Review

Normalerweise gehören die persönlichen Erinnerungen an einen Film nicht unbedingt in eine Review, aber für den Blick auf "Der Tod kommt zweimal" halte ich das für notwendig.

Als ich den Film 1984 im Kino sah, war ich noch kein so fanatischer Dauer-Kinogänger wie in späteren Jahren - Kino war noch ein besonderes Ereignis, immer auch verbunden mit einer persönlichen Begegnung. Die Entscheidung gerade in diesen Film zu gehen, hatte damals noch etwas leicht peinliches, denn De Palma stand zu dieser Zeit für leicht verdauliche Kost im Thriller-Genre, verbunden mit Horror- und Sex-Elementen - populär, aber nicht eben anspruchsvoll.

Vielleicht gerade deshalb kann ich mich noch sehr gut an die Gefühle erinnern, die ich damals im Kinosaal hatte - der Film entführte mich (und den Anderen ging es ebenso) in eine fremde Welt.

Dabei fängt alles normal an, so normal man sich das Leben in Los Angeles-Hollywood vorstellen kann. Nachdem Jake (Craig Wesson) gerade in einer Vampir-Szene eines C-Filmes versagt hatte, kehrt er verfrüht in seine Wohnung zurück, um dort seine Freundin mit einem Anderen zu erwischen. Schon in diesen ersten Szenen begegnen uns ständig Doppeldeutigkeiten - sei es die Vampirszene selbst, Hintergrundmalereien oder die als Hot Dog gestaltete Würstchenbude - De Palma hat einen Heidenspaß, uns ein bißchen an der Nase herum zu führen.

Doch dann wendet sich der Charakter des Films. Nachdem wir Craigs Versuche einen neuen Job zu bekommen und seinen Auftritt bei der Schauspielschule erlebt haben, welche bei schönstem Sonnenlicht spielen, wird es plötzlich Nacht und Craig betritt ein futuristisches Gebäude oberhalb Los Angeles. Sein neuer Bekannter Sam (Gregg Henry) bietet ihm diese "Wohnung" als zeitweisen Verbleib bis Craig eine neue Wohnung gefunden hat - er selbst ist wegen eines Filmdrehs außerhalb. Die ganze Szenerie hat etwas völlig fremdartiges und faszinierendes und als Sam Craig auch noch eine Nachbarin durch ein Super-Fernglas zeigt, die immer zur selben Zeit einen Striptease in ihrem Schlafzimmer aufführt, ist Craig völlig hin und weg....

Genau diese Faszination hat sich damals auch auf mich übertragen und so folgt man Craig bereitwillig auf seinem fast hypnotischen Weg der nächsten Tage. Er bemerkt durch das Fernglas, daß ein Fremder die schöne Frau von gegenüber verfolgt und versucht sie zu warnen. Alles was er macht ist in höchstem Maße peinlich - er verfolgt sie ziemlich dilettantisch und läßt sich sogar dazu hinreißen, einen gebrauchten Schlüpfer, den sein Objekt achtlos weggeschmissen hat, wieder aus der Mülltonne zu klauben. Dieser Teil des Films, der beinahe ohne Action auskommt, nimmt fast zwei Drittel der Gesamtlänge ein und ist das Kernstück des Films.

Als es dann tatsächlich zu dem äußerst brutalen Verbrechen kommt, wird der Film deutlich konventioneller. Er verliert die geheimnisvolle, merkwürdig unfaßbare Atmosphäre und wird zu einem typischen Thriller, bei dem die Suche nach dem tatsächlichen Täter im Mittelpunkt steht. Die Action, die dann teilweise im Porno-Milieu spielt mit der noch sehr jungen Melanie Griffith, die damals noch keiner kannte, ist zwar äußerlich fremdartig, aber nicht im geringsten geheimnisvoll und wird auch entsprechend von De Palma recht humorig geschildert.

Die Spannung ist ebenfalls jetzt genretypisch und führt zu einem für geübte Kriminologen wenig überraschenden Ende, auch wenn De Palma sich kurz vor Schluß noch einen Jux erlaubt...

Problematisch ist eher, daß sich die damalige Faszination kaum noch auf den heutigen Betrachter überträgt. Zum Einen liegt das daran, daß die Referenzwerke "Vertigo" im Besonderen und etwas "Fenster zum Hof" von Altmeister Hitchcock damals noch weggesperrt waren und 1984 schon seit fast 20 Jahren von Niemandem mehr gesehen wurden. Heute sind diese Werke allgegenwärtig und wer die Atmosphäre in "Vertigo" gespürt hat, in der James Steward ähnlich merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legt, ist auf "Der Tod kommt zweimal" ganz anders vorbereitet als ich damals.

Zusätzlich haben merkwürdig aussehende stumme Verfolger heute einen gewissen Gewohnheitswert wie auch die Erotiknummern und Pornoeinblicke heutzutage steinzeitlich wirken - den Strip als unerotisch zu bezeichnen, kann nur daran liegen, daß man heute andere Sehgewohnheiten hat, damals kam das durchaus überzeugend rüber. Die Hauptkritik an diesem Film ist, daß er nicht zeitlos ist - trotz einer gefälligen Optik und für die Zeit keineswegs besonders trashigen Kleidung, hat er deutlich an Faszination verloren. Ob man das Brian de Palma vorwerfen kann ?

Fazit : aus heutiger Sicht eher konventioneller Thriller, dessen Faszination sich nicht mehr so leicht erschließt, da er mit vielen genretypischen Elementen spielt, die in den letzten 20 Jahren recht inflationär gebraucht wurden. Die geheimnisvolle, unwirkliche Atmosphäre, die der Film besonders in der ersten Stunde aufbaut und die seinen Hauptdarsteller Craig zu seinem Handeln verführt, ist heute schwer nachzuempfinden. Dabei liegt gerade in dieser ruhigen ersten Stunde die eigentliche Qualität dieses aus heutiger Sicht fast altmodischen Thrillers, die ihn von der heutigen hektischen Genreware positiv unterscheidet.

Aus sentimentaler Sicht und für Jeden, der sich noch in die 80er einfühlen kann, gebe ich 8 Punkte, aus heutiger Sicht (6/10)

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