Auch wenn der italienischen Exploitation-Ära allgemein (zurecht) vorgeworfen wird, nur bestehende Filmtrends aufgegriffen und, bevor die Nachfrage wieder versiegte, hastig ausgeschlachtet zu haben, stolpert man vereinzelt über wirkliche Perlen, die den Mut besaßen bestehende Ideen zu erweitern.
Ausgerechnet Regisseur Pasquale Festa Campanile („Hector, der Ritter ohne Furcht und Tadel, „Bingo Bongo“), den man sonst nahezu ausschließlich mit hohlen Erotikkomödien in Verbindung bringt, drehte mit „Wenn du krepierst - lebe ich“ einen überraschend reifen Psychothriller, der freilich nicht den charakteristischen Merkmale einer ruppigen Italo-Produktion ausweicht und sich dabei in seine nur zu typischen Extreme steigert, die den zartbesaiteten Zuschauer schon mal den Blick abwenden lassen. Plakativer Sleaze und eruptive Gewaltausbrüche werden dabei aber sehr ironisch von Ausnahme-Komponist Ennio Morricone begleitet. In seiner reaktionären, ja latent rassistischen Weltanschauung sind von Hippies über Spießbürger bis hin zu homosexuellen Männern keine Gruppierung vor Campanile sicher, auch wenn er davon schon nach wenigen Minuten ablässt und das viel interessantere Dreiergespann in den Fokus rückt. Der Rundumschlag findet trotzdem statt.
„Wenn du krepierst - lebe ich“ genießt es von der ersten Minute an seinem Publikum eine Bezugsperson vorzuenthalten mit der man sich identifizieren kann und präsentiert mit Walter (Franco Nero, „Django“, „Keoma“) sowie seiner Ehefrau Eva Mancini (Corinne Clery, „Kampf um die 5. Galaxis“, „James Bond 007 - Moonraker - Streng geheim“) ein zerstrittenes Ehepaar aus Italien, das in Arizona seinen Camping-Urlaub verbringt, davon offensichtlich aber nur wenig hat.
Er ist lediglich ein ewig angetrunkener, abgehalfterter Journalist, der seinen obszönen Gedanken ständig freien Lauf lässt und sie die Tochter eines reichen Verlegers, die sich für das peinliche Benehmen ihres Mannes durchaus schämt, aber genau wie er sexuell ständig unter Starkstrom steht und seine Auftritte für einen guten Fick in Kauf nimmt. Mögen tun die beiden sich nach 9 Ehejahren offensichtlich nicht mehr. Die Liebe ist längst erloschen, der gute Sex hält sie noch zusammen, wobei der durch Walters Verhalten schon darauf schließen lässt, dass Eva auf dominante Männerfiguren steht. Entsprechend animalisch fällt der Geschlechtsakt auch aus.
Die explosive Mischung wird durch Adam Konitz ergänzt, der mit David Hess („The Last House on the Left“, „Der Schlitzer“) denkbar ideal besetzt wurde. Gerade mitten im Streitgespräch mit ihrem ungehobelten Gatten holt Eva auf der Landstraße den scheinbar mit einem Motorschaden liegengebliebenen, netten Wolf im Schafpelz ins Auto, nur um schnell festzustellen, dass sich nun ein Musterexemplar von einem sadistischen Psychopathen auf der Rückbank bequem gemacht hat. Ihr Gast hat nämlich zusammen mit drei Kumpanen eine Bank überfallen, die anderen um ihre Beute betrogen und ist zu allen Überfluss auch noch aus einer geschlossenen Anstalt geflohen...
Die Prämisse ist simpel wie effizient umgesetzt und wurde später in ähnlicher Form durch Genreprimen wie „The Hitcher“ in weiteren Varianten interpretiert. Hier steht, auch wenn das Blut unschuldiger Polizisten fließt, aber nicht ausschließlich der pure Terror im Vordergrund, sondern die Ambivalenz der Figuren.
Konitz verleiht seiner Überlegenheit mit einer Schusswaffe Ausdruck und zeigt sich direkt an Eva interessiert, die in ihrer freizügigen Kleidung zunächst angewidert seinen Offerten aus dem Weg geht, sich von dieser dominanten Männerfigur zeitweise aber auch angezogen fühlt, während Walter mit der Gretchenfrage hadert. Konitz bietet ihm die Exklusive-Story über sein Leben und seine Verbrechen an, worauf Walter tatsächlich über eine gemeinsame Zusammenarbeit nachdenkt, zumal beide Charaktere sich in ihren Grundzügen gar nicht mal so sehr unterscheiden. Beide erliegen den lockenden Reizen zur Schau gestellter Macht und Gewalt, fordern sich aber auch ständig gegenseitig heraus, wobei Walters verbaler Zynismus regelmäßig die Oberhand gewinnt..
