Review

Regisseur Ronald Neame, der mit „Meteor“ (Sean Connery) und „Die Höllenfahrt der Poseidon“ als Spezialist für Katastrophenthriller zu weltweitem Ruhm gelangte, nahm sich 1974 dem brisanten, zum Teil auf wahren Tatsachen beruhenden, Roman „Die Akte Odessa“ von Frederick Forysth an und sollte damit die Jagd nach überlebenden Verbrechern des Naziregimes zu damaliger Zeit erneut entfachen. Um so authentisch wie möglich zu bleiben, verzichtete diese englisch-deutsche Co-Produktion, abgesehen vom Hauptprotagonisten Jon Voight auf eine internationale Besetzung und verließ sich auf einen eindrucksvollen deutschen Supportcast mit namhaften Schauspielern wie, um nur einige zu nennen, Maximilian Schell, seine Schwester Maria, Klaus Löwitsch, Günther Strack und Hannes Messemer.

Die titelgebende „Odessa“ ist eine Organisation ehemaliger SS-Angehöriger, die sich ihrer Verhaftung in den Nachkriegswirren entzogen und dank erfolgreicher Anhäufung von Gütern und Kapital, während des 2. Weltkriegs, zu einer einflussreichen, weltweit operierenden Geheimorganisation erhoben. Eher zufällig stolpert der deutsche Journalist Peter Miller (Jon Voight) über das Tagebuch eines toten Juden, der grauenhafte Zustände in einem Konzentrationslager beschrieb, welches er überlebte. Überwältigt von den Beschreibungen und neugierig gemacht von dessen Erkenntnis, kurz vor seinem Tod einen Kriegsverbrecher von damals über den Weg gelaufen zu sein, fängt Miller an zu ermitteln und stößt bei seinen Ermittlungen bald auf die Organisation „Odessa“.

Trotz des hochbrisanten und spannenden Themas erweist sich die Exposition als sehr zerfahren und unentschlossen. Der Film braucht enorme 30 Minuten, um langsam in Fahrt zu kommen und interessante, aber auch Angst einflößende Fakten zu vermitteln. Beklemmend, wenn sich Voight auf einem Veteranentreffen auf einmal mit alten Männern konfrontiert sieht, die nicht nur Lieder von damals trällern, sondern auch mit Herzblut in Reden diese Ideologie vertreten. Werden seine ersten Untersuchungen, unter anderem durch einen scheiternden Mordversuch abgeblockt, muss er schon bald feststellen, dass „deren“ Einfluss überall hinreicht, selbst in höhere Positionen des Staatsapparats und der Polizei. Die sich anbahnenden Erkenntnisse treffen den erstaunten Zuschauer und Protagonist wie Fausthiebe, auch wenn einige Klischees doch zu dick aufgetragen werden.

Nachdem ihm (der Zuschauer weiß es doch schon länger) klar geworden ist, dass die Odessa eine weitreichende und extrem gefährliche Organisation ist, beginnt Miller Kontakt mit einem abgeschotteten Nazijägern aufzunehmen, der ihm weitere Informationen zukommen lässt, während der Mossad (israelischer Geheimdienst) seinerseits dem Journalisten Informationen und Hilfe anbietet. Leider wird dabei aber recht wenig über Aktivitäten und Ziele dieses Geheimbundes eingegangen, denn der umrahmende, militärische Konflikt zwischen Ägypten und Israel ist bestenfalls als Alibimotiv zu bewerten. Sehr oberflächlich werden, fast ohne Ausnahme, die Mitglieder als verbohrte, extrem vorsichtige und gefährliche alte Männer dargestellt, ohne über deren Funktionen zu berichten. Sicher sorgt die Einschleusung Millers, nachdem er vom Mossad in einem leider zu kurz angerissenen Exkurs zum gealterten Nazi umfunktioniert worden ist, für einen verdammt spannenden Plot, der final eine netten McGuffin zu bieten hat, nur bleibt er auch erschreckend banal, weil ihm schon bald die Killer im Nacken sitzen und dieser Twist nur eine simpler Vorwand des Drehbuchautors bleibt, um dem Schreiberling die ominöse Akte eines Passfälschers, der alle seine Arbeiten penibel festhielt, in die Hände zu spielen.

Fazit:
„Die Akte Odessa“ verschenkt ihr Thema, trotz des brisanten Ausgangsstoffes leider zu Gunsten eines ansehbaren, aber überbewerteten Thrillers, der nur dank des Skandalpotentials seiner Literaturvorlage zu Ruhm gelangte. Obwohl die Schauspieler ihre Sache sehr ordentlich machen, mangelt es dem Film deutlich an Möglichkeiten Hintergrundwissen und Informationen über die „Odessa“ zu vermitteln. Stattdessen wird sich in penetrante Klischees verstrickt und weit hergeholte Motive, wie der eskalierende Militärkonflikt zwischen Ägypten und Israel, herangezogen.

Details
Ähnliche Filme