Kann man den zweiten Weltkrieg, das Schicksal der Juden, die Geschichte des Landes Kenya, dessen typisches Flair, Land und Leute und eine spannende Liebesgeschichte mit allen Höhen und Tiefen unter einen Hut bringen? Bevor ich den Film "Nirgendwo in Afrika" gesehen habe hätte ich dies mit vollster Überzeugung verneint. Doch Karoline Link schafft das schier Unmögliche zu meiner völligen Überraschung eben doch, und dann noch auf eine Art und Weise die wirklich Bewunderung verdient, insbesondere wenn man das Buch von Stefanie Zweig kennt.
Der Film spielt während der Zeit des Zweiten Weltkrieges und beschreibt die Flucht eines jüdischen Paares mit Kind, raus aus Nazideutschland und ehemals geborgenen und gutbürgerlichen Verhältnissen, hinein in ein unbekanntes und armes Kenya. Als Walter Redlich längst erkannt hat, dass es um das nackte Überleben von ihm selber und seiner Familie geht, hängt seine Frau Jettel noch zu sehr am vergangenen Leben und versucht sich krampfhaft an ihrer gutsituierten Stellung festzuhalten. Damit war ihr Scheitern in Kenya vorprogrammiert, ein Land, in dem nicht Kleidung und Luxus zählt, sondern die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen: Wasser und Nahrung. Für ihre Tochter Regina ist die Umstellung ein Leichtes. Ihre Kindliche Neugier und Unbedarftheit erleichtert ihr wesentlich das Eingewöhnen in dieses fremde Land, ja letztlich so sehr, dass sie die Sprache schnell erlernt und sich bei den Einheimischen problemlos integrieren kann, was ihren Eltern (insbesondere der Mutter) bis zuletzt nicht gelingen mag. Regina ist es am Ende dann auch, der man in ihrem Interesse wünschen würde in Kenya zu bleiben und nach Kriegsende nicht den gewagten Schritt zurück in die alte Heimat unternehmen zu müssen.
Doch was geschieht überhaupt in der Zeit zwischen Ausreise und Rückkehr? Walter arbeitet auf einer kenyanischen Farm, fest in britischer Hand. Seine Arbeit verrichtet er mehr schlecht als recht, zumal er körperliche Arbeit von Haus aus ungewohnt ist, war er doch erfolgreicher Anwalt bevor die Nazis ihn vertrieben. Doch egal wie, Überleben heißt das Ziel, und so holt er seine Familie nach. Jettels übermäßige Arroganz sorgt hier sofort für Spannung. Karoline Link bringt es perfekt zustande, dass man Jettel im ersten Moment wünscht, mal so richtig durchgeschüttelt zu werden. Nur langsam begreift Jettel, was um sie herum geschieht, insbesondere im fernen Deutschland und dass es nie wieder ein "Zurück" in "ihre" Welt geben wird. Als dieser Groschen fällt, bemüht sich auch Jettel um eine Integration. Doch zuviel hat sie bereits bei den Einheimischen verspielt, nur oberflächlich wird sie akzeptiert.
Als Walter in die Fänge des britischen Militärs gelangt (zunächst als Gefangener, da vermeintlicher Nazi, später als Soldat da nachweislich als Jude Nazigegner), ist Jettel mit ihrer Tochter auf sich alleine gestellt und muss sich durchschlagen, was ihr zunächst eher schlecht gelingt. Doch erstaunlich, wie ihr Charakter sich verändert, wie ihr Selbstbewusstsein zunimmt. Auch hier wieder perfekt, wie die Regisseurin den Wandel dieser Persönlichkeit zu zeigen vermag und Sympathien für Jettel weckt, die vorher in keinster Weise vorhanden waren.
Überhaupt glänzt dieser Film mit einem Paradigmenwechsel und einer Vielzahl von zwischenmenschlichen Beziehungen auf allen Ebenen ohne das landestypische Flair von Kenya in den Hintergrund zu drängen. Man fühlt in jeder Sekunde Kenya, man erkennt so viele selbsterlebte Situationen wieder und bewundert, wie detailreich dieser umfangreiche Stoff in etwas über zwei Stunden auf Zelluloid gebannt werden konnte. Zum Ende hin wird man fast böse, dass sich Walter und seine Familie entscheidet wieder nach Deutschland zurück zu kehren, hofft man doch auf eine Fortsetzung in Kenya. Eine Hommage an diese Hoffnung ist das Ende des Films, läßt es doch viel Spielraum für eigene Phantasien.
"Nirgendwo in Afrika" setzt als Film perfekt das Buch um, muss zwar einige Details aufgrund der zeitlichen Begrenzung vernachlässigen, verliert aber nie das Wesentliche aus den Augen und schafft es in ungewohnter Weise, Spannung zu erzeugen ohne Opfer zugunsten der filmischen Umsetzung bringen zu müssen.
Für Kenyafans ein Muss (insbesondere Dank der Rolle Owours). (8/10)