Der Name Christopher Nolan sollte mittlerweile doch recht Vielen geläufig sein. Nachdem der Regisseur mit seinem Meisterwerk "Memento" den Durchbruch schaffte, wurde ihm die Ehre zuteil, mit keinen Geringeren als Al Pacino, Robin Williams und Hilary Swank das US-Remake zu "Insomnia" abzudrehen, um kurze Zeit später mit "Batman Begins" und dem emporstrebenden Christian Bale für Furore zu sorgen.
Bei diesen millionenschweren Brocken von Filmen vergisst man leider oft die Debütfilme junger, talentierter Regisseure. Satte 8 Jahre nach Erscheinen des Films schaffte er es kürzlich erst ins deutsche Fernsehen. Es geht um Nolans Erstlingswerk "Following". Wie der Name schon sagt, geht es ums Folgen. Dies besteht darin, dass der gelangweilte Arbeitslose Bill seine Zeit damit verbringt, wahllos irgendwelche Leute zu verfolgen und zu beschatten. Damit dieses "Spiel" nicht entgleist und ausufert, stellt er sich selber Regeln auf. Er lässt daher die Finger von kleinen Kindern oder verfolgt nie Frauen bei Nacht. Zudem heftet er sich nie zweimal an die die Fersen der ein und derselben Person. Das bleibt aber leider nur ein Vorhaben und schon bald ist er so von einem Mann namens Cobb fasziniert, das dieser ihn nicht mehr loslässt. Sie lernen sich kennen und kurioserweise erfährt Bill, dass es sich bei Cobb selbst um einen Menschen mit einem Fetisch handelt. Dieser raubt nämlich gerne Wohnungen aus. Kurze Zeit später machen die Beiden gemeinsame Sache, wodurch sich Bill bald in eine heikle Situation begibt.
Zunächst möchte ich gleich einmal vorwegnehmen, dass Nolan hiermit schon zeigt, welch genialer Filmemacher in ihm steckt, was er ja dann im Endeffekt auch mit besagten Werken weiter unter Beweis stellte. "Following" ist trotz seines Budgets von knapp 6000 $ und seiner Lauflänge von mickrigen 70 Minuten so tiefgründig und vielfältig, zudem noch ungemein komplex, dass dem Regisseur Lob und Respekt gebührt, einen solchen Geniestreich auf die Beine zu stellen. Denn in "Following" geht es, wie man am Ende des Films feststellen wird, gar nicht wirklich um das "Following", das Folgen, sondern Bill gerät durch sein Hobby und seinen Zeitvertreib nur in einen Sumpf von Intrigen und Betrügereien, in dem eigentlich Keiner Keinem vertrauen darf und kann.
Wie in "Memento" erzählt Nolan seine Geschichte nicht in chronologischer Abfolge, sondern diesmal in drei verschiedenen Zeitebenen. Dem Zuschauer wird dadurch höchste Konzentration abverlangt, wobei keine Komplexität wie in "Memento" erreicht wird. Nolan macht es einem etwas leichter und gibt die verschiedenen Zeitebenen gut zu erkennen. Einmal ist Bill der schlecht gekleidete, eher asozial anmutende Arbeitslose mit langen, fettigen Haaren und einem Bart. In der zweiten Ebene hätten wir Bill mit einer doch recht zivilisierten Frisur, zudem unrasiert und gut gekleidet. Die dritte Ebene zeigt Bill ebenso gut gekleidet und frisiert, jedoch mit einem kleinen Schönheitsfehler. Er trägt nämlich ein zugeschwollenes Auge und einige anderen Wunden im Gesicht mit sich. Wer Geduld und die eine gewisse Portion Konzentration und Auffassungsgabe hat, merkt schon bald, dass diese drei Ebenen unmittelbar miteinander in Verbindung stehen.
Der Film spricht viele interessante Aspekte an. Bill, der arbeitslose Mittzwanziger, der nicht weiß, was er mit seiner Zeit anzufangen hat, begibt sich auf die Straße und belästigt sozusagen Leute ohne deren Wissen. Er spioniert ihnen nacht, welche Klamotten sie in welchen Läden kaufen, was sie zu Mittag essen und wo sie wohnen. Er setzt sich moralische Grenzen, die er jedoch bald aufgrund des menschlichen Hangs zum Voyeurismus überschreitet und sich genau deswegen in seinen eigenen Abgrund begibt. Was ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst ist. Die übertriebene Neugierde und die damit verbundenen Nachforschungen werden hier also an den Pranger gestellt und alles andere als befürwortet, da Bill sich seine eigene Grube damit gräbt, indem er so viel über ihm völlig fremde Leute wissen möchte. Zudem greift der Film interessante Punkte auf. Ein Mensch setzt sich seine eigenen Grenzen, stellt seine eigenen Regeln auf. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese gebrochen werden. Sei es aus Langeweile, Voyeurismus oder ganz einfach deswegen, eben diese Regeln zu brechen. Umso gewagter es ist, desto aufregender und wie Cobb so schön sagt, desto mehr Adrenalin steigt auf.
Die nächste Frage, die man sich stellen kann, ist, wieso sich Bill in diese blonde Fremde verliebt. Er ist zuvor mit Cobb in ihre Wohnung eingebrochen, kennt also ihr Privatleben und ihre intimen Geheimnisse. Und dennoch steigt er ihr weiter nach und lädt sie sogar zu Drinks ein, bis er sie letztendlich mit nach Hause nimmt. Findet er sie wirklich interessant oder findet er sie deswegen interessant, weil er ihr um einige Geheimnisse voraus ist ? Weil er Macht ihr gegenüber verspürt ? Weil es ihn anregt, so viel über sie zu wissen, sie jedoch noch völlig im Unklaren ist ?
"Following" beginnt also als eine Art Charakterstudie über einen gelangweilten Arbeitslosen mit eigenartigem Hobby, wird später dann zum perfekten Film-Noir, in dem man am Besten einfach niemand vertraut und am Ende kann man sogar noch behaupten, dass es sich um einen Krimi oder einen ganz normalen Thriller handelt, mit dem zentralen Thema "Wie begeht man den perfekten Mord?".
Des niedrigen Budgets sei Dank, stellt "Following" einen düsteren Film dar, der nicht zuletzt aufgrund Nolans prächtiger Kameraführung toll bebildert ist und optisch vollauf fesselt und auch die Schauspieler, die allesamt aus dem privaten Umkreis von Nolan stammen, können durchaus überzeugen. Ich zweifle stark daran, dass der Film eine ähnliche Qualität erreicht hätte, wenn er nicht schwarzweiß gehalten und voll von Hollywoodstars wäre. Die kalte Optik und auch die Story erinnerte mich ein wenig an das belgische Underground-Meisterwerk "Mann beißt Hund" und auch Parallelen zum deutschen Kinofilm "Die fetten Jahre sind vorbei" dürfen gezogen werden, denn wie auch dort wird in "Following" nicht großartig entwendet und gestohlen, sondern es werden meistens nur kleine Dinge mitgenommen oder teilweise sogar "dazuversteckt", um die Eigentümer in Unruhe zu versetzen.
"Following" ist anrpuchsvolles, erzähltechnisch wie optisch berauschendes und fesselndes Independent-Kino, wie es im Bilderbuch steht. Und trotz seines Kleinod-Charakters unglaublich vielfältig und tiefgründig.
9/10 Punkte