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Warren Oates spielt Sam Peckinpah. Sam Peckinpah spielt sich selbst als Autor des Drehbuchs. Es ist ein persönlicher Film, wenn man dem Autorenkinoparadigma recht geben möchte. Eine Rachegeschichte, die doch niemanden rächen will. Die Tochter eines reichen mexikanischen Gutsherrn wird geschwängert, von Alfredo Garcia, der zum Zeitpunkt seines Todesurteils schon tot ist. Die Menschenjäger, die Bennie (Warren Oates) anheuern ihn dead, not alive zu finden und seinen Kopf als Beweis einfordern, wissen nicht, dass sie keinen Mörder beauftragen, sondern einen Grabschänder. Aber das ist nur der Rand. Der namensgebenden Garcia, den man niemals zu Gesicht bekommt, ist kein Hitchcockscher MacGuffin, sondern eine Allegorie der Unumkehrbarkeit des Todes. Als Bennie die Leiche ausgräbt, fährt ihm eine Schaufel mit Schockeffekten über den Kopf, er und seine Verlobte werden lebendig begraben, doch er lebt. Vielleicht lernte er erst kurz zuvor Leben in neuer Bedeutung kennen, als seine Geliebte einen Heiratsantrag einforderte. Zwei Silhouetten in der Landschaft, gegen einen Baum gelehnt. Man lernt beide als liebenswürdige
Kreaturen kennen, die nicht im Licht eines Klischees aufleuchten, das als romantischer Liebesschwur den baldigen Hass des Verlustes zu dem des Zuschauers macht. Durchaus illusionslos wird der Pakt zwischen Mann und Frau geschlossen, zwischen einem Schluck aus der Tequilaflasche und dem willkürlichen Pistolenschuss in die Landschaft, ein reiner Freudenausdruck. Die Freude bleibt in die Figuren eingeschlossen, sie teilt sich nicht, auch nicht mit. Die emotional aufgeladenen Elemente des Films findet man in den Schusswechseln, in der die Ekstase des Sterbens inszeniert wird. Mag der Protagonist auch noch so oft schießen, auf Leute, deren Vergehen keinen Wert hat; wenn die Kugel den Lauf verlassen hat, interessiert der Schütze nicht mehr, die Kamera fängt nur noch Bilder ein von den Getroffenen, die sich in Pirouetten drehen, als Körper im Raum agieren, deren spritzendes Blut wie Feuerwerk in der Wüstensonne leuchtet.
Bring Me the Head of Alfreda Garcia ist ein Werk mit materialisierter Moral: eine, die schon verwest und an der die Fliegen zehren. Der abgeschnittene Kopf auf dem Beifahrersitz des Protagnonisten, der ihn achtlos herumwirft und seinen Geruch beklagt; der die Geldsumme bedeutet, die Bennie nichts mehr bedeutet. Man kann einen Abgrund ausmachen, der sich in dem kleinen Jutesack ausbreitet, der eine Schuld erahnen lässt, die auch mit Eis nicht betäubt werden kann. Peckinpah kehrt mit seiner Figur die Möglichkeit des klassischen Westerns um; ein Showdown findet am Ende statt, ein Finale das aber nichts mehr entspannen wird, die loose ends bedürfen keiner Konsolidierung. Man mag sich fragen, ob Bennie überhaupt noch Selbstmord begeht, wenn er dem mexikanischen Baron mit einem Schuss den Krieg erklärt und ihn mit einem Zweiten beendet. Auch das Feuerwerk, das parallell zu dem Massaker stattfindet, fügt der Situation nichts hinzu, bedeutet lediglich einen kurzen Aufschub. Der point of no return lässt sich nicht auffinden, wenn Bennie kurz hinter dem Eingang der Hacienda von einem dutzend Schützen durchlöchert wird und der Abspann rollt, bevor ein Epilog den Zuschauer aus dem Geschehen entlässt und klar wird, dass das, was in der zweiten Hälfte des Films passiert, bereits ein Epilog war. So ist Warren Oates Figur die Inkarnation eines Anti-Helden schlechthin: keine einfache Inversion des guten Charakters, keine Fläche zur Identifikation, kein Konflikt zum Mitfiebern; ein Charakter, der Hoffnung insofern transzendiert, als sie in der narrativen Dynamik einer Rachegeschichte schon nicht mehr möglich ist. Wenn es tatsächlich Peckinpah ist, der sich in diese Figur eingeschrieben hat, schuf er sich mit dieser gewaltigen und gewalttätigen Wüstenelegie tatsächlich ein Denkmal, dessen Umrisse in seinem ganzen Œuvre fühl- und sichtbar sind.

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