Andersdenkenden – einen Zugang finden wird. Warum sonst fühlt sich der Stellplatz für die DVD von "The Limits Of Control" so notwendig an, während all die flachen Blockbuster da draußen gefühlt viel weniger Berechtigung haben, im Filmregal zu stehen? Bestimmt nicht, um Herrn Jarmusch einen Gefallen zu tun…

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