„Kannst du nicht aufhören, zu töten?“ – „Ich könnte.“ – „Dann tu es bitte.“
Der US-Amerikaner Irvin S. Yeaworth Jr. war schon ein Unikum – eigentlich war er ein Pastor, der christliche Lehrfilme drehte. Doch anstatt Science-Fiction- und Horror-Themen zu meiden wie der Teufel der Weihwasser, drehte er Ende der 1950er-Jahre für Produzent Jack H. Harris drei Low-Budget-Science-Fiction-Movies, von denen insbesondere einer, „Blob – Schrecken ohne Namen“, Kultstatus erlangte und meines Erachtens mit zum Besten gehört, was das Genre seinerzeit zu bieten hatte. Auf diesen folgte im Jahre 1959 der Film „Der 4D Mann“, ein Mad-Scientist-Science-Fiction-Thriller.
Atomphysiker Dr. Tony Nelson (James Congdon, „Der jüngste Tag“) experimentiert mit der Molekularstruktur von Gegenständen. Nachdem bei einem seiner Versuche sein Labor niederbrannte, wird er im Forschungsinstitut „Fairview“, in dem auch sein Bruder Scott (Robert Lansing, „In der Gewalt der Riesenameisen“) arbeitet und das an „Carsonit“, einem extrem dichten, harten Metall forscht, aufgenommen. Dort setzt er seine Versuche erfolgreich fort: Es gelingt ihm, eine Methode zu entwickeln, feste Materialien mit weicheren Stoffen zu durchdringen, ohne sie dabei zu beschädigen. Schnell erkennt er aber die Gefahr, die seine Entdeckung mit sich bringt, und bricht die Versuchsreihe ab. Frustriert davon, dass Tony mit seiner attraktiven Freundin und Assistentin Linda (Lee Meriwether, Catwoman in „Batman hält die Welt in Atem“!) anbändelt, beschäftigt er sich heimlich mit Tonys Experimenten und stellt fest, dass er mit Hilfe der Forschungsergebnisse und durch Kontakt mit dem atomaren Schmelzofen sich selbst in die Lage versetzen kann, durch feste Materie hindurchzugreifen und sie sogar physikalisch zu durchschreiten. Die sich ihm dadurch eröffnenden Möglichkeiten nutzt Scott intensiv, muss jedoch die bittere Erfahrung machen, dass sie derart große körperliche und mentale Anstrengungen erfordern, dass sein Alterungsprozess rapide voranschreitet. Die einzige Möglichkeit, sich zu regenerieren: Er muss die Lebensenergie anderer Menschen abzapfen…
Wie auch der „Blob“ wurde „Der 4D Mann“ für einen Film dieser Art ungewöhnlicherweise komplett in Farbe gedreht, womit man seinerzeit bereits die Aufmerksamkeit des Publikums für sich gewonnen haben dürfte. Lange Zeit verbringt man jedoch damit, die einzelnen Rollen genauestens zu charakterisieren, was prinzipiell nichts Schlechtes ist, hier jedoch in Form einer unheimlichen Fülle an teils redundanten, teils ermüdenden Dialoge geschieht. So vergeht viel – zu viel – Zeit, bis „Der 4D Mann“ an Fahrt gewinnt. Die Spezialeffekte sodann können sich mehr als nur sehen lassen, sie wurden auf faszinierende Weise und technisch sauber umgesetzt, womit sie das Herzstück des Films darstellen. Doch auch die eigentliche Handlung hat weitaus mehr zu bieten als Füll- und Streckwerk. Es ist die Geschichte eines ungleichen Bruderpaars, die nach anfänglichem gegenseitigem Respekt geprägt ist von Konkurrenzkampf, Eifersucht und Neid – menschliche Eigenschaften, die im Zusammenhang mit der Macht über tödliche Technologien sich noch viel gefährlicher auswirken können, als sie es ohnehin schon sind. So ist folgerichtig ein weiterer Aspekt des Films die Verantwortung im Umgang mit dem technischen Fortschritt, die aus unterschiedlichen Perspektiven und nicht nur bezogen auf die „Vierdimensionalität“ beleuchtet wird. Die inhaltliche Stärke dieses Subplots entschädigt ein Stück weit für die schleppende, dramaturgisch ungeschickte Inszenierung.
Auch hat man es mit überdurchschnittlich talentierten Schauspielern zu tun, die dem naturgemäß tendenziell oftmals eher trashigen, pseudowissenschaftlichen Treiben Ernst und Glaubwürdigkeit entgegensetzen und mit ihrer verglichen mit anderen „B-Movies“ anspruchsvolleren Charakterisierung nicht überfordert sind. Mit seinen beengten Kulissen, die man an einer Hand abzählen kann, kann „Der 4D Mann“ seine Zugehörigkeit zum Billigspektrum des Genres jedoch nicht verleugnen; auch dann nicht, wenn sie knalligen Bonbonfarben präsentiert werden. Die modernistische Variation der altbekannten Vampir-Thematik aber weiß zu gefallen und wurde gleichberechtigt neben den technologischen Phantastereien angesiedelt. Ein wahrhaftig dramatisches Finale mit viel Tragik und einem beim Regisseur offensichtlich beliebten offenen Ende rundet den Film positiv ab und sollte zumindest die Freunde dieser Filme weitestgehend befriedigen. Fragwürdig vielleicht, in jedem Falle der Entfaltung einer düster-mystisch-atmosphärischen Stimmung nicht sonderlich zuträglich, jedoch recht kurios ist der beschwingte, jazzige Soundtrack, der mit seinem Pauken und Trompeten mitunter arg dominant ertönt.
Fazit: Ein sehenswerter Science-Fiction-Film der alten Schule mit einigen originellen und ungewöhnlichen Ideen, der einen gewissen Anspruch verfolgt und seine Stärken besonders im visuellen Bereich vorzuweisen hat, jedoch leider über weite Strecken recht behäbig inszeniert wurde und letztlich dann doch zwei Ligen unter dem „Blob“ spielt.