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Während Türen in unserer Welt lediglich verschiedene Räume voneinander abgrenzen, führen sie im Fantasy-Genre oft in völlig neue, von fremden Wesen bevölkerte Welten, in denen ganz andere Gesetze gelten und selbst Magie möglich ist. Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia, Harry Potter und der Stein der Weisen, Pans Labyrinth, Stargate oder Clive Barkers Hellraiser sind nur einige von vielen denkbaren Beispielen. Regisseur Anno Saul geht mit der Verfilmung des Romans „Die Damalstür“ (2001) von Akif Pirinçci einen ganz anderen Weg und schickt seinen von Mads Mikkelsen verkörperten Protagonisten in eine Welt, die unserer bis ins Detail ähnelt. Trotz einiger Schwächen, vor allem zu Beginn und am Ende, ist Saul mit „Die Tür“ eine gelungene Romanadaption und ein wirklich bemerkenswerter Fantasyfilm geglückt.

Der Künstler David Andernach (Mads Mikkelsen) kann sich über mangelnden Erfolg nicht beklagen. Doch privat sieht es bei ihm alles andere als rosig aus. Von seiner Frau Maja (Jessica Schwarz) hat sich der Maler schon lange entfremdet, inzwischen pflegt er ein Verhältnis zur Nachbarin Gia (Heike Makatsch). Als seine kleine Tochter im Pool des Hauses ertrinkt, während er gerade seiner Affäre einen Besuch abstattet, bricht die Familie Andernach vollends auseinander. Jahre später ist David nur noch ein Wrack, das sich - von Schuldgefühlen geplagt - nach dem Tod sehnt. Maja hat ihm seine Tat nicht verziehen und lebt mittlerweile mit einem anderen Mann zusammen. Doch als David in einer kalten Winternacht, von Selbstmordgedanken getrieben, in der Nähe seines alten Hauses im Gestrüpp einen Gang entdeckt, an dessen Ende sich eine Tür befindet, erhält er eine unerwartete zweite Chance…

Klassische Fantasy zieht ihren Reiz in der Regel daraus, dem Leser beziehungsweise dem Zuschauer eine gänzlich andere Welt vorzuführen. J. R. R. Tolkien hat mit Der Herr der Ringe vorgemacht, wie kunstvoll sich ein völlig eigenständiges Universum, dessen kulturelle und gesellschaftliche Werte sich von den unseren radikal unterscheiden, gestalten lässt. Dieses Prinzip der „andere Welt“ leidet allerdings inzwischen unter erheblichen Verschleißerscheinungen, orientieren sich die modernen Fantasy-Autoren doch oftmals zu sehr an den von Tolkien vorgegebenen Grundprinzipien. Umso schöner, dass Akif Pirinçci, in dessen Debütroman „Felidae“ eine Katze zum Detektiv wurde, mit „Die Damalstür“ das Tor zu einer Welt abseits der üblichen Genrekonventionen aufstößt.

Der Bonner Filmemacher und Drehbuchautor Anno Saul, der mit den Komödien Kebab Connection und Wo ist Fred? eine breitere Öffentlichkeit erreichte, ist nicht der erste, der einem als Idealbesetzung für den Regisstuhl der Verfilmung von Pirinçcis düsterem Roman in den Sinn kommt. Dennoch macht Saul seine Sache zu großen Teilen gut. Lediglich am Anfang setzt er zu sehr auf das ausdrucksstarke Gesicht seines Hauptdarstellers, das er immer wieder in der Totalen für sich stehen lässt. Diese Inszenierung des gebeutelten Vaters, der sein Kind verloren hat, ist nicht frei von Klischees. Doch spätestens wenn David durch die Tür in ein paralleles Universum eintritt und die Geschichte Fahrt aufnimmt, erweist sich Saul als solider Handwerker, der es versteht, die diffuse Befremdlichkeit der allzu ähnlichen Paralleldimension zu erfassen und die Stimmung der abgründigen Vorlage in adäquate Bilder zu übersetzen.

Schauspielerisch bewegt sich „Die Tür“ auf gutem bis sehr gutem Niveau. Mads Mikkelsen (Tage des Zorns, Adams Äpfel) zeigt, dass er zu jenen ausdrucksfähigen europäischen Darstellern zählt, die wirklich jeder Rolle etwas ganz eigenes geben. Die erste halbe Stunde verlässt Mikkelsen sich zwar noch zu sehr auf sein ausgeprägtes Können, einen gebrochenen Charakter darzustellen, doch im weiteren Verlauf gewinnt seine zunehmend komplexer werdende Figur immer mehr Facetten. Während er versucht, sich in der alternativen Realität zurechtzufinden, strahlt er Verletzlichkeit aus, lässt aber auch Spuren jenes Egoismus‘ erkennen, der ihn in der Vergangenheit in die Katastrophe führte. Insofern kann der Zuschauer sich nie sicher sein, wie sich David verhalten wird, was durchweg für Spannung sorgt. Gegen Mikkelsens Ausstrahlung haben es die anderen Schauspieler schwer: Jessica Schwarz als Davids Frau, Tim Seyfi als sein bester Freund, Valeria Eisenbart als seine Tochter – sie alle machen einen guten Job, wirken aber dennoch oft nur wie Zulieferer, um Mikkelsen richtig in Szene zu setzen. Das gilt auch für Heike Makatsch (Hilde), die in ihrer kleinen Rolle als Davids Geliebte nicht genug Entfaltungsmöglichkeiten erhält. Hier hätte der Regisseur durchaus eine andere Gewichtung vornehmen dürfen. Lediglich Thomas Thieme legt als Nachbar Siggi eine Handvoll dermaßen effektiver Auftritte hin, dass er immer wieder aus Mikkelsens Schatten heraustritt.

Das verglichen mit amerikanischen Relationen schmale Budget von 4,5 Millionen Euro fällt kaum negativ auf. Saul konzentriert sich auf die Essenz der Geschichte, die ohne überbordende Effekte nur noch wirkungsvoller erscheint. Das faszinierendste an „Die Tür“ ist die scheinbare Ähnlichkeit der Welt hinter der Tür und die Dissonanzen, die sich nach und nach in den Film schleichen, als David erkennen muss, dass die neue Realität bedrohliche Geheimnisse in sich birgt. Hier soll aber auf keinen Fall zu viel verraten werden. Der Film lebt schließlich auch von seinen wirklich überraschenden Wendungen, die sich im weiteren Verlauf ereignen. Was diese andere Welt eigentlich ist, darüber wird der Zuschauer auch nach dem Abspann noch einige Zeit nachdenken können. Umso bedauerlicher ist es, dass Saul und seinem Autor Jan Berger zum Schluss dann doch noch die Puste ausgeht. Gemessen am starken Hauptteil des Films fallen die letzten zehn Minuten merklich ab. Abgesehen davon, dass das actionbetonte Finale nicht recht zum ansonsten eher subtilen Film passen will, merkt der Zuschauer hier, dass das knappe Budget dann eben doch nicht für packende Action ausreicht.

Fazit: „Die Tür“ ist ein spannender Fantasy-Film der etwas anderen Art, der gekonnt Mystery-Elemente mit Versatzstücken aus Thriller, Drama und Romanze in sich vereint. Leider schmälern der etwas klischeehafte Auftakt und das schwache Finale den ansonsten guten Gesamteindruck.

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