Währenddessen brauen sie, auf dem Highway nahezu isoliert vom Rest der Welt, gemeinsam gen mexikanische Grenze und kämpfen erst im Stillen und dann lauthals um Eva, das Objekt ihrer sexuellen Begierde.
Natürlich spitzt die Situation sich weiter zu, weil die Eheleute sich gegenseitig nicht mehr richtig vertrauen, Konitz seine Machtstellung ausführlich genießt, aber auch seine geprellten Kumpane auftauchen und die 2 Millionen Dollar einfordern, die er im Koffer mit sich führt.
Dabei ist es den hervorragenden Darstellerleistungen von Franco Nero (seine Multitalent beeindruckt mal wieder...), Corinne Clery und David Hess zu verdanken, dass dem angespannten Geschehen keine Abnutzungserscheinungen unterkommen und, noch wichtiger, die Glaubwürdigkeit nicht abhanden kommt.
Denn die Konstellation fördert in allen Dreien die niederen Instinkte zutage: Gier, Sex, Gewalt, Neid und Rache. Es dauert, bis schließlich den Gedanken auch die Taten folgen, dann aber steigert sich „Wenn du krepierst - lebe ich“ in einige sehr extreme Sequenzen, die man als Zuschauer bis dahin für unmöglich hält. Campanile geht dabei keinerlei Kompromisse ein, wenn er in die Untiefen menschlicher Verhaltensweisen taucht und sie seinem Publikum vor den Kopf stößt. Damit geht auch ein gewisses Schmuddel-Image einher, das dem Film letztlich aber erst seine Intensität abringt. Campanile weiß ziemlich genau wie weit er gehen kann und vergeht sich vor allem an Eva oder serviert bitterbösen Humor, der im Kontext gesehen, aber längst nicht mehr so lustig, sondern einfach nur noch abstoßend wirkt.
Die negative Entwicklung der Figuren und das zutiefst pessimistische Ende, das dem Zuschauer jede Hoffnung raubt sich eventuell doch noch mit den Charakteren zumindest arrangieren zu können, hebt sich am Ende dann wohltuend von weichgespülten U.S. - Pendants dieser Zeit ab, die nie die Traute zu so einem Abschluss hatten. Eine Stärke des unberechenbaren Exploitation-Films, der sich zumindest in dieser Hinsicht viel weniger um Konventionen scheren musste, sondern sich in erster Linie der Intention des Regisseurs zu unterwerfen hatte.
Genrefreunde werden hier gewiss auf ihre Kosten kommen, hält Campanile doch mit viel Nachdruck die Spannung dieses Psychothrillers über die volle Distanz aufrecht, ohne auch nur einmal die Zügel schleifen zu lassen.
Kenner feiern überdies ein putziges Wiedersehen mit Ignazio Spalla („Leg ihn um, Django“, „Sabata“), der hier in einer kleiner Nebenrolle als Tankstellenbesitzer einen kurzen Cameo absolviert.
Fazit:
Intensives Filmvergnügen aus Italien, dessen Darsteller-Trio sich gegenseitig zu Höchstleistungen puscht. Franco Nero, David Hess und Corinne Clery brillieren in diesem hochspannenden Psychothriller von Pasquale Festa Campanile, der sein Publikum zu den gewohnt hochwertigen Kompositionen Ennio Morricones in die Abgründe menschlicher Verhaltensweisen entführt und dabei keine Kompromisse kennt. Der in seiner Karriere sonst so unauffällige Filmemacher überrascht dabei mit einem ungeahnten Gespür für Tempo und zieht die Spannungsschraube kontinuierlich an.
In seiner Inszenierung phasenweise nur für Hartgesottene geeignet, gehört „Wenn du krepierst - lebe ich“ zu den leider weitestgehend vergessenen Perlen des italienischen Kinos. Gemein, bösartig, unkonventionell. Mit diesen Attributen richtet sich der Film nur an ein bestimmtes Publikum. Genrefans dürfen hier also vorbehaltlos zuschlagen.