Als die Fernsehserie "Star Trek" Mitte der 60er Jahre auf den Fernsehschirmen erschien, stand sie für den damaligen liberalen Windhauch, der auch (New)Hollywood erfasste. Die "Enterprise" beherbergte nicht nur amerikanische Crew-Mitglieder, sondern stand stellvertretend für einen umfassenden Frieden auf der Erde, der es nicht nur ermöglichte russische, asiatische und amerikanische Sternenflieger zu vereinigen, sondern mit Mr.Spock sogar einen Alien hinzufügte, der allerdings Mensch genug war (dank irdischer Mutter), um trotz Spitzohr als Identifikation dienen zu können. Leutnant Uhura, die als Afro -Amerikanerin und Frau quasi zwei Minderheiten in einer Person vertrat, hatte aus heutiger Sicht sicherlich eine Alibifunktion, war aber in der damaligen USA als Offizier geradezu revolutionär.
Als die Serie 1969 wegen Erfolglosigkeit ihr Ende fand (drei Jahre bevor sie erstmals im deutschen Fernsehen gezeigt wurde), besaß sie noch nicht den Kultstatus, den sie weltweit erst in den 70er Jahren erwarb. Dieser Tatsache war es auch zu verdanken, dass erst 10 Jahre nach der letzten Folge die Filmreihe begann, die bis 1989 (und dem 5.Film) noch von den Urhelden der Serie bestimmt war, bis diese - allein schon wegen ihres Alters - nur noch schwerlich als agile Helden zu vermitteln waren. Schon ab dem ersten Film konnte die "Star Trek" - Reihe ein etwas betuliches Tempo nicht verheimlichen, denn trotz allen Aufwandes verlor sie nie den Charakter eines Fernsehfilms. Die Zeiten eines Captain Kirk, der sowohl bei den Außerirdischen als auch dem weiblichen Geschlecht nichts anbrennen ließ, waren schon mit dem Ende der Serie vorbei - äußerlich allein dadurch gekennzeichnet, dass es James T. Kirk beim ersten Film zum Admiral gebracht hatte.
Die Idee ein Prequel zu der Serie zu erstellen, das beschreibt wie es zu der Enterprise-Mannschaft kam, war in dieser Hinsicht logisch und riskant zugleich. Logisch, weil damit eine Kultserie aus der verstaubten Ecke hervorgeholt werden konnte, in die sie mit dem (trotz neuer Besetzung) immer gleichen thematischen Abnudeln der Spielfilme geraten war, riskant, weil Figuren, deren Status bisher eindeutig definiert schien, damit schnell entzaubert werden können. Regisseur J.J.Abrams bezeichnet sich selbst als Spätgeborenen, der weniger mit „Star Trek“ als mit „Star Wars“ groß wurde, weshalb er mit einem gewissen Abstand an die Thematik herangegangen ist und hier einen Film erstellte, der richtiges Blockbuster - Kino sein will und die Zwänge der Serie abstreifte.
Schon die Eingangssequenz verdeutlicht diesen Anspruch, wenn das Raumschiff U.S.S.Kelvin überlebensgroß und von bombastischer Musik begleitet ins Bild kommt. Doch wenige Augenblicke später erweist es sich als winzig klein, denn das feindliche und morbide aussehende Raumschiff, von dem die „Kelvin“ angegriffen wird, ist von weit monströseren Ausmaßen – ganz in dem Sinn, mit einem Knalleffekt zu beginnen und dann langsam weiter zu steigern. Das Ergebnis des Angriffs endet tragisch, auch wenn der junge Captain Kirk die Besatzung retten kann. In dem Augenblick, als er stirbt, wird sein Sohn James T. Kirk geboren. Der Charakter dieses Beginns gibt den Takt des Films vor – bildgewaltig, actionlastig, epochal und mit dem Mut zum Kitsch, aber immer mit dem richtigen Timing und dem notwendigen Maß an Selbstironie.
Parallel wird so die Entwicklung der beiden wichtigsten Protagonisten beschrieben – James Tiberius Kirk (Chris Pine) und Spock (Zachary Quinto), die sich erst einmal überhaupt nicht mögen. Auch die Fernsehserie lebte von deren sehr verschiedenen Charakteren, die letztlich nur die klassische Dividierung einer komplexen Persönlichkeit darstellt, aber durch das eher erwachsene Verhalten in den 60er Jahren kristallisierte sich der Effekt weniger stark heraus als im Film. Kirk und Spock liefern sich hier dagegen eher eine an Highschool - Filme erinnernde Auseinandersetzung, die sehr vergnüglich ohne die üblichen Peinlichkeiten auskommt. Das liegt auch an den sehr souveränen Nebendarstellern, denn Leutnant Uhura (Zoe Saldana) steigert in ihrer Eigenständigkeit noch die damaligen Emanzipationsbemühungen und trifft überraschende Entscheidungen, während „Pille“ Doc McCoy (Karl Urban) als wahrer Freund überzeugt. Die Besetzung von Simon Pegg als „Beam me up“ Scotty ist schlicht genial, denn gerade diese Figur war auch im Original immer für die witzigsten Szenen zuständig. In der Entwicklung dieser Konstellation erweist sich Regisseur Abrams als einerseits eigenständig, andererseits als respektvoll gegenüber dem Original, denn mit der Zeit entwickelt der Film den gleichen Sog wie die Serie in ihren besten Momenten, wenn die Crew gemeinsam einen scheinbar unbezwingbaren Feind bekämpft. Kirk und Spock lassen bitten…
Die teilweise etwas verschachtelt kreierte Story mit dem Zeitsprung kann mit dem Zusammenspiel der Protagonisten nicht ganz mithalten, hat aber den schönen Nebeneffekt, dass Leonard Nimoy als „alter“ Mr. Spock einen sehr gelungenen und selbstironischen Auftritt hat, mit dem er auch den theatralischsten Moment der Ordensverleihung seiner Ernsthaftigkeit enthebt. „Star Trek“ spielt zwar zeitlich vor der Fernsehserie, gibt dem Ganzen aber die Gegenwart zurück, denn Abrams gelingt es, aktuelles Actionkino mit der Authentizität des Originals zu verbinden. Auch ohne Sentimentalität gutes Unterhaltungskino, aber für die Erinnerung an die alte „Trekkie“ Zeit gibt es von mir „Frühgeborenem“ noch einen Extra-Punkt (9/10).