Review

"Es geht heimwärts, Schritt für Schritt, auch wenn ich Umwege machen muss. Das habe ich gelernt: Der Weg nach Süden, gen Westen, führt zuweilen nach Norden, ostwärts."

Obwohl im Sommer 1944 eine Niederlage des zweiten Weltkrieges für das Deutsche Reich kaum noch abwendbar ist, werden weiterhin Soldaten der Wehrmacht an die Ostfront geschickt. Clemens Forell (Bernhard Bettermann) ist einer dieser Soldaten, der seiner Frau und Tochter verspricht, zu Weihnachten wieder zu Hause zu sein. Dazu kommt es aber nicht. Forell gerät in sowjetische Gefangenschaft und wird zu lebenslänglicher Zwangsarbeit in einem abgelegenen sibirischen Bergwerk verurteilt.
Nach Monaten im Gefangenenlager erhält Forell durch den krebskranken Lagerarzt Stauffer (Michael Mendl) die Möglichkeit zur Flucht. Tausende Kilometer und die schier unüberwindbare Witterungsbedingung Sibiriens trennen ihn zur iranischen Grenze und einer damit verbundenen, möglichen Freiheit, die ihm der Kommandant des Straflagers, Oberst Kamenev (Anatoli Kotenyov), mit all seinen Mitteln streitig macht.

"So weit die Füße tragen" ist die historisch korrekte Aufarbeitung der Erlebnisse, eines deutschen Offiziers, welchem die Flucht aus einem der sowjetischen Gefangenenlager gelang. Drei Jahre kämpfte sich Clemens Forell, über dessen wahren Namen bis heute spekuliert wird, durch die Weiten der Sowjetunion, bevor er im Winter 1952 das lang ersehnte Ziel Deutschland endlich erreichen konnte.
Basierend auf dem 1955 erschienen Roman von Josef Martin Bauer wurde "So weit die Füße tragen" bereits 1959 in Form einer TV-Mini-Serie verfilmt. Der filmische Stoff wurde im Gegensatz zur Serie nicht ganz so vorlagengetreu umgesetzt. Regisseur Hardy Martin nahm sich einige künstlerische Freiheiten heraus und wandelte die Handlung stellenweise filmgerechter um, was die streckenweise Leere der Serie dem Film entzieht.

Mit Längen kämpft der Film trotz allem. Allerdings fällt dies erst mit weit fortgeschrittener Laufzeit auf.
Der Einstieg fällt leicht und schnell von der Hand, denn "So weit die Füße tragen" ist kein Kriegsfilm sondern Gefangenen-Drama und lässt wilde Feuergefechte völligst aus. So steigt der Film direkt nach Einführung des Ausbrechers samt Familie in den Transport der Gefangenen Richtung Straflager ein.
Die erste Stunde befasst sich dann auch mit nichts anderem als den grauenvolle Zustände der sowjetischen Lager, denen Milionen von deutschen Soldaten nach der Niederlage ihrer Heimat ausgesetzt waren. In aufwendig nachgebauter Kulisse wird die Arbeitskraft der deutschen Gefangenen in einem Bleibergwerk systematisch ausgebeutet. Der Tod ist immerwährender Begleiter, Hungersnöte und Krankheiten die düsteren Vorboten.
Ab der Flucht des Protagonisten wandelt sich das Bild. Naturaufnahmen stehen an der Tagesordnung. Für Authentizität sorgen dabei die Aufnahmen an Originalschauplätzen im verschneiten Sibirien und dessen nur leicht wärmeren Tundra-Ebene im Sommer. Dabei gestaltete sich der Dreh bei Temperaturen von 40 Grad unter Null oft schwierig, was man dem Film allerdings zu keiner Zeit wirklich ansieht.

Der Handlungsstrang forciert sich auf zwei Charaktere. Zum einen auf den Flüchtling Forell, zum anderen auf den sowjetischen Oberst Kamenev. Gerade dessen Konfrontationen als Jäger und Gejagten machen einen Großteil der Spannung des Dramas aus. Dazwischen kämpft sich Forell Schritt für Schritt durch Eis und Schnee, erhält zwielichtige Begleiter, trotzt unkontrollierbaren Wildwasser-Flüssen oder findet Hilfe bei den Nomadenstämmen der Tundra. Für Abwechslung ist gesorgt. Zumindest bis zur letzten halben Stunde, wo das Tempo plötzlich einbricht und die Handlung weit weniger detailgetreu und stattdessen bruchstückhaft erzählt wird.
Auch immer wieder kurz auftretende Handlungsschnipsel über Forells Familie und dem heranwachsen der Tochter bringt weit weniger Abwechslung hinein als gedacht. Zu kurz sind diese Abbrüche der laufenden, abenteuerlichen Ereignisse um Bezug zu dem Grund von Forells eingeschlagenem Weg und seiner Ausdauer zu schaffen. Zumindest der Abschluss schafft ein Wiedersehen, das ordentlich auf die Tränendrüse zu drücken vermag.

Die schauspielerische Leistung von Bernhard Bettermann verdient sicherlich eine Extra-Erwähnung. Die von ihm verkörperte Hauptfigur dominiert den Film. Sie ist oft minutenlang völlig alleine auf dem Bildschirm zu sehen und wird trotzdem nie langweilig. Obwohl Bettermann die Erfahrung zur Charakterdarstellung mangels Rollen im Filmformat fehlte, schafft er es Gefühle glaubwürdig darzustellen, ohne ins Kitschige abzugleiten.
Gaststars wie Hans Peter Hallwachs ("Didi auf vollen Touren", "Otto - Der Außerfriesische"), Michael Mendl ("Der Untergang") sowie Iris Böhm greifen dem Hauptdarsteller hilfreich unter die Arme und unterstützen ihn ohne selbst ins Rampenlicht zu fallen.

"So weit die Füße tragen" ist eine bildgewaltige, authentische Erzählung eines Flüchtlings, der drei Jahre lang tausende Kilometer in seine Heimat zurücklegte. Fast völlig ohne Actionelemente weiß das Abenteuer-Drama vor allem durch sein Katz- und Maus-Spiel sowie den ansprechend aufgenommenen Naturbildern zu gefallen. Verwunderlich ist der Einbruch des Tempos gegen Ende des Films sowie die schlecht platzierten Einblicke zur Familie des Protagonisten, der durch Bernhard Bettermann hervorragend interpretiert wird.

7 / 10

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