Jochen Marseille, ein wahrer deutscher Held. 158 Abschüsse feindlicher Flugzeuge in 388 Einsätzen. Auszeichnungen bis hin zum Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern (vom Führer persönlich verliehen, jawoll!) Und dabei eigentlich doch nur ein flugbegeisterter junger Mensch mit einem Hang zu Marianne Koch. DER STERN VON AFRIKA zeichnet das Leben des historischen Jochen Marseille nach: Disziplinarische Probleme in der Ausbildung, die ersten Einsätze über dem Ärmelkanal, die Karriere im Krieg in Afrika, und schlussendlich seinen Tod.
Klingt heroisch, ist heroisch. DER STERN VON AFRIKA ist beileibe kein Propagandafilm aus den 40er-Jahren, aber mal abgesehen von so einigen nachdenklichen Stellen wird uns hier der Krieg als großes Jungenabenteuer verkauft, in dem Orden und Freunde zu gewinnen sind, und als ganz besondere Auszeichnung der Heldentod lächelt.
Nein, ganz so schlimm ist es nun nicht. Die damalige Kritik, welche die 1957 soeben stattgefundene Wiederbewaffnung freudig in die vernichtenden Kritiken mit einbezog, lag mit solchen Aussagen zwar nicht völlig daneben, übersah dabei aber, dass der Tod eben gerade nicht als Ideal dargestellt wird. Dafür hat es zu viel Nachdenklichkeit, zu viel Düsternis, auch im oft recht platt gezeichneten Helden selber (Frage: „Was erwartest Du vom Leben?“ Antwort von Marseille: „Fliegen und Abschießen!“). Auch das Ende des Films, welches den Zuschauer mit seinen Gefühlen ziemlich alleine lässt, macht deutlich, dass Krieg in den meisten Fällen mit dem Tod endet, und darum prinzipiell erstmal nichts Gutes ist. Joachim Hansen schafft es in seiner ersten Filmrolle recht gut, den Überschwang der Jugend und die Begeisterung für das Fliegen in Einklang zu bringen mit der aufkommenden Fassungslosigkeit und den Zweifeln. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die im Trailer großsprecherisch beworbenen Luftkämpfe eben gerade nicht zu sehen sind. Die Action findet im Off statt, was meiner eigenen Einleitung vom Krieg als Abenteuer dann doch ein wenig widerspricht, und als großer Pluspunkt des Films gesehen werden muss. Trotz einer martialischen Grundausrichtung bleibt STERN im Kern ein Melodram mit vielen leiseren Tönen. Die dann allerdings leider oft eher stereotyp rüberkommen: Die ängstlichen Eltern, der zweifelnde Jugendfreund, die leidende Geliebte, der kriegsmüde Hauptmann. Und was definitiv stört sind so die kleinen Momente: Dass die Männer im Führerhauptquartier eigentlich ganz patente Kerle sind, dass Schwarze gute Tänzer und begeistert-servile Diener sind, …
Als Marseille als frischgebackener Ritterkreuzträger vor seiner alten Schule spricht, war ich sehr gespannt ob Weidenmann sich traut, die adäquate Szene aus Lewis Milestones IM WESTEN NICHTS NEUES zu kopieren, in der Lew Ayres vor den kriegsbegeisterten Mitschülern nicht von toten Feinden und gewonnen Schlachten schwärmt, sondern stattdessen ins Stottern gerät, wenn er an die zerfetzten Kameraden, den Dreck und das Blut denkt. In WESTEN eine sehr eindrückliche Szene, verpasst Weidenmann es hier leider, deutlicher Position zu beziehen.
Insofern ist das ist das Ganze eine etwas zwiespältige Sache, aber als Abenteuerfilm (ups, das Wort dürfte mir hier aber nicht reinrutschen) funktioniert der STERN ziemlich gut. Und als Dokumentation beliebter deutscher Schauspieler noch viel mehr: Roberto Blanco, Hansjörg Felmy und Joachim Hansen haben ihre ersten Auftritte vor der Kamera, Horst Frank und Fernando Sancho sind in sehr frühen Rollen zu bewundern, und Erich Ponto in seiner letzten. Aus heutiger Sicht also eigentlich(!) alles in Butter, nur das Geschmäckle bleibt, dass da eben doch der wiedererwachende Militarismus als segenbringende Errungenschaft verkauft werden soll. Aber spätestens wenn der groovige Rumba von Hans-Martin Majewski ertönt, sollte sich die Kriegerseele wieder entspannen. Als Statement zur Lage der Nation ein Grund zum Schämen, aber aus filmischer Sicht interessant und ausgesprochen kurzweilig.