1992 hatte Jean-Claude Van Damme nach einigen soliden Achtungserfolgen wie Leon (1990), mit stählerner Faust (1990) und Double Impact (1991) den endgültigen Durchbruch zu den großen Actionstars Hollywoods geschafft. Mit Universal Soldier gelang ihm nämlich sein erster internationaler Kinohit, über 80 Millionen Dollar konnte sein mitreißendes Duell gegen Dolph Lundgren einspielen, was ihm auch flugs einen lukrativen 3 Picture-Guarantee-Deal bestehend aus Ohne Ausweg (1993), Maximum Risk (1996) und Double Team (1997) mit Colombia Pictures einbrachte. Der 15 Millionen Dollar teure Ohne Ausweg ist der erste von drei Colombia Pictures Produktionen und ist in der öffentlichen Wahrnehmung mehr oder weniger fast unter gegangen, obwohl er mit 64 Millionen Dollar weltweitem Kinoerlös ganz ordentlich abgeschnitten hat. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Robert Harmons romantisch angehauchtes Actiondrama so ganz und gar nicht in das sonstige Rollenprofil des Karate Team-Europameisters von 1980 passen will. Ja sie haben sich nicht verlesen, ein Van Damme Film mit einer richtigen Love-Story! Mit angepasster Erwartungshaltung kann Ohne Ausweg meiner Meinung nach durchaus Spaß machen, auch wenn sich das Drehbuch so manchen Schnitzer leistet, es streckenweise etwas arg schnulzig wird und ein bisschen mehr Action bestimmt nicht geschadet hätte.
Joe Eszter schrieb das Original Skript gemeinsam mit Richard Marquand, mit welchem er bereits 2 Filme gedreht hatte. Dieses Drehbuch wurde ursprünglich als ernsthaftes Drama mit vereinzelten Action Elementen verfasst, doch Jean-Claude van Damme übernahm es Jahre später, passte Inhalte an und so wurde daraus die Textvorlage für Ohne Ausweg. Eszter zeigte sich nachher in Interviews sehr verärgert über Van Dammes Änderungen: "Es hat seine Sensibilität verloren, es hat einfach alles verloren. Ich spreche nicht gerne über diesen Film" Aber auch The Muscels from Brussels, der für seinen Auftritt immerhin 3,5 Millionen Dollar Gage einstrich, wusch bezüglich Drehbuchmängel in einem späteren Bericht dreckige Wäsche: "Der Autor sagte mir, er würde alles überarbeiten. Ich war in seinem Haus, er schüttelte mir die Hand, er versprach es mir, aber er reparierte es nicht." Die Geschichte selbst lässt den Bankräuber Sam (Jean-Claude Van Damme) aus einem Gefängnisbus ausbrechen und auf der Farm der hübschen Witwe Clydie (Rosanna Arquette) sowie ihren kleinen Kindern Mike (Kieran Culkin) und Bree (Tiffany Taubman) untertauchen. Als Sam mitbekommt, dass Clydie vom skrupellosen Bauunternehmer Franklin Hale (Joss Ackland) und seiner rechten Hand Mr. Dunston (Ted Levine) zum Verkauf ihres Grundstücks gewaltsam gezwungen wird, schreitet Sam ein und unterstützt die Familie im Kampf gegen die Übermacht, welche auch die Polizei auf ihrer Seite hat...
Zunächst beginnt Ohne Ausweg wie ein typischer Van Damme Actionreißer mit dem rasant inszenierten Überfall auf den Gefangenentransporter und der etwas erzwungen wirkenden Sympathisierung des Hauptprotagonistens: Wir erfahren nämlich, das Sam für seinen Befreier Billy (Anthony Starke) in den Knast gegangen ist um diesen zu schützen, während Billy kurz danach im Kugelhagel sterben muss. Anschließend widmet sich Regisseur Robert Harmon, unter dessen Verantwortung 1986 der hochspannende Psycho Thriller Hitcher - Der Highwaykiller entstand, ganz dem Aufbau seiner vorhersehbaren Filmromanze zwischen Sam und Clydie. Selbstverständlich wird dem Publikum mit entsprechenden Solo Körperpflegeszenen demonstriert, wie attraktiv sie sind, spätestens da weiß auch der Letzte, dass die beiden irgendwann in der Kiste landen werden. Van Damme darf indessen den geheimnisvollen Fremden mit Herz verkörpern, er kommt der Familie gegen Hales Schläger zur Hilfe, er repariert Maschinen, er spielt mit den Kindern und gewinnt ihr Vertrauen. Harmon betont hier bewusst die ländlich familiäre Idylle, um die emotionale Ebene für die leidenschaftliche Liebschaft zu erstellen und den Kontrast zur gefährlichen Bedrohung der gewissenlosen Schurken zu unterstreichen.
