Review

M. Night Shyamalan ist ja inzwischen ein Markenzeichen für Mysteryfilme, doch sein erster großer Erfolg „The Sixth Sense“ blieb bisher unerreicht.
Man weiß zwar, dass es sich um einen Geisterfilm handelt, doch bereits der Beginn spielt geschickt mit den Erwartungen: Anna Crowe (Olivia Williams) geht in den Keller – doch es taucht kein Geist auf. Sie holt nur eine Flasche Wein, um mit ihren Ehemann, dem Kinderpsychologen Malcolm (Bruce Willis), dessen Auszeichnung für seine Arbeit zu feiern. Dann bemerken die beiden, dass ein Fenster im Schlafzimmer offen ist – doch wieder taucht kein Geist auf. Stattdessen ein verwirrter Mann (Donnie Wahlberg), der als Kind Malcolm Patient war. Weil Malcolm ihm nicht helfen konnte, schießt er ihm in den Bauch und begeht dann Selbstmord.
Im nächsten Herbst: Malcolm hat seitdem keinen Fall mehr angenommen und kann auch nicht mehr richtig mit seiner Frau reden. Doch dann sieht er eine Chance seinen alten Fehler quasi gutzumachen: Er will den jungen Cole Sear (Haley Joel Osment) behandeln, der unter ähnlichen Symptomen leidet wie der Patient, dem er nicht helfen konnte. Cole ist ein Außenseiter, der nur mit seiner Mutter Lynn (Toni Colette) zusammenlebt. Toni Colette durfte die alleinerziehende Mutter mit dem sonderbaren Einzelgängersohn noch in „About a Boy“ geben, der wiederum in einer Szene auf Haley Joel Osment anspielt.

Obwohl Cole den Psychologen erst abblockt, baut sich ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Jungen und dem Therapeuten auf. Schließlich fühlt sich Cole bereit Malcolm sein Geheimnis anzuvertrauen, doch was er erzählt, klingt unglaublich: Cole kann die Geister verstorbener Menschen sehen...
„The Sixth Sense“ war ein wirklich wegweisender Film im Mysterygenre und löste auch eine wahre Welle ähnlich gelagerter Produktionen aus. Ein Grund dafür ist sicherlich die Schlusspointe, die dem vorigen Filmgeschehen noch mal einen ganz anderen Touch gibt. Beim ersten Ansehen ist sie trotz diverser Hinweise nur schwer zu erraten und haut den Zuschauer auch wirklich vom Hocker. Doch Shyamalans Film macht auch bei mehrmaligem Sehen immer noch unheimliches Vergnügen.
Dies liegt an den zahlreichen Hinweisen, die Shyamalan den ganzen Film über auf die Schlusspointe gibt, vor allem durch die religiöse Symbolik und die Signalfarbe Rot. So kann auch bei häufigerem Sehen immer noch rätseln, wo man die Auflösung schon hätte kommen sehen und welche Hinweise es gibt. Dadurch bleibt „The Sixth Sense“ trotz der ruhigen, sehr gemächlichen Erzählweise immer spannend, egal wie oft man ihn sieht. Auch die Atmosphäre ist unheimlich dicht, während die paar Schockeffekte zwar nett sind, aber selbst beim ersten Ansehen nicht wirklich erschrecken.

Doch „The Sixth Sense“ funktioniert nicht nur als Spannungskino, sondern auch als kleines Drama. Bruce Willis spielt wie so häufig den Profi in seinem Job, der erst durch Eingeständnis der eigenen Schwäche siegen kann – auch wenn das hier mit weniger Krawall als in „Stirb langsam“, „Last Boy Scout“ usw. abläuft. Die Ehe kriselt natürlich auch, wie es sich für Bruce-Willis-Charaktere gehört, und erst als die beiden sich wirklich unterhalten können, wird das ganze Dilemma klar. Auch die kleine Sear-Familie kann für bewegende Momente sorgen, denn auch hier fehlt das klärende Gespräch zwischen Mutter und Sohn, das Cole erst führen kann, nachdem er seine eigenen Ängste überwunden hat.
Auch schauspielerisch ist „The Sixth Sense“ erste Sahne: Bruce Willis gibt hier eine seiner besten und nachdenklichsten Leistungen ab und Haley Joel Osment ist so beeindruckend, dass er danach als Wunderkind in Hollywood galt. Die restlichen Darsteller sind ebenfalls große Klasse, aber der Film gehört klar Willis und seinem kleinen Co-Star.

Schlussendlich ist „The Sixth Sense“ trotz der sehr gemächlichen Erzählweise stimmiges und atmosphärisch dichtes Mysterykino, das durch die Bildsprache und die Symbolik nie langweilig. Einer der wenigen Filme, die besser werden je öfter man sie sieht.

Details
Ähnliche Filme