Review

Dem Western blieb Sam Peckinpah lange treu. Schließlich hatten „The Wild Bunch“, „The Ballad of Cable Hogue” und „Junior Bonner” ihm seinen Ruf eingebracht, ein unbequemer Zeitgeist mit unverwechselbarem und visionärem Stil zu sein. „Pat Garrett and Billy the Kid” war 1973, vier Jahre nach “The Wild Bunch” sein letzter Genrebeitrag. Der von Gordon Carroll, einer der antreibenden Kräfte hinter den vier „Alien“ – Filmen, produzierte Film war dann auch der erwartete letzte Abgesang auf das Cowboytum.

Die Geschichte von „Pat Garrett (James Coburn, „Cross of Iron“, „Hudson Hawk“) und Billy the Kid (Kris Kristofferson, „Semi-Tough“, „Heaven's Gate“) wurde nun schon x Genrebeiträgen aufgegriffen und wer hier hofft neue Hintergründe zu erfahren, der wird enttäuscht, denn Peckinpah nutzt die historisch verbürgte Vorlage nur, um ein weiteres Mal einen zutiefst pessimistischen Blick auf das Ende des freien Westens zu werfen – zu dieser Zeit vielleicht sogar so etwas wie ein politisches Statement.

Der Westen wie wir ihn aus unzähligen John Wayne-Western eingetrichtert bekamen, existiert hier nicht mehr. Reiche Rinderbarone erkaufen sich das Gesetz und üben mit ihrer Macht gnadenlos Willkür aus. Das wirtschaftlich-politische Streben löst die einstige Erschließung des Westens, wo einmal für jeden genug Land vorhanden war ab. Unter der Terrorherrschaft reicher Rinderzüchter hat vor allem die arme mexikanische Unterschicht zu leiden. Es herrschen Ungerechtigkeit, Hass gegenüber allen Armen und Geldgier.
Im Zuge dieser Umwälzungen müssen auch die herumstrolchenden Pferdediebe wie William H. Bonney alias Billy the Kid, selbst einmal als Cowboy beim reichen Rancher tätig, verschwinden. Ausgerechnet sein ehemaliger Weggefährte und Kumpel Pat Garrett verkauft sich an die Regierung (u.a. Jason Robards in einer Nebenrolle als Gouverneur Lew Wallace) und macht Jagd auf Billy.

Peckinpahs Welt ist düster, dreckig, schmutzig und durch und durch in Pessimismus getränkt.
Das Frauenbild setzt sich hier grundsätzlich aus billigen Huren zusammen. Sind noch Ehrbare unter ihnen, werden sie vergewaltigt. Das männliche Geschlecht steht dem in nichts nach. Es sind widerliche, schmutzige Zeitgenossen – ohne ein Fetzen Ehre im Leib. Sie verkaufen sich an den Höchstbietenden und schütten grundsätzlich Alkohol in sich hinein. Nur wenige klammern sich noch an nicht realisierte Lebensträume (Stichwort: Boot)
Leute wie Garrett und Bonney finden ihren Platz in dieser sich neu strukturierenden Welt nicht mehr. Doch während Garrett mit und in diesem Land altern möchte, ist Booney nicht gewillt den Fortschritt hinzunehmen. Beide respektieren einander und verstehen die getroffenen Entscheidungen, aber die Zeit kann nicht mehr zurückgedreht werden.

Die Illusion einer heilen Welt raubt Peckinpah den Publikum gleich ohne Vorbehalte in den ersten Sekunden. Billy the Kid ist, wie uns erklärt wird, tot und Garrett wird kurz darauf erschossen. Erst dann zeigt er, wie es dazukam. Dabei ist Billy the Kid in seiner Funktion als Robin Hood, eine schillernde Figur, die unter den Mexikanern einen gewissen Ruf genießt, hier die uninteressantere Figur. Pat Garrett weckt das Interesse, denn wenn zwischen beiden Parallelen gezogen werden, ist er es, der Billy zu ähneln beginnt.

Der Gewaltpegel ist für einen Streifen Peckinpahs nahezu niedrig. Die kennzeichnenden ausufernden Gewaltsausbrüche, festgehalten in Zeitlupenästhetik, sind hier eine Seltenheit. Trotzdem wird in „Pat Garrett and Billy the Kid” nicht zimperlich zur Sache gegangen (u.a. blutiges Durchsieben eines Gegners mit einer doppelläufigen, mit Münzen gefüllten Schrotflinte). Die Brutalität gebiert aus der Tatsache, dass sich hier ehemalige Freunde und Weggefährte ständig umlegen müssen, um zu überleben. Insbesondere Garrett trifft immer wieder auf alte Bekannte, mit denen er einmal viele Gefechte ausfocht. Wenn dann ganz melancholisch im Sonnenuntergang zu Bob Dylans (hier übrigens in einer kleinen Nebenrolle als messerwerfender Alias) „Knocking on Heaven's Door“ gestorben wird, zeigt sich der rohe, harte Peckinpah ungewöhnlich gefühlvoll.

Kehrt nur für Sekunden das Gefühl wieder, so wird im nächsten Moment die Idylle durch eine grausame Untat mit Füßen getreten. Den Charakteren wird hier schließlich auch die letzte Illusion genommen. Interessant ist hierbei immer wieder Garretts Verhalten, denn der sorgt auch dafür, dass Billys Leichnam die Ehre zuteilt wird, die er verdient – der Sargmacher ist übrigens Sam Peckinpah höchstpersönlich.

Kris Kristofferson gibt den jungen Billy the Kid mit der dafür nötigen Unbekümmertheit, die zumindest kurzfristig alle Sorgen über den Lauf der Zeit verdrängen kann. Mit Galgenhumor und Sarkasmus nimmt er, wie auch James Coburn, die nicht abzuleugnende Tatsache hin, dass für sie beide keinen Platz mehr ist. Coburn gibt sich nachdenklich und versucht prinzipientreu – auch wenn er sich verkauft hat. Insgeheim sehnt er sich an die alte Zeit mit Billy zurück, resigniert aber und beschließt das Beste aus der Situation zu machen. In weiteren Nebenrollen glänzen übrigens L.Q. Jones („The Wild Bunch“, „River of Death“) und Harry Dean Stanton („Alien“, „Escape from New York”).


Fazit:
Sam Peckinpahs „Pat Garrett and Billy the Kid” war seine letzte Abrechnung mit dem einst von John Ford so schillernd inszenierten Wilden Westen. Ähnlich wie „The Wild Bunch“ zeigt Peckinpah hier den Niedergang der Gesellschaft – vorangetrieben von Geldgier, der Sucht nach Besitztum und natürlich Macht. Gut gespielt, mit kleinen Längen und in der Gewaltdarstellung gewohnt konsequent, kann sich der Film mit den anderen Klassikern vorbehaltlos messen. Einzig die zu ausführliche Gegenüberstellung der beiden Hauptcharaktere hätte kürzer ausfallen können, da die x-te Situation, in der beiden saufen und rumhuren, dann doch ein Tick zuviel ist. Irgendwann hat es schließlich auch der Begriffsstutzigste verstanden...

Details
Ähnliche Filme