Review
von Leimbacher-Mario
Melodie der Gerechtigkeit
„Spiel Mir Das Lied Vom Tod“ ist eine dieser Legenden, die jeder mal gesehen haben muss. Am besten im Kino, wo er eine Wucht, einen Sog, eine Kraft entwickelt, die mit wenig in der Filmgeschichte zu vergleichen ist. Sergio Leone hat hier aus dem vollen geschöpft und die Amerikaner krachend in ihrer Paradedisziplin, auf eigenem Boden geschlagen. Er setzt mit diesem dreistündigen Mammutwerk dem wilden Westen ein letztes Denkmal, eigentlich den finalen Grabstein. Die Typen sind hart aber herzlich, lässiger als die Polizei erlaubt; die Melodien kennt jeder; die Bauten, Sets und Massenszenen sind beeindruckend, im CGI-Zeitalter mehr denn je. Und die Cardinale ist Heilige und Hure zugleich, eine echte Leinwandgöttin. „Once Upon A Time In The West“ ist überlebensgroß und einfach ein Meilenstein. Da gibt es kaum zwei Meinungen. Es ist immer alles Geschmacksache, aber dieses Gedicht aus Staub und Rache und Ehre steht über den Dingen und ist gegen jegliche Kritik erhaben. Da gibt es nur eine Handvoll Western die da mithalten können. Und das auch nur mit Mühe und Not. Vielleicht nicht die beste Wahl für einen Filmabend mit der Freundin, aber insgesamt ein formvollendetes Kunstwerk.
Leicht episodisch erzählt, geht es im Grunde um die Kernwerte des „Mythos wilder Westen“. Ein mysteriöser Mundharmonikerspieler trifft auf eine bildhübsche Neu-Witwe, ein Eisenbahntycoon und sein fieser Handlanger kommen einem gesuchten Verbrecher in die Quere. Alles verwoben mit Whisky, Spucke und Claudia Cardinale in einem Schaumbad. Voll gedehnter Zeit und mehr Stylepunkten als man zählen kann. Nicht nur Tarantino hat hier eifrig Notizen gemacht. Die Augen, die Angst, die womöglich letzten Momente. Entzauberung und Endstück, Beginn und Finale, Momentaufnahme und ewiges Gemälde. Außerdem ist der Morricone-Score ein heißer Anwärter auf den besten aller Zeiten und trotz etlicher Klischees und reichlich witzig überzogener Momente, verkommt das Slowmotion-Gedicht nie zu einer Satire oder wirkt veraltet. Er ist zeitlos und perfekt bis in die letzte Pore von Frau Cardinale. „Spiel Mir Das Lied Vom Tod“ hat alle Lorbeeren verdient und lässt die Zeit kurz still stehen. Es passiert nicht viel, es passiert nichts, was man nicht schon kennt, es passiert beileibe nicht alle paar Minuten etwas und es passiert oft gar nichts. Und dennoch passiert eigentlich alles, was in einem Western passieren kann. Gut und Böse verschwimmen, die Prärie flimmert, die Mundharmonika pfeift und die Cardinale badet. Männer machen große Augen, Filmbuffs erst recht. Nicht nur Henry Fondas liebster Western (der hier wunderbar gegen sein Image spielt und einen echten Drecksack mimt). Sondern auch meiner. Und wie cool ist Jason Robards hier bitte?! Egal ob Filmschule oder gemütliche Filmrunde mit Kumpels und Bier, egal ob Analyse oder Genuss: da geht nichts drüber, das ist ein Eckpfeiler! Untouchable.
Fazit: der epischste Western aller Zeiten? Ziemlich sicher ja. Vor allem auf der großen Leinwand ein unvergessliches Erlebnis. Sergio Leone hat mit diesem Brummer voller eruptiver Gewalt und unvergesslicher Augenblicke Bleibendes, Unsterbliches, Mächtiges geschaffen. Ein Epos sondergleichen, voller Staub, Blut und legendären Momenten. Ein Mythos in sich. Das dickste Fleischklöppschen auf dem Spaghetti-Western-Teller. Leone + Argento + Bertolucci = Hammer!