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Der Gedanke, was uns in fremder Welt erwarten könnte, beschäftigt den Menschen seit jeher. So ist es kaum verwunderlich, daß spätestens mit Die verlorene Welt, einer Adaption des vom Roraima-Tepui inspirierten Arthur Conan Doyle Romans, und dem ebenfalls von Willis H. O'Brien mit grandiosen Stop-Motion Effekten ausstaffierten King Kong und die weiße Frau die gigantischen Monstren aus den entlegenen Plätzen unseres Planeten Einzug in die Filmgeschichte genommen haben. Obwohl der Mensch nun dank ausführlicher Forschung immer mehr Geheimnisse trocken beantworten kann, spielt die Phantasie doch selbst im Dreikäsehoch, der alle Saurier mit lateinischer Bezeichnung flüssig herunter beten kann, fleißig verrückt und so besteht kaum die Frage, ob die Faszination an den klassischen Werken der Filmschaffenden oder die stetige Nachfrage nach destruktiven Bestien für ein solch vielfältiges Angebot verantwortlich sind.
Für Niemanden sind diese Produkte sicherlich nicht entstanden. Oft auf Radioaktivität basierende wissenschaftliche Projekte und letzte Mysterien wie die Tiefsee oder das Weltall legitimierten die andauernde Existenz bedrohlicher Gestalten, die für leichte Abwandlungen der immer gleichen Geschichte sorgen, die Fans wie lebensnotwendige Atemluft dankbar einsaugen. So ist es dem hauptsächlich als Art Director und Production Designer arbeitenden Eugène Lourié auch nicht zu verdenken, daß sein Regiedebüt Dinosaurier in New York nicht sein letzter Beitrag zum Genre geblieben ist.

Nachdem The Giant Behemoth dessen Geschichte schon quasi nur nach Großbritannien verlegte, war es Louriés Tochter, die am Ende des Films weinte und ihn für sein neues Projekt Gorgo zu einer kindgerechteren Variation anregte. Diese Richtung waren RKO mit Panik um King Kong zwar schon lange eingegangen, bevor B-Filme wie Tarantula und Angriff der 20 Meter Frau oder der japanische Godzilla für weitere Verwüstung auf den Leinwänden sorgten, jedoch eignet sich ein Echsenwesen kaum für die spielerische Mimik eines Mighty Joe. Gorgo ist kaum mit den schlangenhaarigen Wesen der griechischen Mythologie zu vergleichen, sondern ein durch ein Seebeben geweckter, Godzilla ähnlich sehender Saurier.
In einer stark an King Kong und Dinosaurier in New York angelehnten Geschichte versenkt das Monster zunächst die irische Fischereiflotte vor der Küste, bis es gefangen und zu Ausstellungszwecken nach London verschleppt wird. Der besondere Kniff, dessen sich später auch Filme wie Gappa - Frankensteins fliegende Monster in ähnlicher Form bedienten, ist, daß es sich bei Gorgo um ein Jungtier handelt, dessen erboste Mutter zur Hilfe eilt und optisch einem Kaiju Eiga ebenbürtig die englische Hauptstadt in Schutt und Asche legt. Die französischen Erzrivalen dürfen sich dabei ins Fäustchen lachen, denn nachdem die ursprünglich in Japan geplante Umsetzung des Films nicht stattfinden konnte, war ähnlich dem Prinzip von Rampage World Tour Paris als Schauplatz geplant gewesen, fiel aber wegen der logistisch wahnwitzigen Distanz zum Meer aus dem Raster.

Die ansonsten im Klassiker Die verlorene Welt und nur wenigen Genrefilmen wie Konga - Erbe von King Kong gebotene britische Exotik muß dann leider aber auch als einer der wenigen Rettungshalme herhalten, um eine Sichtung von Gorgo zu rechtfertigen. Zwar erinnert zwischenzeitlich ein Ruderboot in farbenfroher Optik entfernt an Der alte Mann und das Meer, jedoch dürfte jedem klar sein, daß schauspielerische Stärke hier weder zu erwarten ist, noch erwartet werden will. Der etwas zerknautschte Gummisaurier wirkt dann allerdings auch weniger agil und selbst im Vergleich mit manchen asiatischen Mitbewerbern leicht billig; per Stockfootage also im wahrsten Sinne des Wortes aufgestockte Militärs waren im Originalscript nicht vorgesehen und sorgen unter anderem für eine unnötige Streckung des nicht für epische Länge ausgelegten Werkes.
Obwohl sich ein altkluger Bengel unter den Figuren findet, hält sich dessen Präsenz in erträglichem Maße zurück, so daß eine Verkindlichung nach Art der späteren Gamera Episoden glücklicherweise entfällt. Gorgo mag zwar in der familienfreundlichen Prägung von Monsterfilmen seinen Teil beigetragen haben, beschränkt sich aber auf eine allgemeingültige, drastischere Variante eines Arguments gegen die unbedarfte Ausbeutung der Natur - irgendwann gibts halt ein Kontra. Trotzdem eignet sich der Film, so man nicht auf der Suche nach geeigneter Kost für die Sprößlinge ist, eher für die Freaks, die um eine weiträumigere Komplettierung ihrer Sammlung bemüht sind und nicht nur ein paar Highlights sehen wollen. Ein solches stellt Gorgo trotz ein paar netten und durchaus unterhaltsamen Zügen einfach nicht dar.

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