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Hannah Maynard (Kerry Fox) ist englische Staatsanwältin und arbeitet in Den Haag als Vertreterin der Anklage am Internationalen Strafgerichtshof, der sich mit den Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien in den 90er Jahren während des Bürgerkriegs befasst. An sich ist die erfolgreiche Anwältin kurz davor, den gefürchteten serbisch-bosnischen Milizenführer Goran Duric zu verurteilen, als sich ihr wichtigster Zeuge, der Muslim Alen, vor Gericht in Widersprüche verwickelt und schließlich eine Ortsbegehung klar macht, dass Alen unmöglich gesehen haben kann, wie Duric eine ethnische Säuberungsaktion befohlen hat. Somit droht die Anklage zusammenzubrechen. Ihre überraschende einzige Chance scheint nun Alens Schwester Mira (Anamaria Marinca) zu sein, die offenbar viel mehr weiß, als sie zugibt. Doch scheint sie wenig Lust zu haben, auszusagen und damit ihr neues Leben in Berlin als verheiratete Mutter zu gefährden...

Ich kann oft mit deutschen Filmen nicht sonderlich viel anfangen, viel zu oft finde ich ihre Machart fies provinziell, die Schauspieler und die Fernsehästhetik nerven mich und die Geschichten sind häufig so ausschließlich private Dramen, deren Protagonisten mich oft einfach null interessieren. Umso wohltuender fand ich Hans-Christian Schmids deutsch-niederländisch-dänisch-schwedisch-bosnische(!) Koproduktion zum Jugoslawien-Krieg. Ein politisch relevanter Film ohne moralischen Zeigefinger, ohne hysterische Schauspieler, spannend und realistisch.
Manche Kritiker haben den Film vorgeworfen, zu betulich, zu wenig spannungs-orientiert an das Thema heranzugehen – sicher ist es kein mit Explosionen oder Verfolgungsjagden gespickter Film, aber Schmids Film näherte sich besonders der emotionalen und menschlichen Ebene sehr passend und behutsam und vermag dabei zu überzeugen. Es ist mitunter sehr frustrierend mitzubekommen, wie sehr Politik in die Gerichtsbarkeit hineinwirkt, wie selten das Opfer wirklich Recht bekommt. In der Ausstattung unterstreicht die Zweckmäßigkeit und Strenge der Räumlichkeiten im Haager Gericht , wie wenig Raum dort für Emotionen ist.
Dennoch verhehlt der Film nicht, wie wichtig und nötig dieses Internationale Gericht in Den Haag ist, um überhaupt eine Basis zur Verfügung zu stellen, diese Grausamkeiten, die sich Mitten in Europa abspielten, fassen zu können.
Vor allem das Figurenduell der Anwältin Hannah und der Bosnierin Mira ist spannend. Mira will ihr bisheriges Leben nicht aufgeben und hat die Grausamkeiten des Kriegs verdrängt und nun kommt diese spröde Engländerin und will sie dazu bringen, alles wieder hervorzuholen.

Die Schauspieler, besonders die beiden weiblichen Hauptfiguren, sind großartig und auch kleinere Rollen, wie Rolf Lassgard als Hannahs Freund (und EU-Beauftragter) oder ihr Vorgesetzter Keith, der so bitter fragt, ob sie aus moralischen Gerechtigkeitsgefühl oder aus Ehrgeiz den Bosnier Duric stellen will. Die Figur ihres Assistenten Patrick ist allerdings nicht sonderlich originell, er wirkt wie ein bizarrer Sidekick und vermutlich musste noch ein deutscher Schauspieler in diesem Projekt untergebracht werden. Und die Dialoge zwischen Mira und ihrem deutschen Mann sind von einer seltsamen Künstlichkeit, die nicht in die realistische und unprätentiöse Art des Films hineinpassen.
Trotz dieser kleineren Mankos bleibt Schmids spannend und wichtig und das Ende des Films fand ich passend... einige hat's ja gestört. Sehenswert! (8,5/10).

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