Review

Diesen Film habe ich ungefähr mit zwölf Jahren zum ersten Mal gesehen, auf Video; das Band war uralt und dementsprechend miserabel die Bild- und Tonqualität. Selbst unter diesen Umständen, auf einem viel zu kleinen Bildschirm – für „Es war einmal in Amerika“ ist eigentlich jeder Bildschirm, wenn nicht sogar die meisten Kinoleinwände zu klein –, war dieses Filmerlebnis das bis heute größte meines Lebens. Und seitdem es Sergio Leones finalen Teil seiner Amerika-Trilogie nun endlich auch auf DVD gibt, bin ich natürlich selig. Um der unsagbaren Größe dieses Filmes Ausdruck zu verleihen, muss ich an dieser Stelle einige Vergleiche bemühen: (1) Mit diesem Film übertrifft Sergio Leone sich selbst, er stellt sein eigenes, mythisch verehrtes Meisterwerk „Spiel mir das Lied vom Tod“ in den Schatten. (2) Dieser Film ist der beste Gangsterfilm aller Zeiten, er thront noch über den beiden wohl legendärsten Filmen dieses an Klassikern nicht armen Genres, Francis Ford Coppolas „Der Pate“ und „Der Pate – Teil 2“. (3) „Es war einmal in Amerika“ ist der beste Überlängen-Film aller Zeiten, kein „Ben-Hur“, „Lawrence von Arabien“ oder „Der Herr der Ringe“ kann ihm das Wasser reichen.

Soviel Lobhudelei muss natürlich auch begründet werden. Ein unzureichender Versuch:

„Es war einmal in Amerika“ ist eine völlig einzigartige Bündelung an Genialität. Da ist natürlich Sergio Leone, ein Maestro des opernhaften Inszenierungsstils, der bei allem Pathos eine ebenso komplex verschachtelte wie brillante Geschichte mit drei unterschiedlichen Zeitebenen so zu erzählen in der Lage ist, dass sich Kitsch in überwältigendes Gefühl verwandelt und beinahe vier Stunden fast wie im Flug vergehen. Das für einen Leone-Film gewohnt markige, aber auch sehr subtile Spiel des bis in die kleinste Nebenrolle höchst beeindruckenden Ensembles (z. B. Joe Pesci oder Danny Aiello) bildet ein perfektes Gegengewicht zur epischen Wucht der Inszenierung. Robert De Niro ist natürlich der Star und ist – wie gewohnt - meisterhaft, James Woods liefert die beste Leistung seiner Karriere und stiehlt De Niro sogar beinahe die Show. Bilder und Musik (letztere natürlich von Ennio Morricone) sind einfach unbeschreiblich schön und perfekt aufeinander abgestimmt, sie sind zusammen ein ästhetischer Hochgenuss. Und so weiter.

Leones getragener, nostalgisch-melancholischer, glamouröser (und in Bezug auf diverse Gewaltdarstellungen auch brutaler) Stil zitiert ausgiebig das Hollywood der goldenen Ära und ist somit ein höchst untypisches, eigentlich anachronistisches Produkt der 80er Jahre, in dem Werbe- und Videoclipästhetik das Kino zu prägen begannen. Dabei ist Leones Film mindestens ebenso realitätsfern wie das typische Designkino der 80er Jahre, denn er ist, wie der Titel schon sagt, ein Märchen. Aber Märchen bedeutet eben auch Phantasie, und das unterscheidet ihn von einem Großteil der bis heute üblichen Kommerzprodukte aus Hollywood. Und Leones Film ist noch mehr als das: er ist Poesie, so vieldeutig und wechselhaft wie das Leben, er ist hohe Kunst, die den Zuschauer überwältigt und sprachlos macht. Und was mit Worten nicht zu beschreiben ist, muss man selbst mit eigenen Augen gesehen haben.

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