Gemäß gängiger Klischees zieht Clydie Vergleiche zu ihrem verstorbenen Mann bezüglich Vaterqualitäten und erliegt letzten Endes Sams Charme, was mit einer gemeinsamen Nacht besiegelt wird. Umso größer ist die Enttäuschung, als dessen Vergangenheit ans Licht kommt und die Bösewichte zu rabiateren Methoden greifen. Leider erscheinen einige Plotwendungen, obwohl sie für Tempo und Bewegung sorgen, nicht immer nachvollziehbar. So habe ich mich beispielsweise gefragt, warum auf einmal das FBI ausgerechnet bei Sheriff Cole (Edward Blatchford) vorspricht und Sams wahre Identität platzen lässt, die hatten nämlich bis dahin keinen blassen Schimmer, wo er steckt. Auch das Sam aus heiterem Himmel auftaucht, als der kleine Mike in der Scheune von Hales Handlanger gestellt wird, obwohl er eigentlich kurz zuvor mit dem Motorrad geflüchtet ist, darf als merkwürdiger Zufall eingestuft werden. Das glorifiziert zwar Van Damme als beeindruckenden Retter, wirkt aber gleichzeitig auch wie an den Haaren herbeigezogen.
Und was ist mit der Action? Die Fans des Belgiers müssen jetzt ganz stark sein, in Ohne Ausweg gibt es nahezu keine Gelegenheiten, die sonst spektakulären und vernichtenden Martial-Arts Fähigkeiten ihres Idols zu bewundern. Van Damme wird zwar in einige solide inszenierte Kloppereien verwickelt und darf im etwas blutiger geratenen Showdown mit Waffengewalt seine Liebsten verteidigen, sein Kampfstil beschränkt sich aber auf gezielt eingesetzte Faustschläge, was auch prima zur eher bodenständigen Ausrichtung des Films passt. In die selbe Kerbe schlägt der Härtegrad von Ohne Ausweg, bis auf eine intensivere Gewaltspitze während der Endabrechnung gibt es meiner Meinung nach keine Szene, welche die bis heute noch geltende FSK 18 Freigabe rechtfertigen würde. Ohnehin muss sich Nowhere to run, so der Originaltitel, den Vorwurf der Actionarmut bzw. der unvorteilsmäßigen Aufteilung berechtigter Weise gefallen lassen, da Romantik- und Dramabestandteile nicht in der Lage sind, den Zuschauer durchgehend bei Laune zu halten, was sich auch an einem größeren Durchhänger in Filmmitte bemerkbar macht.
Führt man sich mal vor Augen, wie unbeholfen Van Damme in seinen Frühwerken wie Bloodsport oder Kickboxer auftrat, wenn er in längere Dialoge verwickelt war bzw. Gefühle zeigen musste, ist das Niveau seines Schauspiels in Ohne Ausweg um mindestens 75% gestiegen. Das Acting wirkt routiniert, sicher und selbstbewusst und die Mimik hat deutlich mehr an Nachhaltigkeit gewonnen. Sein Objekt der Begierde Rosanna Arquette spielt die emanzipierte Powerfrau mit viel Elan und Feuer, während die Darsteller der Kinder Kieran Culkin sowie Tiffany Taubman ebenfalls zu überzeugen wissen und die obligatorischen Geschwisterrangeleien authentisch vorführen. Auf Antagonistenseite gefallen vor allem Joss Ackland als schmieriger Baulöwe und Ted Levine als Psychopath mit den markanten Gesichtszügen, die Rolle des korrupten Sheriffs Cole (Edward Blatchford) wurde meiner Meinung nach fehlbesetzt, ihm fehlt es an Ausstrahlung und Charisma.
So ist der zwischen den weltberühmten Krachern Universal Soldier (1992) und Harte Ziele (1993) erschiene Ohne Ausweg für sich gesehen ein kleiner, leiser Actionfilm mit Gefühl für zwischendurch, der den Zuschauer trotz gelegentlichen Rosamunde-Pilcher Schmalz Anfällen, der nicht immer zu Ende gedachten Story und der spärlichen Action leicht überdurchschnittlich unterhalten kann. Jean-Claude Van Damme überzeugt als gereifter Kämpfer mit Herz, Rosanna Arquette weiß ihre weiblichen Reize gewinnbringend einzusetzen, die vorkommenden Actionsequenzen sind solide und technisch einwandfrei realisiert und die beiden gemeingefährlichen Antagonisten sorgen für ein ansprechendes Gut vs. Böse Duell mit einem mitreißenden Finale. MovieStar Wertung: 6/10 Punkte