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"Wer weiß?" (Quien sabe?) - als Damiano Damiani seinen Film 1967 mit dieser Frage übertitelte, befand sich der Vietnamkrieg in einer ersten Hochphase, doch angesiedelt hatte er seine Story um den einheimischen Revoluzzer Chuncho (Gian Maria Volonté) und dessen amerikanischen Kompagnon Bill Tate (Lou Castel) während des mexikanischen Bürgerkriegs zwischen 1910 und 1920.

Die Parallelen zu den Ereignissen der Gegenwart in Vietnam sind trotzdem offensichtlich. Der US-Amerikaner unterstützt die mexikanischen Aufständischen vordergründig im Kampf gegen ihre eigenen Landsleute, hat letztlich aber nur seinen eigenen Vorteil im Sinn. Damiano Damiani bezeichnete seinen Film selbst als "politisch" und wehrte sich gegen die Einordnung ins Western-Genre, aber tatsächlich lässt erst der abenteuerliche und an den klassischen Western angelehnte Kontext die nötige Komplexität entstehen, um den Film über eine bloße Kritik an der amerikanischen Vorgehensweise zu heben.

Zu Verdanken ist das vor allem Gian Maria Volonte, der hier vordergründig eine Variation zu seinen Rollen in den wenigen Jahren zuvor entstandenen Sergio Leone Western "Per un pugno di dollari" (Für eine Handvoll Dollars) und "Per qualche dollaro in più" (Für eine paar Dollar mehr) gibt. Wieder ist er ein wild aussehender, emotional manchmal unbeherrschter, schießwütiger Bandit, der zwar Waffen für den Revolutions - General Elias (Jaime Fernández) stiehlt, dabei aber vor allem an seinen Spaß und seinen Verdienst denkt. Der Zugüberfall gleich zu Beginn des Films ist entsprechend sein Meisterstück, dass er mit rücksichtsloser Härte umsetzt.

Beginnend mit dem Offizier, den er als lebendes Hindernis auf den Gleisen platziert, dem Abknallen jedes Soldaten, der diesem zu Hilfe kommen will, bis zum kompletten Abschlachten aller auf dem Zug befindlichen Militär- und Polizeikräfte, auch wenn diese schon wehrlos davon laufen, ist der Überfall eine einzige Gewaltorgie, die "El Chuncho" gemeinsam mit seiner Bande, zu der auch "El Santo" (Klaus Kinski) und die schöne Adelita (Martine Beswick) gehören, durchführt. Dabei lernt er den US-Amerikaner Bill kennen, der den Lokführer erschossen hatte, um damit Hilfe für Chunchos Bande vorzutäuschen. Sein Manöver gelingt und er kann sich der Bande anschließen, obwohl er mit seinem glatten und gepflegten Äußeren bei einigen Mitgliedern Misstrauen erzeugt.

Staccatoartig reiht Damiani danach noch einige Überfälle auf Armeestützpunkte an, auch um den Strategiewechsel dank der Hilfe des Amerikaners zu verdeutlichen, aber schon nach einem Drittel des Films enden diese reinen Action-Sequenzen und die Handlung widmet sich zunehmend der inneren Struktur der Revolutionäre, zu der auch Kinskis Rolle als gewalttätiger "Heiliger", aber auch Adelidas ambivalentes Interesse an dem gepflegten Bill beiträgt. Im Mittelpunkt steht aber die Beziehung zwischen dem Mexikaner und dem Amerikaner. Diese wird durch zwei gegensätzliche Entwicklungen geprägt - Chuncho, der zunehmend in einen Konflikt zwischen seinem Wunsch nach Bereicherung und der offensichtlichen Armut und Unterdrückung seiner Landsleute gerät, nähert sich Bill an, während dieser versucht emotionslos zu bleiben, gleichzeitig Chunchos vertrauensvolle Art ihm gegenüber aber nicht begreift.

Die Komplexität des Films liegt in dieser Wechselwirkung, die Damiani in unterschiedlichen Ereignissen durchspielt. In der zentralen Szene des Films begegnet Chuncho einem reichen Großgrundbesitzer und dessen engagierter Frau. Beide imponieren ihm, da er die Schuld der Besitzenden begreift und sie sich für ihren Mann mutig einsetzt, aber die Landbevölkerung, die lange unter seiner Herrschaft leiden musste, fordert von Chuncho, den sie als Revolutionär feiern, dessen Tod. Er muss erkennen, dass die Zeit gegenseitiger Gespräche längst von unkontrollierter Gewalt abgelöst wurde. Als Chunchos Männer darauf hin beginnen, die Frau zu belästigen, ergreift Bill für sie Partei, was Einer der Männer dazu nutzt, ihn anzugreifen. Spontan erschießt Chuncho ihn. Als seine Kameraden fassungslos fragen, wieso er seinen eigenen Mann erschießt, antwortet er nur "Bill ist mein Freund".

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat dieser Chuncho nichts mehr mit Volontés Rollen aus den Leone-Western gemein, denn seine Handlungen sind ausschließlich von Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit geprägt, ganz abgesehen von dem allgemeinen Verzicht auf coole Sprüche, sarkastische Bemerkungen und zynische Verhaltensmuster in "Quien sabe?", worin sich der Film auch von seinem thematisch verwandten Nachfolger "El mercenario" von Sergio Corbucci unterscheidet. Insgesamt hat Damianis "Western" deshalb nur wenig mit dem damals sehr aktuellen Italo-Western-Genre gemein.

Bill begreift Chunchos ernsthafte Konsequenz nicht, was zu dem Missverständnis zwischen ihm und Chuncho führt, das sich desto mehr steigert, je mehr sie sich annähern. Es sind weniger Bills tatsächliche Intentionen, die als Kommentar zum amerikanischen Vietnam-Einsatz taugen, als dessen Unfähigkeit sich in seinen mexikanischen Freund hineinzudenken - um so mehr seine Sympathien und damit seine Hilfeleistungen sich steigern, um so deutlicher wird die Diskrepanz zwischen ihrer Denkweise.

Auch das Scheitern der Amerikaner in Vietnam, die vordergründig den Einheimischen zu Hilfe kommen wollten, beruhte letztlich darauf, den Charakter und die Intentionen der vietnamesischen Bevölkerung nicht zu begreifen, aber das konnte Damiano Damiani 1967 noch nicht in letzter Konsequenz ahnen. Doch auch wenn "Quien sabe?" keine Lösungen aufzeigen kann und das "Wer weiß?" wie ein Menetekel am Ende eine Situation beschrieb, deren weitere Entwicklung, ganz wie die damalige Situation der Gegenwart, nicht abzusehen war - eines machte der Film schon ganz deutlich : "Ami go home!" (8,5/10).

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